Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel.
Keimesgeschichte der Seele.

Monistische Studien über ontogenetische Psychologie. Entwicke-
lung des Seelenlebens im individuellen Leben der Person.



"Die merkwürdigen Thatsachen der Befruch-
tung
sind von höchstem Interesse für die Psycho-
logie, insbesondere für die Lehre von der Zell-
seele
, als deren naturgemäßes Fundament. Denn
die wichtigen Vorgänge der Empfängniß (bei welchen
die männliche Spermazelle mit der weiblichen Eizelle
zur Bildung einer neuen Zelle verschmilzt) können
nur dann verstanden und erklärt werden, wenn
wir diesen beiden Geschlechtszellen eine Art niederer
Seelenthätigkeit zuschreiben. Beide empfinden
gegenseitig ihre Nähe, beide werden durch einen
sinnlichen (wahrscheinlich dem Geruch ver-
wandten) Trieb zu einander hingezogen: beide
bewegen sich auf einander zu und ruhen nicht,
bis sie mit einander verschmelzen. -- Die besondere
Mischung beider elterlicher Zellkerne bedingt in
jeden: Kinde dessen individuellen, psychischen
Charakter."

Anthropogenie (1891).

Achtes Kapitel.
Keimesgeſchichte der Seele.

Moniſtiſche Studien über ontogenetiſche Pſychologie. Entwicke-
lung des Seelenlebens im individuellen Leben der Perſon.



„Die merkwürdigen Thatſachen der Befruch-
tung
ſind von höchſtem Intereſſe für die Pſycho-
logie, insbeſondere für die Lehre von der Zell-
ſeele
, als deren naturgemäßes Fundament. Denn
die wichtigen Vorgänge der Empfängniß (bei welchen
die männliche Spermazelle mit der weiblichen Eizelle
zur Bildung einer neuen Zelle verſchmilzt) können
nur dann verſtanden und erklärt werden, wenn
wir dieſen beiden Geſchlechtszellen eine Art niederer
Seelenthätigkeit zuſchreiben. Beide empfinden
gegenſeitig ihre Nähe, beide werden durch einen
ſinnlichen (wahrſcheinlich dem Geruch ver-
wandten) Trieb zu einander hingezogen: beide
bewegen ſich auf einander zu und ruhen nicht,
bis ſie mit einander verſchmelzen. — Die beſondere
Miſchung beider elterlicher Zellkerne bedingt in
jeden: Kinde deſſen individuellen, pſychiſchen
Charakter.“

Anthropogenie (1891).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0169" n="[153]"/>
      <div n="1">
        <head>Achtes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Keimesge&#x017F;chichte der Seele.</hi></head><lb/>
        <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Moni&#x017F;ti&#x017F;che Studien über ontogeneti&#x017F;che P&#x017F;ychologie. Entwicke-<lb/>
lung des Seelenlebens im individuellen Leben der Per&#x017F;on.</hi> </hi> </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <cit rendition="#et">
          <quote>&#x201E;Die merkwürdigen That&#x017F;achen der <hi rendition="#g">Befruch-<lb/>
tung</hi> &#x017F;ind von höch&#x017F;tem Intere&#x017F;&#x017F;e für die P&#x017F;ycho-<lb/>
logie, insbe&#x017F;ondere für die Lehre von der <hi rendition="#g">Zell-<lb/>
&#x017F;eele</hi>, als deren naturgemäßes Fundament. Denn<lb/>
die wichtigen Vorgänge der Empfängniß (bei welchen<lb/>
die männliche Spermazelle mit der weiblichen Eizelle<lb/>
zur Bildung einer neuen Zelle ver&#x017F;chmilzt) können<lb/>
nur dann ver&#x017F;tanden und erklärt werden, wenn<lb/>
wir die&#x017F;en beiden Ge&#x017F;chlechtszellen eine Art niederer<lb/>
Seelenthätigkeit zu&#x017F;chreiben. Beide <hi rendition="#g">empfinden</hi><lb/>
gegen&#x017F;eitig ihre Nähe, beide werden durch einen<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;innlichen</hi> (wahr&#x017F;cheinlich dem Geruch ver-<lb/>
wandten) Trieb zu einander hingezogen: beide<lb/><hi rendition="#g">bewegen</hi> &#x017F;ich auf einander zu und ruhen nicht,<lb/>
bis &#x017F;ie mit einander ver&#x017F;chmelzen. &#x2014; Die be&#x017F;ondere<lb/>
Mi&#x017F;chung beider elterlicher Zellkerne bedingt in<lb/>
jeden: Kinde de&#x017F;&#x017F;en individuellen, p&#x017F;ychi&#x017F;chen<lb/>
Charakter.&#x201C;</quote><lb/>
          <bibl><hi rendition="#g">Anthropogenie</hi> (1891).</bibl>
        </cit><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[153]/0169] Achtes Kapitel. Keimesgeſchichte der Seele. Moniſtiſche Studien über ontogenetiſche Pſychologie. Entwicke- lung des Seelenlebens im individuellen Leben der Perſon. „Die merkwürdigen Thatſachen der Befruch- tung ſind von höchſtem Intereſſe für die Pſycho- logie, insbeſondere für die Lehre von der Zell- ſeele, als deren naturgemäßes Fundament. Denn die wichtigen Vorgänge der Empfängniß (bei welchen die männliche Spermazelle mit der weiblichen Eizelle zur Bildung einer neuen Zelle verſchmilzt) können nur dann verſtanden und erklärt werden, wenn wir dieſen beiden Geſchlechtszellen eine Art niederer Seelenthätigkeit zuſchreiben. Beide empfinden gegenſeitig ihre Nähe, beide werden durch einen ſinnlichen (wahrſcheinlich dem Geruch ver- wandten) Trieb zu einander hingezogen: beide bewegen ſich auf einander zu und ruhen nicht, bis ſie mit einander verſchmelzen. — Die beſondere Miſchung beider elterlicher Zellkerne bedingt in jeden: Kinde deſſen individuellen, pſychiſchen Charakter.“ Anthropogenie (1891).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/169
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. [153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/169>, abgerufen am 23.11.2024.