Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 3. Hamburg, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
XV.
Leichen-Carmen.
Herr Jost ist todt, der reiche Mann:
Wär er nicht reich gewesen;
Wir würden, falls ich rathen kann,
Auf Jhn kein Carmen lesen.
Sein hocherleuchteter Papa
Pflag Jhn oft selbst zu wiegen;
Die tugendvolle Frau Mama
Erzog Jhn mit Vergnügen.
Er war ein rechter Springinsfeld
Jm ersten bunten Kleide,
Und ward daher der jungen Welt
Und auch der Muhmen Freude.
Nur sieben Jahre war Er alt,
Da wusst Er fast zu lesen;
Und hieraus sieht ein jeder bald,
Wie klug das Kind gewesen.
Man hielte Seiner Jugend zart
Wohl zehn Jnformatores;
Die lehrten Jhn, nach mancher Art,
Die Sprachen und die Mores.
Es lernte Jost ohn Unterlaß,
Daß Jhm der Kopf fast rauchte:
Kein Mutter-Kind studirte baß
Was es zu wissen brauchte.
Da eilt Er mit der jungen Magd
Jn manche Classen eben,
Und führte, mit ihr, unverzagt,
Ein exemplarisch Leben.
Er glich dem edlen Garten-Klee,
Der zeitig aufwärts steiget,
Und nicht der trägen Aloe,
Die späte Blühten zeiget.
D 3
XV.
Leichen-Carmen.
Herr Joſt iſt todt, der reiche Mann:
Waͤr er nicht reich geweſen;
Wir wuͤrden, falls ich rathen kann,
Auf Jhn kein Carmen leſen.
Sein hocherleuchteter Papa
Pflag Jhn oft ſelbſt zu wiegen;
Die tugendvolle Frau Mama
Erzog Jhn mit Vergnuͤgen.
Er war ein rechter Springinsfeld
Jm erſten bunten Kleide,
Und ward daher der jungen Welt
Und auch der Muhmen Freude.
Nur ſieben Jahre war Er alt,
Da wuſſt Er faſt zu leſen;
Und hieraus ſieht ein jeder bald,
Wie klug das Kind geweſen.
Man hielte Seiner Jugend zart
Wohl zehn Jnformatores;
Die lehrten Jhn, nach mancher Art,
Die Sprachen und die Mores.
Es lernte Joſt ohn Unterlaß,
Daß Jhm der Kopf faſt rauchte:
Kein Mutter-Kind ſtudirte baß
Was es zu wiſſen brauchte.
Da eilt Er mit der jungen Magd
Jn manche Claſſen eben,
Und fuͤhrte, mit ihr, unverzagt,
Ein exemplariſch Leben.
Er glich dem edlen Garten-Klee,
Der zeitig aufwaͤrts ſteiget,
Und nicht der traͤgen Aloe,
Die ſpaͤte Bluͤhten zeiget.
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0043" n="29"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">XV.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Leichen-Carmen.</hi> </hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">H</hi>err Jo&#x017F;t i&#x017F;t todt, der reiche Mann:</l><lb/>
            <l>Wa&#x0364;r er nicht reich gewe&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Wir wu&#x0364;rden, falls ich rathen kann,</l><lb/>
            <l>Auf Jhn kein Carmen le&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Sein hocherleuchteter Papa</l><lb/>
            <l>Pflag Jhn oft &#x017F;elb&#x017F;t zu wiegen;</l><lb/>
            <l>Die tugendvolle Frau Mama</l><lb/>
            <l>Erzog Jhn mit Vergnu&#x0364;gen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Er war ein rechter Springinsfeld</l><lb/>
            <l>Jm er&#x017F;ten bunten Kleide,</l><lb/>
            <l>Und ward daher der jungen Welt</l><lb/>
            <l>Und auch der Muhmen Freude.</l><lb/>
            <l>Nur &#x017F;ieben Jahre war Er alt,</l><lb/>
            <l>Da wu&#x017F;&#x017F;t Er fa&#x017F;t zu le&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Und hieraus &#x017F;ieht ein jeder bald,</l><lb/>
            <l>Wie klug das Kind gewe&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Man hielte Seiner Jugend zart</l><lb/>
            <l>Wohl zehn Jnformatores;</l><lb/>
            <l>Die lehrten Jhn, nach mancher Art,</l><lb/>
            <l>Die Sprachen und die Mores.</l><lb/>
            <l>Es lernte Jo&#x017F;t ohn Unterlaß,</l><lb/>
            <l>Daß Jhm der Kopf fa&#x017F;t rauchte:</l><lb/>
            <l>Kein Mutter-Kind &#x017F;tudirte baß</l><lb/>
            <l>Was es zu wi&#x017F;&#x017F;en brauchte.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Da eilt Er mit der jungen Magd</l><lb/>
            <l>Jn manche Cla&#x017F;&#x017F;en eben,</l><lb/>
            <l>Und fu&#x0364;hrte, mit ihr, unverzagt,</l><lb/>
            <l>Ein exemplari&#x017F;ch Leben.</l><lb/>
            <l>Er glich dem edlen Garten-Klee,</l><lb/>
            <l>Der zeitig aufwa&#x0364;rts &#x017F;teiget,</l><lb/>
            <l>Und nicht der tra&#x0364;gen Aloe,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;pa&#x0364;te Blu&#x0364;hten zeiget.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0043] XV. Leichen-Carmen. Herr Joſt iſt todt, der reiche Mann: Waͤr er nicht reich geweſen; Wir wuͤrden, falls ich rathen kann, Auf Jhn kein Carmen leſen. Sein hocherleuchteter Papa Pflag Jhn oft ſelbſt zu wiegen; Die tugendvolle Frau Mama Erzog Jhn mit Vergnuͤgen. Er war ein rechter Springinsfeld Jm erſten bunten Kleide, Und ward daher der jungen Welt Und auch der Muhmen Freude. Nur ſieben Jahre war Er alt, Da wuſſt Er faſt zu leſen; Und hieraus ſieht ein jeder bald, Wie klug das Kind geweſen. Man hielte Seiner Jugend zart Wohl zehn Jnformatores; Die lehrten Jhn, nach mancher Art, Die Sprachen und die Mores. Es lernte Joſt ohn Unterlaß, Daß Jhm der Kopf faſt rauchte: Kein Mutter-Kind ſtudirte baß Was es zu wiſſen brauchte. Da eilt Er mit der jungen Magd Jn manche Claſſen eben, Und fuͤhrte, mit ihr, unverzagt, Ein exemplariſch Leben. Er glich dem edlen Garten-Klee, Der zeitig aufwaͤrts ſteiget, Und nicht der traͤgen Aloe, Die ſpaͤte Bluͤhten zeiget. D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung03_1752/43
Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 3. Hamburg, 1752, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung03_1752/43>, abgerufen am 26.04.2024.