Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

Timocreon redet in einer Scolie von der Verachtung des Reich-
thums also:

Reichthum! du bringst alles Weh;*
Nicht die Erde, nicht die See
Trage deine Thronen!
Geh zum schwarzen Höllen-Fluß!
Geh zum finstern Tartarus!
Da nur must du wohnen.

Jsidorus von Pelusium56 gedenket dieser Scolie in einem seiner
Briefe, worinn er die ersten Worte davon anführet. Der Scholiast
des Aristophanes57 und Suidas58 haben sie uns in ihren Werken
ganz hinterlassen: sie setzen noch hinzu, daß Pericles die Formel dieser
Scolie in einem Gesetze brauchte, welches er gegen die Megaräer gab,
und worinn er ihnen alle Handlung zu Wasser und zu Lande mit den
Atheniensern untersagte; hierbey führen sie einen Vers aus dem Aristo-
phanes an, wo er sagt, daß Pericles Gesetze gäbe, die wie Scolien
geschrieben wären.

Plato,59 und nach ihm Lucianus60 und Athenäus61 haben eine
Scolie aufgezeichnet, die von den Graden des Vorzugs handelt, wel-
chen wir den Gütern dieses Lebens geben müssen.

Gesundheit! vor allen den Gaben,
Die Sterbliche wünschen und haben,
Nimmst du mit Recht den Vorzug ein.
Nach dir soll die Schönheit sich setzen.
Euch redlich erworbenen Schätzen
Will ich die dritte Stelle weihn.
Was bleibt für die vierte zurücke?
Jch weiß schon; die geb' ich dem Glücke,
Bey jungen Freunden jung zu seyn.

Eben dieser Spruch stehet mit etwas veränderten Worten beym
Phocylides; und als Aristoteles ihn von Delphi mitgebracht hatte: so

setzte
* [Spaltenumbruch] Man weiß nicht, wie weit Pluto
und Plutus eigentlich von einander zu
unterscheiden sind, weil sie von den Grie-
chen so gar oft mit einander verwech-
selt werden. S. la Mythologie & les
Fables expliqu'es par l'histoire par Mr.
l'Abbe Banier, tom. 5 L. IV. C. X. & XII.

Plutus, der Gott des Reichthums, ist
unter die höllischen Gottheiten gerechnet
worden, weil wir, um Schätze zu suchen,
bis in das innerste der Erden gedrun-
gen sind, oder auch, weil vielleicht schon
die Alten die zeitlichen Schätze mit so vie-
[Spaltenumbruch] len Flüchen und so frevelhafter Unge-
rechtigkeit oft besudelt befunden, daß sie
den heidnischen Besitzern derselben und
ungewissenhaften Wucherern in jener
Welt nur selten einen andern Sitz ver-
heissen haben, als die Hölle. A.
56 Isidor. Pelus. l. II. epist. 146.
57 Scholiast. Aristoph. in ran. v. 1337.
& in Acharn. v.
531.
58 Suidas in [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt].
59 Plato in Gorg.
60 Lucianus de laps. inter salt.
61 Athen. l. XV. c. 14.

Timocreon redet in einer Scolie von der Verachtung des Reich-
thums alſo:

Reichthum! du bringſt alles Weh;*
Nicht die Erde, nicht die See
Trage deine Thronen!
Geh zum ſchwarzen Hoͤllen-Fluß!
Geh zum finſtern Tartarus!
Da nur muſt du wohnen.

Jſidorus von Peluſium56 gedenket dieſer Scolie in einem ſeiner
Briefe, worinn er die erſten Worte davon anfuͤhret. Der Scholiaſt
des Ariſtophanes57 und Suidas58 haben ſie uns in ihren Werken
ganz hinterlaſſen: ſie ſetzen noch hinzu, daß Pericles die Formel dieſer
Scolie in einem Geſetze brauchte, welches er gegen die Megaraͤer gab,
und worinn er ihnen alle Handlung zu Waſſer und zu Lande mit den
Athenienſern unterſagte; hierbey fuͤhren ſie einen Vers aus dem Ariſto-
phanes an, wo er ſagt, daß Pericles Geſetze gaͤbe, die wie Scolien
geſchrieben waͤren.

