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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Biologische Theorie des Bewußtseins. X.
Thätigkeit ist, wie diese selbst ein Theil der Lebensthätigkeit.
Daß die Pflanzen in demselben Sinne wie die Thiere eine
"Seele" besitzen, hat namentlich Fechner sich zu zeigen bemüht,
und Manche schreiben der Pflanzen-Seele ein Bewußtsein von
ähnlicher Art zu wie der Thier-Seele. In der That sind ja
bei sehr empfindlichen "Sinnpflanzen" (Mimosa, Drosera,
Dionaea)
die auffallenden Reizbewegungen der Blätter, bei
manchen anderen (Klee und Sauerklee, besonders aber Hedy-
sarum
) die autonomen Bewegungen, bei "schlafenden Pflanzen"
(auch vorzugsweise Papilionaceen) die Schlafbewegungen u. s. w.
auffallend ähnlich denjenigen niederer Thiere; wer den letzteren
Bewußtsein zuschreibt, darf es auch den ersteren nicht absprechen.

V. Cellulare Theorie des Bewußtseins: es ist eine
Lebens-Eigenschaft jeder Zelle
. Die Anwendung der
Zellen-Theorie auf alle Zweige der Biologie verlangt auch ihre
Verknüpfung mit der Psychologie. Mit demselben Rechte, mit
dem man in der Anatomie und Physiologie die lebendige Zelle
als den "Elementar-Organismus" behandelt und das ganze Ver-
ständniß des höheren, vielzelligen Thier- und Pflanzen-Körpers
daraus ableitet, mit demselben Rechte kann man auch die "Zell-
seele
" als das psychologische Element betrachten und die zu-
sammengesetzte Seelenthätigkeit der höheren Organismen als das
Resultat aus dem vereinigten Seelenleben der Zellen, die sie zu-
sammensetzen. Ich habe die Grundzüge dieser Cellular-
Psychologie
schon 1866 in meiner "Generellen Morphologie"
entworfen und sie später weiter ausgeführt in meinem Aufsatz
über "Zellseelen und Seelenzellen" *). Zum tieferen Eindringen
in diese "Elementar-Psychologie" wurde ich durch meine lang-
jährige Beschäftigung mit den einzelligen Lebensformen geführt.
Viele von diesen kleinen (meist mikroskopischen) Protisten zeigen

*) E. Haeckel, Gesammelte populäre Vorträge. Bonn 1878.

Biologiſche Theorie des Bewußtſeins. X.
Thätigkeit iſt, wie dieſe ſelbſt ein Theil der Lebensthätigkeit.
Daß die Pflanzen in demſelben Sinne wie die Thiere eine
„Seele“ beſitzen, hat namentlich Fechner ſich zu zeigen bemüht,
und Manche ſchreiben der Pflanzen-Seele ein Bewußtſein von
ähnlicher Art zu wie der Thier-Seele. In der That ſind ja
bei ſehr empfindlichen „Sinnpflanzen(Mimoſa, Droſera,
Dionaea)
die auffallenden Reizbewegungen der Blätter, bei
manchen anderen (Klee und Sauerklee, beſonders aber Hedy-
ſarum
) die autonomen Bewegungen, bei „ſchlafenden Pflanzen“
(auch vorzugsweiſe Papilionaceen) die Schlafbewegungen u. ſ. w.
auffallend ähnlich denjenigen niederer Thiere; wer den letzteren
Bewußtſein zuſchreibt, darf es auch den erſteren nicht abſprechen.

V. Cellulare Theorie des Bewußtſeins: es iſt eine
Lebens-Eigenſchaft jeder Zelle
. Die Anwendung der
Zellen-Theorie auf alle Zweige der Biologie verlangt auch ihre
Verknüpfung mit der Pſychologie. Mit demſelben Rechte, mit
dem man in der Anatomie und Phyſiologie die lebendige Zelle
als den „Elementar-Organismus“ behandelt und das ganze Ver-
ſtändniß des höheren, vielzelligen Thier- und Pflanzen-Körpers
daraus ableitet, mit demſelben Rechte kann man auch die „Zell-
ſeele
“ als das pſychologiſche Element betrachten und die zu-
ſammengeſetzte Seelenthätigkeit der höheren Organismen als das
Reſultat aus dem vereinigten Seelenleben der Zellen, die ſie zu-
ſammenſetzen. Ich habe die Grundzüge dieſer Cellular-
Pſychologie
ſchon 1866 in meiner „Generellen Morphologie“
entworfen und ſie ſpäter weiter ausgeführt in meinem Aufſatz
über „Zellſeelen und Seelenzellen“ *). Zum tieferen Eindringen
in dieſe „Elementar-Pſychologie“ wurde ich durch meine lang-
jährige Beſchäftigung mit den einzelligen Lebensformen geführt.
Viele von dieſen kleinen (meiſt mikroſkopiſchen) Protiſten zeigen

*) E. Haeckel, Geſammelte populäre Vorträge. Bonn 1878.
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[204/0220] Biologiſche Theorie des Bewußtſeins. X. Thätigkeit iſt, wie dieſe ſelbſt ein Theil der Lebensthätigkeit. Daß die Pflanzen in demſelben Sinne wie die Thiere eine „Seele“ beſitzen, hat namentlich Fechner ſich zu zeigen bemüht, und Manche ſchreiben der Pflanzen-Seele ein Bewußtſein von ähnlicher Art zu wie der Thier-Seele. In der That ſind ja bei ſehr empfindlichen „Sinnpflanzen“ (Mimoſa, Droſera, Dionaea) die auffallenden Reizbewegungen der Blätter, bei manchen anderen (Klee und Sauerklee, beſonders aber Hedy- ſarum) die autonomen Bewegungen, bei „ſchlafenden Pflanzen“ (auch vorzugsweiſe Papilionaceen) die Schlafbewegungen u. ſ. w. auffallend ähnlich denjenigen niederer Thiere; wer den letzteren Bewußtſein zuſchreibt, darf es auch den erſteren nicht abſprechen. V. Cellulare Theorie des Bewußtſeins: es iſt eine Lebens-Eigenſchaft jeder Zelle. Die Anwendung der Zellen-Theorie auf alle Zweige der Biologie verlangt auch ihre Verknüpfung mit der Pſychologie. Mit demſelben Rechte, mit dem man in der Anatomie und Phyſiologie die lebendige Zelle als den „Elementar-Organismus“ behandelt und das ganze Ver- ſtändniß des höheren, vielzelligen Thier- und Pflanzen-Körpers daraus ableitet, mit demſelben Rechte kann man auch die „Zell- ſeele“ als das pſychologiſche Element betrachten und die zu- ſammengeſetzte Seelenthätigkeit der höheren Organismen als das Reſultat aus dem vereinigten Seelenleben der Zellen, die ſie zu- ſammenſetzen. Ich habe die Grundzüge dieſer Cellular- Pſychologie ſchon 1866 in meiner „Generellen Morphologie“ entworfen und ſie ſpäter weiter ausgeführt in meinem Aufſatz über „Zellſeelen und Seelenzellen“ *). Zum tieferen Eindringen in dieſe „Elementar-Pſychologie“ wurde ich durch meine lang- jährige Beſchäftigung mit den einzelligen Lebensformen geführt. Viele von dieſen kleinen (meiſt mikroſkopiſchen) Protiſten zeigen *) E. Haeckel, Geſammelte populäre Vorträge. Bonn 1878.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/220>, abgerufen am 22.11.2024.