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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Fortschritte der Geologie. XX.
natürliche Entstehung der Erde auf dieselbe Weise wie die der
anderen Weltkörper erklärt. Auch hatte schon damals Xeno-
phanes
von Kolophon die Versteinerungen, die später so
große Bedeutung erlangten, in ihrer wahren Natur erkannt; der
große Maler Leonardo da Vinci hatte im 15. Jahrhundert
ebenfalls diese Petrefakten für die fossilen Ueberreste von Thieren
erklärt, die in früheren Zeiten der Erdgeschichte gelebt hatten.
Allein die Autorität der Bibel, insbesondere der Mythus von
der Sündfluth, verhinderte jeden weiteren Fortschritt der wahren
Erkenntniß und sorgte dafür, daß die mosaischen Schöpfungs-
sagen noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Geltung
blieben. In den Kreisen der orthodoxen Theologen besitzen sie
dieselbe noch bis auf den heutigen Tag. Erst in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen unabhängig davon wissen-
schaftliche Forschungen über den Bau der Erdrinde, und wurden
daraus Schlüsse auf ihre Entstehung abgeleitet. Der Begründer
der Geognosie, Werner in Freiberg, ließ alle Gesteine aus dem
Wasser entstehen, während Voigt und Hutton (1788) richtig
erkannten, daß nur die sedimentären, Petrefakten führenden Ge-
steine diesen Ursprung haben, die vulkanischen und plutonischen
Gebirgsmassen dagegen durch Erstarrung feurig-flüssiger Massen
entstanden sind.

Der heftige Kampf, welcher zwischen jener neptunistischen
und dieser plutonistischen Schule entstand, dauerte noch
während der ersten drei Decennien unseres Jahrhunderts fort;
er wurde erst geschlichtet, nachdem Karl Hoff (1822) das
Princip des Aktualismus begründet und Charles Lyell das-
selbe mit größtem Erfolge für die ganze natürliche Entwickelung
der Erde durchgeführt hatte. (Vergl. S. 289.) Durch seine
"Principien der Geologie" (1830) wurde die überaus wichtige
Lehre von der Kontinuität der Erdumbildung endgültig zur
Anerkennung gebracht, gegenüber der Katastrophen-Theorie von

Fortſchritte der Geologie. XX.
natürliche Entſtehung der Erde auf dieſelbe Weiſe wie die der
anderen Weltkörper erklärt. Auch hatte ſchon damals Xeno-
phanes
von Kolophon die Verſteinerungen, die ſpäter ſo
große Bedeutung erlangten, in ihrer wahren Natur erkannt; der
große Maler Leonardo da Vinci hatte im 15. Jahrhundert
ebenfalls dieſe Petrefakten für die foſſilen Ueberreſte von Thieren
erklärt, die in früheren Zeiten der Erdgeſchichte gelebt hatten.
Allein die Autorität der Bibel, insbeſondere der Mythus von
der Sündfluth, verhinderte jeden weiteren Fortſchritt der wahren
Erkenntniß und ſorgte dafür, daß die moſaiſchen Schöpfungs-
ſagen noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Geltung
blieben. In den Kreiſen der orthodoxen Theologen beſitzen ſie
dieſelbe noch bis auf den heutigen Tag. Erſt in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen unabhängig davon wiſſen-
ſchaftliche Forſchungen über den Bau der Erdrinde, und wurden
daraus Schlüſſe auf ihre Entſtehung abgeleitet. Der Begründer
der Geognoſie, Werner in Freiberg, ließ alle Geſteine aus dem
Waſſer entſtehen, während Voigt und Hutton (1788) richtig
erkannten, daß nur die ſedimentären, Petrefakten führenden Ge-
ſteine dieſen Urſprung haben, die vulkaniſchen und plutoniſchen
Gebirgsmaſſen dagegen durch Erſtarrung feurig-flüſſiger Maſſen
entſtanden ſind.

Der heftige Kampf, welcher zwiſchen jener neptuniſtiſchen
und dieſer plutoniſtiſchen Schule entſtand, dauerte noch
während der erſten drei Decennien unſeres Jahrhunderts fort;
er wurde erſt geſchlichtet, nachdem Karl Hoff (1822) das
Princip des Aktualismus begründet und Charles Lyell das-
ſelbe mit größtem Erfolge für die ganze natürliche Entwickelung
der Erde durchgeführt hatte. (Vergl. S. 289.) Durch ſeine
„Principien der Geologie“ (1830) wurde die überaus wichtige
Lehre von der Kontinuität der Erdumbildung endgültig zur
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[432/0448] Fortſchritte der Geologie. XX. natürliche Entſtehung der Erde auf dieſelbe Weiſe wie die der anderen Weltkörper erklärt. Auch hatte ſchon damals Xeno- phanes von Kolophon die Verſteinerungen, die ſpäter ſo große Bedeutung erlangten, in ihrer wahren Natur erkannt; der große Maler Leonardo da Vinci hatte im 15. Jahrhundert ebenfalls dieſe Petrefakten für die foſſilen Ueberreſte von Thieren erklärt, die in früheren Zeiten der Erdgeſchichte gelebt hatten. Allein die Autorität der Bibel, insbeſondere der Mythus von der Sündfluth, verhinderte jeden weiteren Fortſchritt der wahren Erkenntniß und ſorgte dafür, daß die moſaiſchen Schöpfungs- ſagen noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Geltung blieben. In den Kreiſen der orthodoxen Theologen beſitzen ſie dieſelbe noch bis auf den heutigen Tag. Erſt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen unabhängig davon wiſſen- ſchaftliche Forſchungen über den Bau der Erdrinde, und wurden daraus Schlüſſe auf ihre Entſtehung abgeleitet. Der Begründer der Geognoſie, Werner in Freiberg, ließ alle Geſteine aus dem Waſſer entſtehen, während Voigt und Hutton (1788) richtig erkannten, daß nur die ſedimentären, Petrefakten führenden Ge- ſteine dieſen Urſprung haben, die vulkaniſchen und plutoniſchen Gebirgsmaſſen dagegen durch Erſtarrung feurig-flüſſiger Maſſen entſtanden ſind. Der heftige Kampf, welcher zwiſchen jener neptuniſtiſchen und dieſer plutoniſtiſchen Schule entſtand, dauerte noch während der erſten drei Decennien unſeres Jahrhunderts fort; er wurde erſt geſchlichtet, nachdem Karl Hoff (1822) das Princip des Aktualismus begründet und Charles Lyell das- ſelbe mit größtem Erfolge für die ganze natürliche Entwickelung der Erde durchgeführt hatte. (Vergl. S. 289.) Durch ſeine „Principien der Geologie“ (1830) wurde die überaus wichtige Lehre von der Kontinuität der Erdumbildung endgültig zur Anerkennung gebracht, gegenüber der Kataſtrophen-Theorie von

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/448>, abgerufen am 23.11.2024.