Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.IV. Keimbildung der Wirbelthiere. die Hauptaxe des länglichrunden, schildförmigen Körpers (des"Keimschildes"); oberhalb der Chorda entwickelt sich aus dem äußeren Keimblatt das Rückenmark, unterhalb das Darmrohr. Dann erst erscheinen zu beiden Seiten, rechts und links vom Axenstab, die Ketten der "Urwirbel", die Anlagen der Muskel- platten, mit denen die Gliederung des Wirbelthier-Körpers beginnt. Vorn am Darm treten beiderseits die Kiemenspalten auf, die Oeffnungen des Schlundes, durch welche ursprünglich bei unsern Fisch-Ahnen das vom Munde aufgenommene Athem- wasser an den Seiten des Kopfes nach außen trat. In Folge zäher Vererbung treten diese Kiemenspalten, die nur bei den fischartigen, im Wasser lebenden Vorfahren von Bedeutung waren, auch heute noch beim Menschen wie bei allen übrigen Vertebraten auf; sie verschwinden später. Selbst nachdem schon am Kopfe die fünf Hirnblasen, seitlich die Anfänge der Augen und Ohren, sichtbar geworden, nachdem am Rumpfe die An- lagen der beiden Beinpaare in Form rundlicher platter Knospen aus dem fischartigen Menschenkeim hervorgesproßt sind, ist dessen Bildung derjenigen anderer Wirbelthiere noch so ähnlich, daß man sie nicht unterscheiden kann. Aehnlichkeit der Wirbelthier-Keime. Die wesentliche IV. Keimbildung der Wirbelthiere. die Hauptaxe des länglichrunden, ſchildförmigen Körpers (des„Keimſchildes“); oberhalb der Chorda entwickelt ſich aus dem äußeren Keimblatt das Rückenmark, unterhalb das Darmrohr. Dann erſt erſcheinen zu beiden Seiten, rechts und links vom Axenſtab, die Ketten der „Urwirbel“, die Anlagen der Muskel- platten, mit denen die Gliederung des Wirbelthier-Körpers beginnt. Vorn am Darm treten beiderſeits die Kiemenſpalten auf, die Oeffnungen des Schlundes, durch welche urſprünglich bei unſern Fiſch-Ahnen das vom Munde aufgenommene Athem- waſſer an den Seiten des Kopfes nach außen trat. In Folge zäher Vererbung treten dieſe Kiemenſpalten, die nur bei den fiſchartigen, im Waſſer lebenden Vorfahren von Bedeutung waren, auch heute noch beim Menſchen wie bei allen übrigen Vertebraten auf; ſie verſchwinden ſpäter. Selbſt nachdem ſchon am Kopfe die fünf Hirnblaſen, ſeitlich die Anfänge der Augen und Ohren, ſichtbar geworden, nachdem am Rumpfe die An- lagen der beiden Beinpaare in Form rundlicher platter Knoſpen aus dem fiſchartigen Menſchenkeim hervorgeſproßt ſind, iſt deſſen Bildung derjenigen anderer Wirbelthiere noch ſo ähnlich, daß man ſie nicht unterſcheiden kann. Aehnlichkeit der Wirbelthier-Keime. Die weſentliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Keimbildung der Wirbelthiere.</fw><lb/> die Hauptaxe des länglichrunden, ſchildförmigen Körpers (des<lb/> „Keimſchildes“); oberhalb der Chorda entwickelt ſich aus dem<lb/> äußeren Keimblatt das Rückenmark, unterhalb das Darmrohr.<lb/> Dann erſt erſcheinen zu beiden Seiten, rechts und links vom<lb/> Axenſtab, die Ketten der „Urwirbel“, die Anlagen der Muskel-<lb/> platten, mit denen die Gliederung des Wirbelthier-Körpers<lb/> beginnt. Vorn am Darm treten beiderſeits die Kiemenſpalten<lb/> auf, die Oeffnungen des Schlundes, durch welche urſprünglich<lb/> bei unſern Fiſch-Ahnen das vom Munde aufgenommene Athem-<lb/> waſſer an den Seiten des Kopfes nach außen trat. In Folge<lb/> zäher <hi rendition="#g">Vererbung</hi> treten dieſe <hi rendition="#g">Kiemenſpalten</hi>, die nur bei<lb/> den