Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Dualistische Theorie des Bewußtseins. X. schiedene "unbedingte Grenzen" unseres Naturerkennensauf, welche der menschliche Geist auch bei vorgeschrittenster Natur-Erkenntniß niemals überschreiten werde -- niemals, wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatisch betont: "Ignorabimus!" Das eine absolut unlösbare "Welträthsel" ist "der Zusammenhang von Materie und Kraft" und das eigent- liche Wesen dieser fundamentalen Natur-Erscheinungen; wir werden dieses "Substanz-Problem" im zwölften Kapitel eingehend behandeln. Das zweite unübersteigliche Hinderniß der Philosophie soll das Problem des Bewußtseins bilden, die Frage: wie unsere Geistesthätigkeit aus materiellen Bedingungen, bezüglich Bewegungen zu erklären ist, wie die (der Materie und Kraft zu Grunde liegende) "Substanz unter bestimmten Be- dingungen empfindet, begehrt und denkt". Der Kürze halber, und zugleich um das Wesen des Leipziger Dualiſtiſche Theorie des Bewußtſeins. X. ſchiedene „unbedingte Grenzen“ unſeres Naturerkennensauf, welche der menſchliche Geiſt auch bei vorgeſchrittenſter Natur-Erkenntniß niemals überſchreiten werde — niemals, wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatiſch betont: „Ignorabimus!“ Das eine abſolut unlösbare „Welträthſel“ iſt „der Zuſammenhang von Materie und Kraft“ und das eigent- liche Weſen dieſer fundamentalen Natur-Erſcheinungen; wir werden dieſes „Subſtanz-Problem“ im zwölften Kapitel eingehend behandeln. Das zweite unüberſteigliche Hinderniß der Philoſophie ſoll das Problem des Bewußtſeins bilden, die Frage: wie unſere Geiſtesthätigkeit aus materiellen Bedingungen, bezüglich Bewegungen zu erklären iſt, wie die (der Materie und Kraft zu Grunde liegende) „Subſtanz unter beſtimmten Be- dingungen empfindet, begehrt und denkt“. Der Kürze halber, und zugleich um das Weſen des Leipziger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0224" n="208"/><fw place="top" type="header">Dualiſtiſche Theorie des Bewußtſeins. <hi rendition="#aq">X.</hi></fw><lb/> ſchiedene „<hi rendition="#g">unbedingte Grenzen</hi>“ unſeres Naturerkennens<lb/> auf, welche der menſchliche Geiſt auch bei vorgeſchrittenſter<lb/> Natur-Erkenntniß niemals überſchreiten werde — <hi rendition="#g">niemals</hi>,<lb/> wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatiſch betont:<lb/> „Ignorabimus!“ Das eine abſolut unlösbare „Welträthſel“ iſt<lb/> „der Zuſammenhang von Materie und Kraft“ und das eigent-<lb/> liche Weſen dieſer fundamentalen Natur-Erſcheinungen; wir<lb/> werden dieſes „<hi rendition="#g">Subſtanz-Problem</hi>“ im zwölften Kapitel<lb/> eingehend behandeln. Das zweite unüberſteigliche Hinderniß der<lb/> Philoſophie ſoll das Problem des <hi rendition="#g">Bewußtſeins</hi> bilden, die<lb/> Frage: wie unſere Geiſtesthätigkeit aus materiellen Bedingungen,<lb/> bezüglich Bewegungen zu erklären iſt, wie die (der Materie und<lb/> Kraft zu Grunde liegende) „Subſtanz unter beſtimmten Be-<lb/> dingungen empfindet, begehrt und denkt“.