Plato,59 und nach ihm Lucianus60 und Athenaͤus61 haben eine
Scolie aufgezeichnet, die von den Graden des Vorzugs handelt, wel-
chen wir den Guͤtern dieſes Lebens geben muͤſſen.

Geſundheit! vor allen den Gaben,
Die Sterbliche wuͤnſchen und haben,
Nimmſt du mit Recht den Vorzug ein.
Nach dir ſoll die Schoͤnheit ſich ſetzen.
Euch redlich erworbenen Schaͤtzen
Will ich die dritte Stelle weihn.
Was bleibt fuͤr die vierte zuruͤcke?
Jch weiß ſchon; die geb’ ich dem Gluͤcke,
Bey jungen Freunden jung zu ſeyn.

Eben dieſer Spruch ſtehet mit etwas veraͤnderten Worten beym
Phocylides; und als Ariſtoteles ihn von Delphi mitgebracht hatte: ſo

ſetzte
* [Spaltenumbruch] Man weiß nicht, wie weit Pluto
und Plutus eigentlich von einander zu
unterſcheiden ſind, weil ſie von den Grie-
chen ſo gar oft mit einander verwech-
ſelt werden. S. la Mythologie & les
Fables expliqu’es par l’hiſtoire par Mr.
l’Abbé Banier, tom. 5 L. IV. C. X. & XII.

