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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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Nun haben wir den Feind geschlagen,
Und so, wie wir gewünscht, den Sieg davon getragen;
Die Götter haben ihn verliehn.
Ja, ja, die Götter haben ihn
Dir, o Athen, Pandrosens Vaterland!
Das ihnen lieb ist, zugewandt.

Man würde Mühe haben, zu erfahren, in welchen Umständen
diese Scolien gemacht worden. Von den neun folgenden haben wir
genauere Nachricht, und wir wollen sie nach der Ordnung der Zeiten,
da sie verfertiget sind, hersetzen.

Praxilla, eine gelehrte Sicyonerin, that sich in dieser Art von
Liedern vor andern hervor, wie schon gesagt ist, und hatte eine grosse
Anzahl derselben geschrieben, wovon wir fast nichts mehr übrig haben.
Man kann das Lied, das sie auf den Adonis gemacht hatte, als eine
historische Scolie ansehen. Die Worte selber haben wir nicht; man
weiß nur noch den Jnhalt, so wie ihn Zenobius70 von Polemon abge-
schrieben hat. Es wird darinn von dem Adonis geredet, der kürzlich
in den unterirdischen Gegenden angekommen. Er wird gefraget, was
unter allen denen Dingen, die er auf der Erde verlassen, das schönste
sey? und er antwortet: Die Sonne, der Mond, die Gurken und die
Aepfel. Aus dem Lächerlichen, welches darinn stecket, daß er die Son-
ne und diese Arten von Früchten mit einander in Vergleichung stellet,
entstand ein Sprüchwort, das auf sehr einfältige Leute gebracht wurde:
Dummer, als der Adonis der Praxilla.

Praxilla hatte noch eine Scolie auf den Admetus verfertiget, die
im Alterthume sehr berühmt ist. Ein Schriftsteller, mit Namen Pau-
sanias,71 sagte in seinem täglichen Wörter-Buche, welches Eustathius
angeführet hat, daß diese Scolie in Athen gesungen würde, und daß
einige sie dem Alcäus, andere der Sapho, und noch andere der Pra-
xilla von Sicyon zuschrieben. Aber der Scholiast des Aristophanes72
setzet sie ohne Bedenken unter die Trink-Lieder der Praxilla. Dieses
ist die Scolie.

Der du Admets Geschichte weisst,
Freund, liebe stets nur brave Männer,
Und meide die verzagten Selen;
Denn die Gesellschaft dieser Leute
Wird dir gewiß verdrießlich seyn.

Die Worte dieses Liedes haben wir dem Fleisse des Athenäus73
und des Eustathius74 zu danken, welche sie uns aufbehalten haben.

Aristo-
70 Zenobius cent. 4. adag. 21.
71 Eustath. in 2. Iliad. p. 326. edit. Rom.
72 Schol. Aristoph. in vesp. v. 1231.
73 Athen l. XV. c. 15.
74 Eustath. l. cit.
Nun haben wir den Feind geſchlagen,
Und ſo, wie wir gewuͤnſcht, den Sieg davon getragen;
Die Goͤtter haben ihn verliehn.
Ja, ja, die Goͤtter haben ihn
Dir, o Athen, Pandroſens Vaterland!
Das ihnen lieb iſt, zugewandt.

Man wuͤrde Muͤhe haben, zu erfahren, in welchen Umſtaͤnden
dieſe Scolien gemacht worden. Von den neun folgenden haben wir
genauere Nachricht, und wir wollen ſie nach der Ordnung der Zeiten,
da ſie verfertiget ſind, herſetzen.

Praxilla, eine gelehrte Sicyonerin, that ſich in dieſer Art von
Liedern vor andern hervor, wie ſchon geſagt iſt, und hatte eine groſſe
Anzahl derſelben geſchrieben, wovon wir faſt nichts mehr uͤbrig haben.
Man kann das Lied, das ſie auf den Adonis gemacht hatte, als eine
hiſtoriſche Scolie anſehen. Die Worte ſelber haben wir nicht; man
weiß nur noch den Jnhalt, ſo wie ihn Zenobius70 von Polemon abge-
ſchrieben hat. Es wird darinn von dem Adonis geredet, der kuͤrzlich
in den unterirdiſchen Gegenden angekommen. Er wird gefraget, was
unter allen denen Dingen, die er auf der Erde verlaſſen, das ſchoͤnſte
ſey? und er antwortet: Die Sonne, der Mond, die Gurken und die
Aepfel. Aus dem Laͤcherlichen, welches darinn ſtecket, daß er die Son-
ne und dieſe Arten von Fruͤchten mit einander in Vergleichung ſtellet,
entſtand ein Spruͤchwort, das auf ſehr einfaͤltige Leute gebracht wurde:
Dummer, als der Adonis der Praxilla.