fiſchartigen, im Waſſer lebenden Vorfahren von Bedeutung<lb/> waren, auch heute noch beim Menſchen wie bei allen übrigen<lb/> Vertebraten auf; ſie verſchwinden ſpäter. Selbſt nachdem ſchon<lb/> am Kopfe die fünf Hirnblaſen, ſeitlich die Anfänge der Augen<lb/> und Ohren, ſichtbar geworden, nachdem am Rumpfe die An-<lb/> lagen der beiden Beinpaare in Form rundlicher platter Knoſpen<lb/> aus dem fiſchartigen Menſchenkeim hervorgeſproßt ſind, iſt deſſen<lb/> Bildung derjenigen anderer Wirbelthiere noch ſo ähnlich, daß<lb/> man ſie nicht unterſcheiden kann.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Aehnlichkeit der Wirbelthier-Keime.</hi> Die weſentliche<lb/> Uebereinſtimmung in der äußeren Körperform und dem inneren<lb/> Bau, welche die Embryonen des Menſchen und der übrigen<lb/> Vertebraten in dieſer früheren Bildungs-Periode zeigen, iſt eine<lb/><hi rendition="#g">embryologiſche Thatſache erſten Ranges</hi>; aus ihr<lb/> laſſen ſich nach dem biogenetiſchen Grundgeſetze die wichtigſten<lb/> Schlüſſe ableiten. Denn es giebt dafür keine andere Erklärung,<lb/> als die Annahme einer <hi rendition="#g">Vererbung</hi> von einer gemeinſamen<lb/> Stammform. Wenn wir ſehen, daß in einem beſtimmten<lb/> Stadium die Keime des Menſchen und des Affen, des Hundes<lb/> und des Kaninchens, des Schweines und des Schafes zwar als<lb/> höhere Wirbelthiere erkennbar, aber ſonſt nicht zu unterſcheiden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0091]
IV. Keimbildung der Wirbelthiere.
die Hauptaxe des länglichrunden, ſchildförmigen Körpers (des
„Keimſchildes“); oberhalb der Chorda entwickelt ſich aus dem
äußeren Keimblatt das Rückenmark, unterhalb das Darmrohr.
Dann erſt erſcheinen zu beiden Seiten, rechts und links vom
Axenſtab, die Ketten der „Urwirbel“, die Anlagen der Muskel-
platten, mit denen die Gliederung des Wirbelthier-Körpers
beginnt. Vorn am Darm treten beiderſeits die Kiemenſpalten
auf, die Oeffnungen des Schlundes, durch welche urſprünglich
bei unſern Fiſch-Ahnen das vom Munde aufgenommene Athem-
waſſer an den Seiten des Kopfes nach außen trat. In Folge
zäher Vererbung treten dieſe Kiemenſpalten, die nur bei
den fiſchartigen, im Waſſer lebenden Vorfahren von Bedeutung
waren, auch heute noch beim Menſchen wie bei allen übrigen
Vertebraten auf; ſie verſchwinden ſpäter. Selbſt nachdem ſchon
am Kopfe die fünf Hirnblaſen, ſeitlich die Anfänge der Augen
und Ohren, ſichtbar geworden, nachdem am Rumpfe die An-
lagen der beiden Beinpaare in Form rundlicher platter Knoſpen
aus dem fiſchartigen Menſchenkeim hervorgeſproßt ſind, iſt deſſen
Bildung derjenigen anderer Wirbelthiere noch ſo ähnlich, daß
man ſie nicht unterſcheiden kann.
Aehnlichkeit der Wirbelthier-Keime. Die weſentliche
Uebereinſtimmung in der äußeren Körperform und dem inneren
Bau, welche die Embryonen des Menſchen und der übrigen
Vertebraten in dieſer früheren Bildungs-Periode zeigen, iſt eine
embryologiſche Thatſache erſten Ranges; aus ihr
laſſen ſich nach dem biogenetiſchen Grundgeſetze die wichtigſten
Schlüſſe ableiten. Denn es giebt dafür keine andere Erklärung,
als die Annahme einer Vererbung von einer gemeinſamen
Stammform. Wenn wir ſehen, daß in einem beſtimmten
Stadium die Keime des Menſchen und des Affen, des Hundes
und des Kaninchens, des Schweines und des Schafes zwar als
höhere Wirbelthiere erkennbar, aber ſonſt nicht zu unterſcheiden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |