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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Substanz-Gesetz und Entwickelungslehre. I.
Indem dieses "kosmologische Grundgesetz" die ewige Erhaltung
der Kraft und des Stoffes, die allgemeine Constanz der Energie
und der Materie im ganzen Weltall nachweist, ist es der sichere
Leitstern geworden, der unsere monistische Philosophie durch das
gewaltige Labyrinth der Welträthsel zu deren Lösung führt.

Da es unsere Aufgabe sein wird, in den folgenden Kapiteln
eine allgemeine Uebersicht über den jetzigen Stand unserer Natur-
Erkenntniß und über ihre Fortschritte in unserem Jahrhundert
zu gewinnen, wollen wir hier nicht weiter auf eine Musterung
der einzelnen Gebiete eingehen. Nur einen größten Fortschritt
wollen wir noch hervorheben, welcher dem Substanz-Gesetz eben-
bürtig ist und welcher dasselbe ergänzt, die Begründung der
Entwickelungslehre. Zwar haben einzelne denkende Forscher
schon seit Jahrtausenden von "Entwickelung" der Dinge ge-
sprochen; daß aber dieser Begriff das Universum beherrscht,
und daß die Welt selbst weiter Nichts ist, als eine ewige "Ent-
wickelung der Substanz", dieser gewaltige Gedanke ist ein Kind
unseres 19. Jahrhunderts. Erst in der zweiten Hälfte desselben
gelangte er zu voller Klarheit und zu allgemeiner Anwendung.
Das unsterbliche Verdienst, diesen höchsten philosophischen Begriff
empirisch begründet und zu umfassender Geltung gebracht zu
haben, gebührt dem großen englischen Naturforscher Charles
Darwin
; er lieferte uns 1859 den festen Grund für jene
Abstammungslehre, welche der geniale französische Natur-
philosoph Jean Lamarck schon 1809 in ihren Hauptzügen
erkannt, und deren Grundgedanken unser größter deutscher
Dichter und Denker, Wolfgang Goethe, schon 1799 pro-
phetisch erfaßt hatte. Damit wurde uns zugleich der Schlüssel
zur "Frage aller Fragen" geschenkt, zu dem großen Welträthsel
von der "Stellung des Menschen in der Natur" und von seiner
natürlichen Entstehung. Wenn wir heute, 1899, im Stande

Subſtanz-Geſetz und Entwickelungslehre. I.
Indem dieſes „kosmologiſche Grundgeſetz“ die ewige Erhaltung
der Kraft und des Stoffes, die allgemeine Conſtanz der Energie
und der Materie im ganzen Weltall nachweiſt, iſt es der ſichere
Leitſtern geworden, der unſere moniſtiſche Philoſophie durch das
gewaltige Labyrinth der Welträthſel zu deren Löſung führt.

Da es unſere Aufgabe ſein wird, in den folgenden Kapiteln
eine allgemeine Ueberſicht über den jetzigen Stand unſerer Natur-
Erkenntniß und über ihre Fortſchritte in unſerem Jahrhundert
zu gewinnen, wollen wir hier nicht weiter auf eine Muſterung
der einzelnen Gebiete eingehen. Nur einen größten Fortſchritt
wollen wir noch hervorheben, welcher dem Subſtanz-Geſetz eben-
bürtig iſt und welcher dasſelbe ergänzt, die Begründung der
Entwickelungslehre. Zwar haben einzelne denkende Forſcher
ſchon ſeit Jahrtauſenden von „Entwickelung“ der Dinge ge-
ſprochen; daß aber dieſer Begriff das Univerſum beherrſcht,
und daß die Welt ſelbſt weiter Nichts iſt, als eine ewige „Ent-
wickelung der Subſtanz“, dieſer gewaltige Gedanke iſt ein Kind
unſeres 19. Jahrhunderts. Erſt in der zweiten Hälfte deſſelben
gelangte er zu voller Klarheit und zu allgemeiner Anwendung.
Das unſterbliche Verdienſt, dieſen höchſten philoſophiſchen Begriff
empiriſch begründet und zu umfaſſender Geltung gebracht zu
haben, gebührt dem großen engliſchen Naturforſcher Charles
Darwin
; er lieferte uns 1859 den feſten Grund für jene
Abſtammungslehre, welche der geniale franzöſiſche Natur-
philoſoph Jean Lamarck ſchon 1809 in ihren Hauptzügen
erkannt, und deren Grundgedanken unſer größter deutſcher
Dichter und Denker, Wolfgang Goethe, ſchon 1799 pro-
phetiſch erfaßt hatte. Damit wurde uns zugleich der Schlüſſel
zur „Frage aller Fragen“ geſchenkt, zu dem großen Welträthſel
von der „Stellung des Menſchen in der Natur“ und von ſeiner
natürlichen Entſtehung. Wenn wir heute, 1899, im Stande

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[6/0022] Subſtanz-Geſetz und Entwickelungslehre. I. Indem dieſes „kosmologiſche Grundgeſetz“ die ewige Erhaltung der Kraft und des Stoffes, die allgemeine Conſtanz der Energie und der Materie im ganzen Weltall nachweiſt, iſt es der ſichere Leitſtern geworden, der unſere moniſtiſche Philoſophie durch das gewaltige Labyrinth der Welträthſel zu deren Löſung führt. Da es unſere Aufgabe ſein wird, in den folgenden Kapiteln eine allgemeine Ueberſicht über den jetzigen Stand unſerer Natur- Erkenntniß und über ihre Fortſchritte in unſerem Jahrhundert zu gewinnen, wollen wir hier nicht weiter auf eine Muſterung der einzelnen Gebiete eingehen. Nur einen größten Fortſchritt wollen wir noch hervorheben, welcher dem Subſtanz-Geſetz eben- bürtig iſt und welcher dasſelbe ergänzt, die Begründung der Entwickelungslehre. Zwar haben einzelne denkende Forſcher ſchon ſeit Jahrtauſenden von „Entwickelung“ der Dinge ge- ſprochen; daß aber dieſer Begriff das Univerſum beherrſcht, und daß die Welt ſelbſt weiter Nichts iſt, als eine ewige „Ent- wickelung der Subſtanz“, dieſer gewaltige Gedanke iſt ein Kind unſeres 19. Jahrhunderts. Erſt in der zweiten Hälfte deſſelben gelangte er zu voller Klarheit und zu allgemeiner Anwendung. Das unſterbliche Verdienſt, dieſen höchſten philoſophiſchen Begriff empiriſch begründet und zu umfaſſender Geltung gebracht zu haben, gebührt dem großen engliſchen Naturforſcher Charles Darwin; er lieferte uns 1859 den feſten Grund für jene Abſtammungslehre, welche der geniale franzöſiſche Natur- philoſoph Jean Lamarck ſchon 1809 in ihren Hauptzügen erkannt, und deren Grundgedanken unſer größter deutſcher Dichter und Denker, Wolfgang Goethe, ſchon 1799 pro- phetiſch erfaßt hatte. Damit wurde uns zugleich der Schlüſſel zur „Frage aller Fragen“ geſchenkt, zu dem großen Welträthſel von der „Stellung des Menſchen in der Natur“ und von ſeiner natürlichen Entſtehung. Wenn wir heute, 1899, im Stande

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/22>, abgerufen am 23.11.2024.