Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Verwandlung der Seele. VIII. mütterlichen Fruchtbehälters (Uterus) geschützt, sondern auchdurch die besonderen Fruchthüllen (Embryolemmen), welche allen drei höheren Wirbelthier-Klassen gemeinsam zukommen, den Rep- tilien, Vögeln und Säugethieren. Bei allen drei Amnioten- Klassen entwickeln sich diese Fruchthüllen (Amnion oder Wasser- haut und Serolemma oder seröse Haut) genau in derselben Weise. Es sind das Schutz-Einrichtungen, welche von den ältesten Rep- tilien (Proreptilien), den gemeinsamen Stammformen aller Am- nioten, erst in der Perm-Periode (gegen Ende des paläozoischen Zeitalters) erworben wurden, als diese höheren Wirbelthiere sich an das beständige Landleben und die Luftathmung gewöhnten. Ihre vorhergehenden Ahnen, die Amphibien der Steinkohlen- Periode, lebten und athmeten noch im Wasser, wie ihre älteren Vorfahren, die Fische. Bei diesen älteren und niederen wasserbewohnenden Wirbel- Verwandlung der Seele. VIII. mütterlichen Fruchtbehälters (Uteruſ) geſchützt, ſondern auchdurch die beſonderen Fruchthüllen (Embryolemmen), welche allen drei höheren Wirbelthier-Klaſſen gemeinſam zukommen, den Rep- tilien, Vögeln und Säugethieren. Bei allen drei Amnioten- Klaſſen entwickeln ſich dieſe Fruchthüllen (Amnion oder Waſſer- haut und Serolemma oder ſeröſe Haut) genau in derſelben Weiſe. Es ſind das Schutz-Einrichtungen, welche von den älteſten Rep- tilien (Proreptilien), den gemeinſamen Stammformen aller Am- nioten, erſt in der Perm-Periode (gegen Ende des paläozoiſchen Zeitalters) erworben wurden, als dieſe höheren Wirbelthiere ſich an das beſtändige Landleben und die Luftathmung gewöhnten. Ihre vorhergehenden Ahnen, die Amphibien der Steinkohlen- Periode, lebten und athmeten noch im Waſſer, wie ihre älteren Vorfahren, die Fiſche. Bei dieſen älteren und niederen waſſerbewohnenden Wirbel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0184" n="168"/><fw place="top" type="header">Verwandlung der Seele. <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/> mütterlichen Fruchtbehälters <hi rendition="#aq">(Uteruſ)</hi> geſchützt, ſondern auch<lb/> durch die beſonderen Fruchthüllen <hi rendition="#aq">(Embryolemmen)</hi>, welche allen<lb/> drei höheren Wirbelthier-Klaſſen gemeinſam zukommen, den Rep-<lb/> tilien, Vögeln und Säugethieren. Bei allen drei Amnioten-<lb/> Klaſſen entwickeln ſich dieſe Fruchthüllen (<hi rendition="#aq">Amnion</hi> oder Waſſer-<lb/> haut und <hi rendition="#aq">Serolemma</hi> oder ſeröſe Haut) genau in derſelben Weiſe.<lb/> Es ſind das Schutz-Einrichtungen, welche von den älteſten Rep-<lb/> tilien (Proreptilien), den gemeinſamen Stammformen aller Am-<lb/> nioten, erſt in der Perm-Periode (gegen Ende des paläozoiſchen<lb/> Zeitalters) erworben wurden, als dieſe höheren Wirbelthiere ſich<lb/> an das beſtändige Landleben und die Luftathmung gewöhnten.<lb/> Ihre vorhergehenden Ahnen, die Amphibien der Steinkohlen-<lb/> Periode, lebten und athmeten noch im Waſſer, wie ihre älteren<lb/> Vorfahren, die Fiſche.