</p><lb/> <p>Der Kürze halber, und zugleich um das Weſen des Leipziger<lb/> Vortrages mit einem Schlagworte zu charakteriſiren, habe ich<lb/> dieſelbe als die „<hi rendition="#g">Ignorabimus-Rede</hi>“ bezeichnet; es iſt<lb/> dies um ſo mehr geſtattet, als E. <hi rendition="#g">Du Bois-Reymond</hi> ſelbſt<lb/> acht Jahre ſpäter (in der Rede über die ſieben Welträthſel, 1880)<lb/> den außerordentlichen Erfolg derſelben mit berechtigtem Stolze<lb/> rühmen und dabei ſagen konnte: „Die Kritik ſchlug alle Töne<lb/> vom freudig zuſtimmenden Lobe bis zum wegwerfendſten Tadel<lb/> an, und das Wort ‚<hi rendition="#g">Ignorabimus</hi>‘, in welchem meine<lb/> Unterſuchung gipfelte, ward förmlich zu einer Art von natur-<lb/> philoſophiſchem Schiboleth.“ Thatſächlich erſchollen die lauten<lb/> „Töne des freudig zuſtimmenden Lobes“ aus den Hörſälen der<lb/> dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen Philoſophie und beſonders<lb/> aus dem Heerlager der <hi rendition="#aq">Eccleſia militanſ</hi> (der „ſchwarzen<lb/> Internationale“); aber auch alle Spiritiſten und alle gläubigen<lb/> Gemüther, welche durch das ‚<hi rendition="#g">Ignorabimus</hi>‘ die Unſterblich-<lb/> keit ihrer theuren „Seele“ gerettet wähnten, waren davon ent-<lb/> zückt. Den „wegwerfendſten Tadel“ erfuhr die glänzende Igno-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0224]
Dualiſtiſche Theorie des Bewußtſeins. X.
ſchiedene „unbedingte Grenzen“ unſeres Naturerkennens
auf, welche der menſchliche Geiſt auch bei vorgeſchrittenſter
Natur-Erkenntniß niemals überſchreiten werde — niemals,
wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatiſch betont:
„Ignorabimus!“ Das eine abſolut unlösbare „Welträthſel“ iſt
„der Zuſammenhang von Materie und Kraft“ und das eigent-
liche Weſen dieſer fundamentalen Natur-Erſcheinungen; wir
werden dieſes „Subſtanz-Problem“ im zwölften Kapitel
eingehend behandeln. Das zweite unüberſteigliche Hinderniß der
Philoſophie ſoll das Problem des Bewußtſeins bilden, die
Frage: wie unſere Geiſtesthätigkeit aus materiellen Bedingungen,
bezüglich Bewegungen zu erklären iſt, wie die (der Materie und
Kraft zu Grunde liegende) „Subſtanz unter beſtimmten Be-
dingungen empfindet, begehrt und denkt“.
Der Kürze halber, und zugleich um das Weſen des Leipziger
Vortrages mit einem Schlagworte zu charakteriſiren, habe ich
dieſelbe als die „Ignorabimus-Rede“ bezeichnet; es iſt
dies um ſo mehr geſtattet, als E. Du Bois-Reymond ſelbſt
acht Jahre ſpäter (in der Rede über die ſieben Welträthſel, 1880)
den außerordentlichen Erfolg derſelben mit berechtigtem Stolze
rühmen und dabei ſagen konnte: „Die Kritik ſchlug alle Töne
vom freudig zuſtimmenden Lobe bis zum wegwerfendſten Tadel
an, und das Wort ‚Ignorabimus‘, in welchem meine
Unterſuchung gipfelte, ward förmlich zu einer Art von natur-
philoſophiſchem Schiboleth.“ Thatſächlich erſchollen die lauten
„Töne des freudig zuſtimmenden Lobes“ aus den Hörſälen der
dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen Philoſophie und beſonders
aus dem Heerlager der Eccleſia militanſ (der „ſchwarzen
Internationale“); aber auch alle Spiritiſten und alle gläubigen
Gemüther, welche durch das ‚Ignorabimus‘ die Unſterblich-
keit ihrer theuren „Seele“ gerettet wähnten, waren davon ent-
zückt. Den „wegwerfendſten Tadel“ erfuhr die glänzende Igno-
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