Praxilla hatte noch eine Scolie auf den Admetus verfertiget, die
im Alterthume ſehr beruͤhmt iſt. Ein Schriftſteller, mit Namen Pau-
ſanias,71 ſagte in ſeinem taͤglichen Woͤrter-Buche, welches Euſtathius
angefuͤhret hat, daß dieſe Scolie in Athen geſungen wuͤrde, und daß
einige ſie dem Alcaͤus, andere der Sapho, und noch andere der Pra-
xilla von Sicyon zuſchrieben. Aber der Scholiaſt des Ariſtophanes72
ſetzet ſie ohne Bedenken unter die Trink-Lieder der Praxilla. Dieſes
iſt die Scolie.

Der du Admets Geſchichte weiſſt,
Freund, liebe ſtets nur brave Maͤnner,
Und meide die verzagten Selen;
Denn die Geſellſchaft dieſer Leute
Wird dir gewiß verdrießlich ſeyn.

Die Worte dieſes Liedes haben wir dem Fleiſſe des Athenaͤus73
und des Euſtathius74 zu danken, welche ſie uns aufbehalten haben.

Ariſto-
70 Zenobius cent. 4. adag. 21.
71 Euſtath. in 2. Iliad. p. 326. edit. Rom.
72 Schol. Ariſtoph. in veſp. v. 1231.
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74 Euſtath. l. cit.
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[15/0025] Nun haben wir den Feind geſchlagen, Und ſo, wie wir gewuͤnſcht, den Sieg davon getragen; Die Goͤtter haben ihn verliehn. Ja, ja, die Goͤtter haben ihn Dir, o Athen, Pandroſens Vaterland! Das ihnen lieb iſt, zugewandt. Man wuͤrde Muͤhe haben, zu erfahren, in welchen Umſtaͤnden dieſe Scolien gemacht worden. Von den neun folgenden haben wir genauere Nachricht, und wir wollen ſie nach der Ordnung der Zeiten, da ſie verfertiget ſind, herſetzen. Praxilla, eine gelehrte Sicyonerin, that ſich in dieſer Art von Liedern vor andern hervor, wie ſchon geſagt iſt, und hatte eine groſſe Anzahl derſelben geſchrieben, wovon wir faſt nichts mehr uͤbrig haben. Man kann das Lied, das ſie auf den Adonis gemacht hatte, als eine hiſtoriſche Scolie anſehen. Die Worte ſelber haben wir nicht; man weiß nur noch den Jnhalt, ſo wie ihn Zenobius 70 von Polemon abge- ſchrieben hat. Es wird darinn von dem Adonis geredet, der kuͤrzlich in den unterirdiſchen Gegenden angekommen. Er wird gefraget, was unter allen denen Dingen, die er auf der Erde verlaſſen, das ſchoͤnſte ſey? und er antwortet: Die Sonne, der Mond, die Gurken und die Aepfel. Aus dem Laͤcherlichen, welches darinn ſtecket, daß er die Son- ne und dieſe Arten von Fruͤchten mit einander in Vergleichung ſtellet, entſtand ein Spruͤchwort, das auf ſehr einfaͤltige Leute gebracht wurde: Dummer, als der Adonis der Praxilla. Praxilla hatte noch eine Scolie auf den Admetus verfertiget, die im Alterthume ſehr beruͤhmt iſt. Ein Schriftſteller, mit Namen Pau- ſanias, 71 ſagte in ſeinem taͤglichen Woͤrter-Buche, welches Euſtathius angefuͤhret hat, daß dieſe Scolie in Athen geſungen wuͤrde, und daß einige ſie dem Alcaͤus, andere der Sapho, und noch andere der Pra- xilla von Sicyon zuſchrieben. Aber der Scholiaſt des Ariſtophanes 72 ſetzet ſie ohne Bedenken unter die Trink-Lieder der Praxilla. Dieſes iſt die Scolie. Der du Admets Geſchichte weiſſt, Freund, liebe ſtets nur brave Maͤnner, Und meide die verzagten Selen; Denn die Geſellſchaft dieſer Leute Wird dir gewiß verdrießlich ſeyn. Die Worte dieſes Liedes haben wir dem Fleiſſe des Athenaͤus 73 und des Euſtathius 74 zu danken, welche ſie uns aufbehalten haben. Ariſto- 70 Zenobius cent. 4. adag. 21. 71 Euſtath. in 2. Iliad. p. 326. edit. Rom. 72 Schol. Ariſtoph. in veſp. v. 1231. 73 Athen l. XV. c. 15. 74 Euſtath. l. cit.

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/25>, abgerufen am 26.04.2024.