</p><lb/> <p>Bei dieſen älteren und niederen waſſerbewohnenden Wirbel-<lb/> thieren beſaß die Keimesgeſchichte noch in viel höherem Grade<lb/> den palingenetiſchen Charakter, wie es auch noch bei den meiſten<lb/> Fiſchen und Amphibien der Gegenwart der Fall iſt. Die be-<lb/> kannten Kaulquappen, die Larven der Salamander und Fröſche,<lb/> bewahren noch heute in der erſten Zeit des freien Waſſerlebens<lb/> den Körperbau ihrer Fiſch-Ahnen; ſie gleichen ihnen auch in der<lb/> Lebensweiſe, in der Kiemenathmung, in der Funktion ihrer<lb/> Sinnes-Organe und ihrer anderen Seelen-Organe. Erſt wenn<lb/> die intereſſante Metamorphoſe der ſchwimmenden Kaulquappen<lb/> eintritt, und wenn ſie ſich an das Landleben gewöhnen, ver-<lb/> wandelt ſich ihr fiſchähnlicher Körper in das vierfüßige, kriechende<lb/> Amphibium; an die Stelle der Kiemen-Athmung im Waſſer tritt<lb/> die ausſchließliche Luftathmung durch Lungen, und mit der ver-<lb/> änderten Lebensweiſe erlangt auch der Seelen-Apparat, Nerven-<lb/> ſyſtem und Sinnes-Organe, einen höheren Grad der Ausbildung.<lb/> Wenn wir die Pſychogenie der Kaulquappen von Anfang bis zu<lb/> Ende vollſtändig verfolgen könnten, würden wir das biogenetiſche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0184]
Verwandlung der Seele. VIII.
mütterlichen Fruchtbehälters (Uteruſ) geſchützt, ſondern auch
durch die beſonderen Fruchthüllen (Embryolemmen), welche allen
drei höheren Wirbelthier-Klaſſen gemeinſam zukommen, den Rep-
tilien, Vögeln und Säugethieren. Bei allen drei Amnioten-
Klaſſen entwickeln ſich dieſe Fruchthüllen (Amnion oder Waſſer-
haut und Serolemma oder ſeröſe Haut) genau in derſelben Weiſe.
Es ſind das Schutz-Einrichtungen, welche von den älteſten Rep-
tilien (Proreptilien), den gemeinſamen Stammformen aller Am-
nioten, erſt in der Perm-Periode (gegen Ende des paläozoiſchen
Zeitalters) erworben wurden, als dieſe höheren Wirbelthiere ſich
an das beſtändige Landleben und die Luftathmung gewöhnten.
Ihre vorhergehenden Ahnen, die Amphibien der Steinkohlen-
Periode, lebten und athmeten noch im Waſſer, wie ihre älteren
Vorfahren, die Fiſche.
Bei dieſen älteren und niederen waſſerbewohnenden Wirbel-
thieren beſaß die Keimesgeſchichte noch in viel höherem Grade
den palingenetiſchen Charakter, wie es auch noch bei den meiſten
Fiſchen und Amphibien der Gegenwart der Fall iſt. Die be-
kannten Kaulquappen, die Larven der Salamander und Fröſche,
bewahren noch heute in der erſten Zeit des freien Waſſerlebens
den Körperbau ihrer Fiſch-Ahnen; ſie gleichen ihnen auch in der
Lebensweiſe, in der Kiemenathmung, in der Funktion ihrer
Sinnes-Organe und ihrer anderen Seelen-Organe. Erſt wenn
die intereſſante Metamorphoſe der ſchwimmenden Kaulquappen
eintritt, und wenn ſie ſich an das Landleben gewöhnen, ver-
wandelt ſich ihr fiſchähnlicher Körper in das vierfüßige, kriechende
Amphibium; an die Stelle der Kiemen-Athmung im Waſſer tritt
die ausſchließliche Luftathmung durch Lungen, und mit der ver-
änderten Lebensweiſe erlangt auch der Seelen-Apparat, Nerven-
ſyſtem und Sinnes-Organe, einen höheren Grad der Ausbildung.
Wenn wir die Pſychogenie der Kaulquappen von Anfang bis zu
Ende vollſtändig verfolgen könnten, würden wir das biogenetiſche
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