Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
Grausame Laura! rief Pedrill,
Grausame! die mein Unglück will,
Für dich muß ich noch heut erblassen.
Stracks rennet er in vollem Lauf
Bis an des Hauses Dach hinauf,
Und guckt dort in die Gassen.
Bald, als er Essen sah und roch,
Befragt er sich: Wie! leb ich noch?
Und zog ein Messer aus der Scheiden.
O! Liebe, sagt' er, deiner Wut
Weih' ich den Mordstai und mein Blut:
Und sing an Brodt zu schneiden.
Nach glücklich eingenommnem Mahl
Erwägt er seine Liebesquaal
Und will nunmehr durch Gift erbleichen.
Er öffnet eine Flasche Wein,
Und lässt, des Giftes voll zu seyn,
Sich noch die zweyte reichen.
Hernach verflucht er sein Geschick,
Und holet Schemel, Nagel, Strick,
Und schwört, nun soll die That geschehen.
Doch, ach! was kann betrübter seyn!
Der Strick ist schwach; der Nagel klein;
Der Schemel will nicht stehen.
Er wählt noch eine Todesart,
Und denkt: Wer sich erstickt, der spart,
Und darf für Gift und Strick nicht sorgen.
Drauf gähnt er, seufzet, eilt zur Ruh,
Kriecht in sein Bett und deckt sich zu,
Und schläft bis an den Morgen.


E 3
Grauſame Laura! rief Pedrill,
Grauſame! die mein Ungluͤck will,
Fuͤr dich muß ich noch heut erblaſſen.
Stracks rennet er in vollem Lauf
Bis an des Hauſes Dach hinauf,
Und guckt dort in die Gaſſen.
Bald, als er Eſſen ſah und roch,
Befragt er ſich: Wie! leb ich noch?
Und zog ein Meſſer aus der Scheiden.
O! Liebe, ſagt’ er, deiner Wut
Weih’ ich den Mordſtaı und mein Blut:
Und ſing an Brodt zu ſchneiden.
Nach gluͤcklich eingenommnem Mahl
Erwaͤgt er ſeine Liebesquaal
Und will nunmehr durch Gift erbleichen.
Er oͤffnet eine Flaſche Wein,
Und laͤſſt, des Giftes voll zu ſeyn,
Sich noch die zweyte reichen.
Hernach verflucht er ſein Geſchick,
Und holet Schemel, Nagel, Strick,
Und ſchwoͤrt, nun ſoll die That geſchehen.
Doch, ach! was kann betruͤbter ſeyn!
Der Strick iſt ſchwach; der Nagel klein;
Der Schemel will nicht ſtehen.
Er waͤhlt noch eine Todesart,
Und denkt: Wer ſich erſtickt, der ſpart,
Und darf fuͤr Gift und Strick nicht ſorgen.
Drauf gaͤhnt er, ſeufzet, eilt zur Ruh,
Kriecht in ſein Bett und deckt ſich zu,
Und ſchlaͤft bis an den Morgen.


E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0059" n="37"/>
        <lg>
          <l>Grau&#x017F;ame Laura! rief Pedrill,</l><lb/>
          <l>Grau&#x017F;ame! die mein Unglu&#x0364;ck will,</l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;r dich muß ich noch heut erbla&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Stracks rennet er in vollem Lauf</l><lb/>
          <l>Bis an des Hau&#x017F;es Dach hinauf,</l><lb/>
          <l>Und guckt dort in die Ga&#x017F;&#x017F;en.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Bald, als er E&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ah und roch,</l><lb/>
          <l>Befragt er &#x017F;ich: Wie! leb ich noch?</l><lb/>
          <l>Und zog ein Me&#x017F;&#x017F;er aus der Scheiden.</l><lb/>
          <l>O! Liebe, &#x017F;agt&#x2019; er, deiner Wut</l><lb/>
          <l>Weih&#x2019; ich den Mord&#x017F;ta&#x0131; und mein Blut:</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ing an Brodt zu &#x017F;chneiden.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Nach glu&#x0364;cklich eingenommnem Mahl</l><lb/>
          <l>Erwa&#x0364;gt er &#x017F;eine Liebesquaal</l><lb/>
          <l>Und will nunmehr durch Gift erbleichen.</l><lb/>
          <l>Er o&#x0364;ffnet eine Fla&#x017F;che Wein,</l><lb/>
          <l>Und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t, des Giftes voll zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
          <l>Sich noch die zweyte reichen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Hernach verflucht er &#x017F;ein Ge&#x017F;chick,</l><lb/>
          <l>Und holet Schemel, Nagel, Strick,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;chwo&#x0364;rt, nun &#x017F;oll die That ge&#x017F;chehen.</l><lb/>
          <l>Doch, ach! was kann betru&#x0364;bter &#x017F;eyn!</l><lb/>
          <l>Der Strick i&#x017F;t &#x017F;chwach; der Nagel klein;</l><lb/>
          <l>Der Schemel will nicht &#x017F;tehen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Er wa&#x0364;hlt noch eine Todesart,</l><lb/>
          <l>Und denkt: Wer &#x017F;ich er&#x017F;tickt, der &#x017F;part,</l><lb/>
          <l>Und darf fu&#x0364;r Gift und Strick nicht &#x017F;orgen.</l><lb/>
          <l>Drauf ga&#x0364;hnt er, &#x017F;eufzet, eilt zur Ruh,</l><lb/>
          <l>Kriecht in &#x017F;ein Bett und deckt &#x017F;ich zu,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;chla&#x0364;ft bis an den Morgen.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0059] Grauſame Laura! rief Pedrill, Grauſame! die mein Ungluͤck will, Fuͤr dich muß ich noch heut erblaſſen. Stracks rennet er in vollem Lauf Bis an des Hauſes Dach hinauf, Und guckt dort in die Gaſſen. Bald, als er Eſſen ſah und roch, Befragt er ſich: Wie! leb ich noch? Und zog ein Meſſer aus der Scheiden. O! Liebe, ſagt’ er, deiner Wut Weih’ ich den Mordſtaı und mein Blut: Und ſing an Brodt zu ſchneiden. Nach gluͤcklich eingenommnem Mahl Erwaͤgt er ſeine Liebesquaal Und will nunmehr durch Gift erbleichen. Er oͤffnet eine Flaſche Wein, Und laͤſſt, des Giftes voll zu ſeyn, Sich noch die zweyte reichen. Hernach verflucht er ſein Geſchick, Und holet Schemel, Nagel, Strick, Und ſchwoͤrt, nun ſoll die That geſchehen. Doch, ach! was kann betruͤbter ſeyn! Der Strick iſt ſchwach; der Nagel klein; Der Schemel will nicht ſtehen. Er waͤhlt noch eine Todesart, Und denkt: Wer ſich erſtickt, der ſpart, Und darf fuͤr Gift und Strick nicht ſorgen. Drauf gaͤhnt er, ſeufzet, eilt zur Ruh, Kriecht in ſein Bett und deckt ſich zu, Und ſchlaͤft bis an den Morgen. E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung01_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung01_1742/59
Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung01_1742/59>, abgerufen am 02.05.2024.