Im Uebrigen waren die Urchristen der ersten Jahrhunderte zum größten Theil reine Kommunisten, zum Theil Social-Demo- kraten, die nach den heute in Deutschland herrschenden Grund- sätzen mit Feuer und Schwert hätten vertilgt werden müssen.
II.Der Papismus. Das "lateinische Christen- thum" oder Papstthum, die "römisch-katholische Kirche", oft auch als Ultramontanismus, nach ihrer Residenz Vatikanismus oder kurz als Papismus bezeichnet, ist unter allen Erscheinungen der menschlichen Kulturgeschichte eine der großartigsten und merkwürdigsten, eine "welthistorische Größe" ersten Ranges; trotz aller Stürme der Zeit erfreut sie sich noch heute des mächtigsten Einflusses. Von den 410 Millionen Christen, welche die Erde gegenwärtig bewohnen, bekennt die größere Hälfte, nämlich 225 Millionen, den römischen, nur 75 Millionen den griechischen Katholicismus, und 110 Millionen sind Protestanten. Während eines Zeitraumes von 1200 Jahren, vom vierten bis zum sechzehnten Jahrhundert, hat der Papismus das geistige Leben Europa's fast vollkommen beherrscht und ver- giftet; dagegen hat er den großen alten Religions-Systemen in Asien und Afrika nur sehr wenig Boden abgewonnen. In Asien zählt der Buddhismus heute noch 503 Millionen, die Brahma-Religion 138 Millionen, der Islam 120 Millionen Anhänger. Die Weltherrschaft des Papismus prägt vor Allem dem Mittelalter seinen finsteren Charakter auf; sie bedeutet den Tod alles freien Geisteslebens, den Rückgang aller wahren Wissenschaft, den Verfall aller reinen Sittlichkeit. Von der glänzenden Blüthe, zu welcher sich das menschliche Geistesleben im klassischen Alterthum erhoben hatte, im ersten Jahrtausend vor Christus und in den ersten Jahrhunderten nach demselben, sank dasselbe unter der Herrschaft des Papstthums bald zu einem Niveau herab, das mit Bezug auf die Erkenntniß der Wahrheit nur als Barbarei bezeichnet werden kann. Man
XVII. Papismus im Mittelalter.
Im Uebrigen waren die Urchriſten der erſten Jahrhunderte zum größten Theil reine Kommuniſten, zum Theil Social-Demo- kraten, die nach den heute in Deutſchland herrſchenden Grund- ſätzen mit Feuer und Schwert hätten vertilgt werden müſſen.
II.Der Papismus. Das „lateiniſche Chriſten- thum“ oder Papſtthum, die „römiſch-katholiſche Kirche“, oft auch als Ultramontanismus, nach ihrer Reſidenz Vatikanismus oder kurz als Papismus bezeichnet, iſt unter allen Erſcheinungen der menſchlichen Kulturgeſchichte eine der großartigſten und merkwürdigſten, eine „welthiſtoriſche Größe“ erſten Ranges; trotz aller Stürme der Zeit erfreut ſie ſich noch heute des mächtigſten Einfluſſes. Von den 410 Millionen Chriſten, welche die Erde gegenwärtig bewohnen, bekennt die größere Hälfte, nämlich 225 Millionen, den römiſchen, nur 75 Millionen den griechiſchen Katholicismus, und 110 Millionen ſind Proteſtanten. Während eines Zeitraumes von 1200 Jahren, vom vierten bis zum ſechzehnten Jahrhundert, hat der Papismus das geiſtige Leben Europa's faſt vollkommen beherrſcht und ver- giftet; dagegen hat er den großen alten Religions-Syſtemen in Aſien und Afrika nur ſehr wenig Boden abgewonnen. In Aſien zählt der Buddhismus heute noch 503 Millionen, die Brahma-Religion 138 Millionen, der Islam 120 Millionen Anhänger. Die Weltherrſchaft des Papismus prägt vor Allem dem Mittelalter ſeinen finſteren Charakter auf; ſie bedeutet den Tod alles freien Geiſteslebens, den Rückgang aller wahren Wiſſenſchaft, den Verfall aller reinen Sittlichkeit. Von der glänzenden Blüthe, zu welcher ſich das menſchliche Geiſtesleben im klaſſiſchen Alterthum erhoben hatte, im erſten Jahrtauſend vor Chriſtus und in den erſten Jahrhunderten nach demſelben, ſank dasſelbe unter der Herrſchaft des Papſtthums bald zu einem Niveau herab, das mit Bezug auf die Erkenntniß der Wahrheit nur als Barbarei bezeichnet werden kann. Man
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XVII. Papismus im Mittelalter.
Im Uebrigen waren die Urchriſten der erſten Jahrhunderte zum
größten Theil reine Kommuniſten, zum Theil Social-Demo-
kraten, die nach den heute in Deutſchland herrſchenden Grund-
ſätzen mit Feuer und Schwert hätten vertilgt werden müſſen.
II. Der Papismus. Das „lateiniſche Chriſten-
thum“ oder Papſtthum, die „römiſch-katholiſche Kirche“,
oft auch als Ultramontanismus, nach ihrer Reſidenz
Vatikanismus oder kurz als Papismus bezeichnet, iſt
unter allen Erſcheinungen der menſchlichen Kulturgeſchichte eine
der großartigſten und merkwürdigſten, eine „welthiſtoriſche Größe“
erſten Ranges; trotz aller Stürme der Zeit erfreut ſie ſich noch
heute des mächtigſten Einfluſſes. Von den 410 Millionen
Chriſten, welche die Erde gegenwärtig bewohnen, bekennt die
größere Hälfte, nämlich 225 Millionen, den römiſchen, nur
75 Millionen den griechiſchen Katholicismus, und 110 Millionen
ſind Proteſtanten. Während eines Zeitraumes von 1200 Jahren,
vom vierten bis zum ſechzehnten Jahrhundert, hat der Papismus
das geiſtige Leben Europa's faſt vollkommen beherrſcht und ver-
giftet; dagegen hat er den großen alten Religions-Syſtemen in
Aſien und Afrika nur ſehr wenig Boden abgewonnen. In Aſien
zählt der Buddhismus heute noch 503 Millionen, die
Brahma-Religion 138 Millionen, der Islam 120 Millionen
Anhänger. Die Weltherrſchaft des Papismus prägt vor Allem
dem Mittelalter ſeinen finſteren Charakter auf; ſie bedeutet
den Tod alles freien Geiſteslebens, den Rückgang aller wahren
Wiſſenſchaft, den Verfall aller reinen Sittlichkeit. Von der
glänzenden Blüthe, zu welcher ſich das menſchliche Geiſtesleben
im klaſſiſchen Alterthum erhoben hatte, im erſten Jahrtauſend
vor Chriſtus und in den erſten Jahrhunderten nach demſelben,
ſank dasſelbe unter der Herrſchaft des Papſtthums bald zu einem
Niveau herab, das mit Bezug auf die Erkenntniß der
Wahrheit nur als Barbarei bezeichnet werden kann. Man
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/379>, abgerufen am 23.11.2024.
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