"Reden"!), ebenso wie alle anderen sachkundigen, klaren und konsequent denkenden Naturforscher der Gegenwart.
Allerdings hat der Verfasser der Ignorabimus-Rede am Schlusse derselben kurz auf die Frage hingewiesen, ob nicht jene beiden gegenüberstehenden "Welträthsel", das allgemeine Substanz- Problem und das besondere Bewußtseins-Problem zusammen- fallen. Er sagt: "Freilich ist diese Vorstellung die einfachste und der vorzuziehen, wonach die Welt doppelt unbegreiflich erscheint. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß wir auch in diesem Punkte nicht zur Klarheit kommen, und alles weitere Reden darüber bleibt müßig." -- Dieser letzteren Ansicht bin ich von Anfang an entschieden entgegengetreten und habe mich zu zeigen bemüht, daß jene beiden großen Fragen nicht zwei verschiedene Welträthsel sind. "Das neurologische Problem des Bewußtseins ist nur ein besonderer Fall von dem allumfassenden kosmologischen Problem, der Substanz-Frage". (Monismus, 1892, S. 23.)
Es ist hier nicht der Ort, um nochmals auf die betreffende Polemik und die sehr umfangreiche, darüber entstandene Literatur einzugehen. Ich habe schon vor 25 Jahren, im Vorwort zur ersten Auflage meiner Anthropogenie, gegen die Ignorabimus- Rede, ihre dualistischen Principien und ihre metaphysischen Trug- schlüsse entschiedenen Protest erhoben;, und ich habe denselben ausführlich begründet in meiner Schrift über "Freie Wissenschaft und freie Lehre" (Stuttgart 1878, S. 78, 82 etc.). Auch im "Monismus" habe ich denselben wieder berührt (S. 23, 44). Du Bois-Reymond, welcher dadurch an seiner empfindlichsten Stelle getroffen war, antwortete sehr gereizt in verschiedenen Reden *); auch diese sind, wie die meisten seiner vielgelesenen Reden, blendend durch den eleganten französischen Stil und
*) E. Du Bois-Reymond, Darwin versus Galiani, 1876; Die sieben Welträthsel 1880.
Bewußtſein und Subſtanz-Geſetz. X.
„Reden“!), ebenſo wie alle anderen ſachkundigen, klaren und konſequent denkenden Naturforſcher der Gegenwart.
Allerdings hat der Verfaſſer der Ignorabimus-Rede am Schluſſe derſelben kurz auf die Frage hingewieſen, ob nicht jene beiden gegenüberſtehenden „Welträthſel“, das allgemeine Subſtanz- Problem und das beſondere Bewußtſeins-Problem zuſammen- fallen. Er ſagt: „Freilich iſt dieſe Vorſtellung die einfachſte und der vorzuziehen, wonach die Welt doppelt unbegreiflich erſcheint. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß wir auch in dieſem Punkte nicht zur Klarheit kommen, und alles weitere Reden darüber bleibt müßig.“ — Dieſer letzteren Anſicht bin ich von Anfang an entſchieden entgegengetreten und habe mich zu zeigen bemüht, daß jene beiden großen Fragen nicht zwei verſchiedene Welträthſel ſind. „Das neurologiſche Problem des Bewußtſeins iſt nur ein beſonderer Fall von dem allumfaſſenden kosmologiſchen Problem, der Subſtanz-Frage“. (Monismus, 1892, S. 23.)
Es iſt hier nicht der Ort, um nochmals auf die betreffende Polemik und die ſehr umfangreiche, darüber entſtandene Literatur einzugehen. Ich habe ſchon vor 25 Jahren, im Vorwort zur erſten Auflage meiner Anthropogenie, gegen die Ignorabimus- Rede, ihre dualiſtiſchen Principien und ihre metaphyſiſchen Trug- ſchlüſſe entſchiedenen Proteſt erhoben;, und ich habe denſelben ausführlich begründet in meiner Schrift über „Freie Wiſſenſchaft und freie Lehre“ (Stuttgart 1878, S. 78, 82 ꝛc.). Auch im „Monismus“ habe ich denſelben wieder berührt (S. 23, 44). Du Bois-Reymond, welcher dadurch an ſeiner empfindlichſten Stelle getroffen war, antwortete ſehr gereizt in verſchiedenen Reden *); auch dieſe ſind, wie die meiſten ſeiner vielgeleſenen Reden, blendend durch den eleganten franzöſiſchen Stil und
*) E. Du Bois-Reymond, Darwin verſuſ Galiani, 1876; Die ſieben Welträthſel 1880.
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Bewußtſein und Subſtanz-Geſetz. X.
„Reden“!), ebenſo wie alle anderen ſachkundigen, klaren und
konſequent denkenden Naturforſcher der Gegenwart.
Allerdings hat der Verfaſſer der Ignorabimus-Rede am
Schluſſe derſelben kurz auf die Frage hingewieſen, ob nicht jene
beiden gegenüberſtehenden „Welträthſel“, das allgemeine Subſtanz-
Problem und das beſondere Bewußtſeins-Problem zuſammen-
fallen. Er ſagt: „Freilich iſt dieſe Vorſtellung die einfachſte
und der vorzuziehen, wonach die Welt doppelt unbegreiflich
erſcheint. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß wir auch
in dieſem Punkte nicht zur Klarheit kommen, und alles weitere
Reden darüber bleibt müßig.“ — Dieſer letzteren Anſicht bin
ich von Anfang an entſchieden entgegengetreten und habe mich
zu zeigen bemüht, daß jene beiden großen Fragen nicht zwei
verſchiedene Welträthſel ſind. „Das neurologiſche Problem
des Bewußtſeins iſt nur ein beſonderer Fall von
dem allumfaſſenden kosmologiſchen Problem, der
Subſtanz-Frage“. (Monismus, 1892, S. 23.)
Es iſt hier nicht der Ort, um nochmals auf die betreffende
Polemik und die ſehr umfangreiche, darüber entſtandene Literatur
einzugehen. Ich habe ſchon vor 25 Jahren, im Vorwort zur
erſten Auflage meiner Anthropogenie, gegen die Ignorabimus-
Rede, ihre dualiſtiſchen Principien und ihre metaphyſiſchen Trug-
ſchlüſſe entſchiedenen Proteſt erhoben;, und ich habe denſelben
ausführlich begründet in meiner Schrift über „Freie Wiſſenſchaft
und freie Lehre“ (Stuttgart 1878, S. 78, 82 ꝛc.). Auch im
„Monismus“ habe ich denſelben wieder berührt (S. 23, 44).
Du Bois-Reymond, welcher dadurch an ſeiner empfindlichſten
Stelle getroffen war, antwortete ſehr gereizt in verſchiedenen
Reden *); auch dieſe ſind, wie die meiſten ſeiner vielgeleſenen
Reden, blendend durch den eleganten franzöſiſchen Stil und
*) E. Du Bois-Reymond, Darwin verſuſ Galiani, 1876; Die
ſieben Welträthſel 1880.
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/226>, abgerufen am 23.11.2024.
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