Das Substanz-Gesetz oder Universal-Gesetz im Lichte der dualistischen und der monistischen Philosophie.
Dualismus. (Teleologische Weltanschauung.) 1. Die Welt (Kosmos) besteht aus zwei getrennten Gebieten, dem Natur- Gebiete (der materiellen Körper- welt) und dem Geistes-Gebiete (der immateriellen Seelenwelt). 2. Demnach zerfällt das Reich der Wissenschaft in zwei ganz ge- trennte Gebiete: Naturwissen- schaft (empirische Lehre von den mechanischen Vorgängen) und Geisteswissenschaft (transcen- dente Lehre von den psychischen Vorgängen). 3. Die Erkenntniß der Natur-Er- scheinungen geschieht auf empi- rischem Wege, durch Beobachtung, Versuch und Associon der Vor- stellungen. Die Erkenntniß der Geistes-Erscheinungen da- gegen ist nur auf übernatürlichem Wege möglich, durch Offen- barung. 4. Das Substanz-Gesetzin seinen beiden Theilen (Erhaltung der Materie und der Energie) hat nur Geltung für das Gebiet der Natur; nur hier sind Stoff und Kraft unzertrennlich an einander gebunden. -- Im Gebiete des Geistes dagegen ist die Thätig- keit der immateriellen Seele frei, nicht an physikalische und chemische Veränderungen in der Substanz ihrer Organe geknüpft.
Monismus. (Mechanische Weltanschauung) 1. Die Welt (Kosmos) besteht aus einem einzigen untrennbaren Ge- biete, dem einheitlichen Substanz- Reiche; seine beiden untrennbaren Attribute sind die Materie (der ausgedehnte Stoff) und die Energie (die wirkende Kraft). 2. Demnach bildet das gesammte Reich der Wissenschaft ein einziges, ein- heitliches Gebiet; die sogenannten Geisteswissenschaften sind nur besondere Theile der allum- fassenden Naturwissenschaft: alle wahre Wissenschaft beruht auf Empirie, nicht auf Transcendenz. 3. Erkenntniß aller Erschei- nungen (ebenso in der Natur wie im Geistes-Leben) geschieht ausschließlich auf empirischem Wege (durch die Arbeit unserer Sinnesorgane und unseres Ge- hirns). Alle sogenannte Offen- barung oder Transcendenz beruht auf bewußter oder unbewußter Täuschung. 4. Das Substanz-Gesetz hat ganz allgemeine Geltung, ebenso im Gebiete der Natur wie des Geistes -- ohne Ausnahme! -- Auch bei den höchsten geistigen Funktionen (Vorstellen und Denken) ist die Arbeit der bewirkenden Nervenzellen ebenso nothwendig mit materiellen Veränderungen ihrer Substanz (desNervenplasma) verknüpft, wie bei jedem anderen Natur-Prozeß Kraft und Stoff an einander gebunden sind.
Das Subſtanz-Geſetz oder Univerſal-Geſetz im Lichte der dualiſtiſchen und der moniſtiſchen Philoſophie.
Dualismus. (Teleologiſche Weltanſchauung.) 1. Die Welt (Kosmos) beſteht aus zwei getrennten Gebieten, dem Natur- Gebiete (der materiellen Körper- welt) und dem Geiſtes-Gebiete (der immateriellen Seelenwelt). 2. Demnach zerfällt das Reich der Wiſſenſchaft in zwei ganz ge- trennte Gebiete: Naturwiſſen- ſchaft (empiriſche Lehre von den mechaniſchen Vorgängen) und Geiſteswiſſenſchaft (tranſcen- dente Lehre von den pſychiſchen Vorgängen). 3. Die Erkenntniß der Natur-Er- ſcheinungen geſchieht auf empi- riſchem Wege, durch Beobachtung, Verſuch und Aſſocion der Vor- ſtellungen. Die Erkenntniß der Geiſtes-Erſcheinungen da- gegen iſt nur auf übernatürlichem Wege möglich, durch Offen- barung. 4. Das Subſtanz-Geſetzin ſeinen beiden Theilen (Erhaltung der Materie und der Energie) hat nur Geltung für das Gebiet der Natur; nur hier ſind Stoff und Kraft unzertrennlich an einander gebunden. — Im Gebiete des Geiſtes dagegen iſt die Thätig- keit der immateriellen Seele frei, nicht an phyſikaliſche und chemiſche Veränderungen in der Subſtanz ihrer Organe geknüpft.