Plutus, der Gott des Reichthums, iſt
unter die hoͤlliſchen Gottheiten gerechnet
worden, weil wir, um Schaͤtze zu ſuchen,
bis in das innerſte der Erden gedrun-
gen ſind, oder auch, weil vielleicht ſchon
die Alten die zeitlichen Schaͤtze mit ſo vie-
[Spaltenumbruch] len Fluͤchen und ſo frevelhafter Unge-
rechtigkeit oft beſudelt befunden, daß ſie
den heidniſchen Beſitzern derſelben und
ungewiſſenhaften Wucherern in jener
Welt nur ſelten einen andern Sitz ver-
heiſſen haben, als die Hoͤlle. A.
56 Iſidor. Peluſ. l. II. epiſt. 146.
57 Scholiaſt. Ariſtoph. in ran. v. 1337.
& in Acharn. v.
531.
58 Suidas in [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt].
59 Plato in Gorg.
60 Lucianus de lapſ. inter ſalt.
61 Athen. l. XV. c. 14.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0022" n="12"/>
            <p>Timocreon redet in einer Scolie von der Verachtung des Reich-<lb/>
thums al&#x017F;o:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Reichthum! du bring&#x017F;t alles Weh;<note place="foot" n="*"><cb/>
Man weiß nicht, wie weit Pluto<lb/>
und Plutus eigentlich von einander zu<lb/>
unter&#x017F;cheiden &#x017F;ind, weil &#x017F;ie von den Grie-<lb/>
chen &#x017F;o gar oft mit einander verwech-<lb/>
&#x017F;elt werden. S. <hi rendition="#aq">la Mythologie &amp; les<lb/>
Fables expliqu&#x2019;es par l&#x2019;hi&#x017F;toire par Mr.<lb/>
l&#x2019;Abbé Banier, tom. 5 L. IV. C. X. &amp; XII.</hi><lb/>
Plutus, der Gott des Reichthums, i&#x017F;t<lb/>
unter die ho&#x0364;lli&#x017F;chen Gottheiten gerechnet<lb/>
worden, weil wir, um Scha&#x0364;tze zu &#x017F;uchen,<lb/>
bis in das inner&#x017F;te der Erden gedrun-<lb/>
gen &#x017F;ind, oder auch, weil vielleicht &#x017F;chon<lb/>
die Alten die zeitlichen Scha&#x0364;tze mit &#x017F;o vie-<lb/><cb/>
len Flu&#x0364;chen und &#x017F;o frevelhafter Unge-<lb/>
rechtigkeit oft be&#x017F;udelt befunden, daß &#x017F;ie<lb/>
den heidni&#x017F;chen Be&#x017F;itzern der&#x017F;elben und<lb/>
ungewi&#x017F;&#x017F;enhaften Wucherern in jener<lb/>
Welt nur &#x017F;elten einen andern Sitz ver-<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en haben, als die Ho&#x0364;lle. <hi rendition="#aq">A.</hi></note></l><lb/>
              <l>Nicht die Erde, nicht die See</l><lb/>
              <l>Trage deine Thronen!</l><lb/>
              <l>Geh zum &#x017F;chwarzen Ho&#x0364;llen-Fluß!</l><lb/>
              <l>Geh zum fin&#x017F;tern Tartarus!</l><lb/>
              <l>Da nur mu&#x017F;t du wohnen.</l>
            </lg><lb/>
            <p>J&#x017F;idorus von Pelu&#x017F;ium<note place="foot" n="56"><hi rendition="#aq">I&#x017F;idor. Pelu&#x017F;. l. II. epi&#x017F;t.</hi> 146.</note> gedenket die&#x017F;er Scolie in einem &#x017F;einer<lb/>
Briefe, worinn er die er&#x017F;ten Worte davon anfu&#x0364;hret. Der Scholia&#x017F;t<lb/>
des Ari&#x017F;tophanes<note place="foot" n="57"><hi rendition="#aq">Scholia&#x017F;t. Ari&#x017F;toph. in ran. v. 1337.<lb/>
&amp; in Acharn. v.</hi> 531.</note> und Suidas<note place="foot" n="58"><hi rendition="#aq">Suidas in</hi><foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="words" quantity="1"/></foreign>.</note> haben &#x017F;ie uns in ihren Werken<lb/>
ganz hinterla&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;ie &#x017F;etzen noch hinzu, daß Pericles die Formel die&#x017F;er<lb/>
Scolie in einem Ge&#x017F;etze brauchte, welches er gegen die Megara&#x0364;er gab,<lb/>
und worinn er ihnen alle Handlung zu Wa&#x017F;&#x017F;er und zu Lande mit den<lb/>
Athenien&#x017F;ern unter&#x017F;agte; hierbey fu&#x0364;hren &#x017F;ie einen Vers aus dem Ari&#x017F;to-<lb/>
phanes an, wo er &#x017F;agt, daß Pericles Ge&#x017F;etze ga&#x0364;be, die wie Scolien<lb/>
ge&#x017F;chrieben wa&#x0364;ren.</p><lb/>
