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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742.

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Mein Schäfer kennet mich noch nicht.
Wie wär es, wenn er mich verriethe?
O! liebt ich ihn; so wär es Güte:
Und, liebt er mich; so ist es Pflicht.
Denn alle Schäfer hier bekennen,
Jch sey schon liebenswerth zu nennen.
Er stahl oft manchen Kuß allhier.
Jch weiß allein die Zahl von allen:
Jhm aber ist sie halb entfällen;
Und diß Geheimniß merk ich mir.
Doch, sollt er nicht von meinen Küssen
Nach allem Recht die Anzahl wissen?
Er nenn es immer Gütigkeit,
Daß ich bey seinen Heerden-weide.
Jch nenn es eine Frühlingsfreude,
Und die ist keine Seltenheit.
Ja, hieß ichs mehr als ein Vergnügen;
So sag ichs nicht und bin verschwiegen.
Jch hab ihm heut ein grünes Band
Um seinen Hirtenstock gewunden.
Wie sehr ich ihn damit verbunden,
Jst mir nicht gänzlich unbekannt.
Er aber hat es nicht erfahren,
Warum ich bat, es zu bewahren.
Um etwas, Liebe, bitt ich dich:
Laß ihn nicht diesen Busch beschreiten.
Du mögtest ihn vielleicht begleiten:
Und, wahrlich! dann verrieth ich mich.
Doch, hast du das dir vorgenommen;
So laß ihn ja nicht heute kommen.


Mein Schaͤfer kennet mich noch nicht.
Wie waͤr es, wenn er mich verriethe?
O! liebt ich ihn; ſo waͤr es Guͤte:
Und, liebt er mich; ſo iſt es Pflicht.
Denn alle Schaͤfer hier bekennen,
Jch ſey ſchon liebenswerth zu nennen.
Er ſtahl oft manchen Kuß allhier.
Jch weiß allein die Zahl von allen:
Jhm aber iſt ſie halb entfaͤllen;
Und diß Geheimniß merk ich mir.
Doch, ſollt er nicht von meinen Kuͤſſen
Nach allem Recht die Anzahl wiſſen?
Er nenn es immer Guͤtigkeit,
Daß ich bey ſeinen Heerden-weide.
Jch nenn es eine Fruͤhlingsfreude,
Und die iſt keine Seltenheit.
Ja, hieß ichs mehr als ein Vergnuͤgen;
So ſag ichs nicht und bin verſchwiegen.
Jch hab ihm heut ein gruͤnes Band
Um ſeinen Hirtenſtock gewunden.
Wie ſehr ich ihn damit verbunden,
Jſt mir nicht gaͤnzlich unbekannt.
Er aber hat es nicht erfahren,
Warum ich bat, es zu bewahren.
Um etwas, Liebe, bitt ich dich:
Laß ihn nicht dieſen Buſch beſchreiten.
Du moͤgteſt ihn vielleicht begleiten:
Und, wahrlich! dann verrieth ich mich.
Doch, haſt du das dir vorgenommen;
So laß ihn ja nicht heute kommen.


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[15/0037] Mein Schaͤfer kennet mich noch nicht. Wie waͤr es, wenn er mich verriethe? O! liebt ich ihn; ſo waͤr es Guͤte: Und, liebt er mich; ſo iſt es Pflicht. Denn alle Schaͤfer hier bekennen, Jch ſey ſchon liebenswerth zu nennen. Er ſtahl oft manchen Kuß allhier. Jch weiß allein die Zahl von allen: Jhm aber iſt ſie halb entfaͤllen; Und diß Geheimniß merk ich mir. Doch, ſollt er nicht von meinen Kuͤſſen Nach allem Recht die Anzahl wiſſen? Er nenn es immer Guͤtigkeit, Daß ich bey ſeinen Heerden-weide. Jch nenn es eine Fruͤhlingsfreude, Und die iſt keine Seltenheit. Ja, hieß ichs mehr als ein Vergnuͤgen; So ſag ichs nicht und bin verſchwiegen. Jch hab ihm heut ein gruͤnes Band Um ſeinen Hirtenſtock gewunden. Wie ſehr ich ihn damit verbunden, Jſt mir nicht gaͤnzlich unbekannt. Er aber hat es nicht erfahren, Warum ich bat, es zu bewahren. Um etwas, Liebe, bitt ich dich: Laß ihn nicht dieſen Buſch beſchreiten. Du moͤgteſt ihn vielleicht begleiten: Und, wahrlich! dann verrieth ich mich. Doch, haſt du das dir vorgenommen; So laß ihn ja nicht heute kommen.

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung01_1742/37>, abgerufen am 24.11.2024.