Monismus. (Mechaniſche Weltanſchauung) 1. Die Welt (Kosmos) beſteht aus einem einzigen untrennbaren Ge- biete, dem einheitlichen Subſtanz- Reiche; ſeine beiden untrennbaren Attribute ſind die Materie (der ausgedehnte Stoff) und die Energie (die wirkende Kraft). 2. Demnach bildet das geſammte Reich der Wiſſenſchaft ein einziges, ein- heitliches Gebiet; die ſogenannten Geiſteswiſſenſchaften ſind nur beſondere Theile der allum- faſſenden Naturwiſſenſchaft: alle wahre Wiſſenſchaft beruht auf Empirie, nicht auf Tranſcendenz. 3. Erkenntniß aller Erſchei- nungen (ebenſo in der Natur wie im Geiſtes-Leben) geſchieht ausſchließlich auf empiriſchem Wege (durch die Arbeit unſerer Sinnesorgane und unſeres Ge- hirns). Alle ſogenannte Offen- barung oder Tranſcendenz beruht auf bewußter oder unbewußter Täuſchung. 4. Das Subſtanz-Geſetz hat ganz allgemeine Geltung, ebenſo im Gebiete der Natur wie des Geiſtes — ohne Ausnahme! — Auch bei den höchſten geiſtigen Funktionen (Vorſtellen und Denken) iſt die Arbeit der bewirkenden Nervenzellen ebenſo nothwendig mit materiellen Veränderungen ihrer Subſtanz (desNervenplasma) verknüpft, wie bei jedem anderen Natur-Prozeß Kraft und Stoff an einander gebunden ſind.
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[[268]/0284]
Das Subſtanz-Geſetz oder Univerſal-Geſetz
im Lichte der dualiſtiſchen und der moniſtiſchen Philoſophie.
Dualismus.
(Teleologiſche Weltanſchauung.)
1. Die Welt (Kosmos) beſteht aus zwei
getrennten Gebieten, dem Natur-
Gebiete (der materiellen Körper-
welt) und dem Geiſtes-Gebiete
(der immateriellen Seelenwelt).
2. Demnach zerfällt das Reich der
Wiſſenſchaft in zwei ganz ge-
trennte Gebiete: Naturwiſſen-
ſchaft (empiriſche Lehre von
den mechaniſchen Vorgängen) und
Geiſteswiſſenſchaft (tranſcen-
dente Lehre von den pſychiſchen
Vorgängen).
3. Die Erkenntniß der Natur-Er-
ſcheinungen geſchieht auf empi-
riſchem Wege, durch Beobachtung,
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ſtellungen. Die Erkenntniß der
Geiſtes-Erſcheinungen da-
gegen iſt nur auf übernatürlichem
Wege möglich, durch Offen-
barung.
4. Das Subſtanz-Geſetzin ſeinen
beiden Theilen (Erhaltung der
Materie und der Energie) hat nur
Geltung für das Gebiet der
Natur; nur hier ſind Stoff und
Kraft unzertrennlich an einander
gebunden. — Im Gebiete des
Geiſtes dagegen iſt die Thätig-
keit der immateriellen Seele frei,
nicht an phyſikaliſche und chemiſche
Veränderungen in der Subſtanz
ihrer Organe geknüpft. Monismus.
(Mechaniſche Weltanſchauung)
1. Die Welt (Kosmos) beſteht aus
einem einzigen untrennbaren Ge-
biete, dem einheitlichen Subſtanz-
Reiche; ſeine beiden untrennbaren
Attribute ſind die Materie (der
ausgedehnte Stoff) und die Energie
(die wirkende Kraft).
2. Demnach bildet das geſammte Reich
der Wiſſenſchaft ein einziges, ein-
heitliches Gebiet; die ſogenannten
Geiſteswiſſenſchaften ſind
nur beſondere Theile der allum-
faſſenden Naturwiſſenſchaft:
alle wahre Wiſſenſchaft beruht auf
Empirie, nicht auf Tranſcendenz.
3. Erkenntniß aller Erſchei-
nungen (ebenſo in der Natur
wie im Geiſtes-Leben) geſchieht
ausſchließlich auf empiriſchem
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Sinnesorgane und unſeres Ge-
hirns). Alle ſogenannte Offen-
barung oder Tranſcendenz beruht
auf bewußter oder unbewußter
Täuſchung.
4. Das Subſtanz-Geſetz hat ganz
allgemeine Geltung, ebenſo
im Gebiete der Natur wie des
Geiſtes — ohne Ausnahme! —
Auch bei den höchſten geiſtigen
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iſt die Arbeit der bewirkenden
Nervenzellen ebenſo nothwendig
mit materiellen Veränderungen
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Natur-Prozeß Kraft und Stoff an
einander gebunden ſind.
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. [268]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/284>, abgerufen am 21.11.2024.
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