            <p>Plato,<note place="foot" n="59"><hi rendition="#aq">Plato in Gorg.</hi></note> und nach ihm Lucianus<note place="foot" n="60"><hi rendition="#aq">Lucianus de lap&#x017F;. inter &#x017F;alt.</hi></note> und Athena&#x0364;us<note place="foot" n="61"><hi rendition="#aq">Athen. l. XV. c.</hi> 14.</note> haben eine<lb/>
Scolie aufgezeichnet, die von den Graden des Vorzugs handelt, wel-<lb/>
chen wir den Gu&#x0364;tern die&#x017F;es Lebens geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Ge&#x017F;undheit! vor allen den Gaben,</l><lb/>
              <l>Die Sterbliche wu&#x0364;n&#x017F;chen und haben,</l><lb/>
              <l>Nimm&#x017F;t du mit Recht den Vorzug ein.</l><lb/>
              <l>Nach dir &#x017F;oll die Scho&#x0364;nheit &#x017F;ich &#x017F;etzen.</l><lb/>
              <l>Euch redlich erworbenen Scha&#x0364;tzen</l><lb/>
              <l>Will ich die dritte Stelle weihn.</l><lb/>
              <l>Was bleibt fu&#x0364;r die vierte zuru&#x0364;cke?</l><lb/>
              <l>Jch weiß &#x017F;chon; die geb&#x2019; ich dem Glu&#x0364;cke,</l><lb/>
              <l>Bey jungen Freunden jung zu &#x017F;eyn.</l>
            </lg><lb/>
            <p>Eben die&#x017F;er Spruch &#x017F;tehet mit etwas vera&#x0364;nderten Worten beym<lb/>
Phocylides; und als Ari&#x017F;toteles ihn von Delphi mitgebracht hatte: &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;etzte</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0022] Timocreon redet in einer Scolie von der Verachtung des Reich- thums alſo: Reichthum! du bringſt alles Weh; * Nicht die Erde, nicht die See Trage deine Thronen! Geh zum ſchwarzen Hoͤllen-Fluß! Geh zum finſtern Tartarus! Da nur muſt du wohnen. Jſidorus von Peluſium 56 gedenket dieſer Scolie in einem ſeiner Briefe, worinn er die erſten Worte davon anfuͤhret. Der Scholiaſt des Ariſtophanes 57 und Suidas 58 haben ſie uns in ihren Werken ganz hinterlaſſen: ſie ſetzen noch hinzu, daß Pericles die Formel dieſer Scolie in einem Geſetze brauchte, welches er gegen die Megaraͤer gab, und worinn er ihnen alle Handlung zu Waſſer und zu Lande mit den Athenienſern unterſagte; hierbey fuͤhren ſie einen Vers aus dem Ariſto- phanes an, wo er ſagt, daß Pericles Geſetze gaͤbe, die wie Scolien geſchrieben waͤren. Plato, 59 und nach ihm Lucianus 60 und Athenaͤus 61 haben eine Scolie aufgezeichnet, die von den Graden des Vorzugs handelt, wel- chen wir den Guͤtern dieſes Lebens geben muͤſſen. Geſundheit! vor allen den Gaben, Die Sterbliche wuͤnſchen und haben, Nimmſt du mit Recht den Vorzug ein. Nach dir ſoll die Schoͤnheit ſich ſetzen. Euch redlich erworbenen Schaͤtzen Will ich die dritte Stelle weihn. Was bleibt fuͤr die vierte zuruͤcke? Jch weiß ſchon; die geb’ ich dem Gluͤcke, Bey jungen Freunden jung zu ſeyn. Eben dieſer Spruch ſtehet mit etwas veraͤnderten Worten beym Phocylides; und als Ariſtoteles ihn von Delphi mitgebracht hatte: ſo ſetzte * Man weiß nicht, wie weit Pluto und Plutus eigentlich von einander zu unterſcheiden ſind, weil ſie von den Grie- chen ſo gar oft mit einander verwech- ſelt werden. S. la Mythologie & les Fables expliqu’es par l’hiſtoire par Mr. l’Abbé Banier, tom. 5 L. IV. C. X. & XII. Plutus, der Gott des Reichthums, iſt unter die hoͤlliſchen Gottheiten gerechnet worden, weil wir, um Schaͤtze zu ſuchen, bis in das innerſte der Erden gedrun- gen ſind, oder auch, weil vielleicht ſchon die Alten die zeitlichen Schaͤtze mit ſo vie- len Fluͤchen und ſo frevelhafter Unge- rechtigkeit oft beſudelt befunden, daß ſie den heidniſchen Beſitzern derſelben und ungewiſſenhaften Wucherern in jener Welt nur ſelten einen andern Sitz ver- heiſſen haben, als die Hoͤlle. A. 56 Iſidor. Peluſ. l. II. epiſt. 146. 57 Scholiaſt. Ariſtoph. in ran. v. 1337. & in Acharn. v. 531. 58 Suidas in _. 59 Plato in Gorg. 60 Lucianus de lapſ. inter ſalt. 61 Athen. l. XV. c. 14.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/22
Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/22>, abgerufen am 21.11.2024.