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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Instinkt und Vernunft. VII.
neue Gruppen derselben producirt, ebenso in den Hallucinationen
u. s. w. werden dieselben oft ganz naturwidrig geordnet und
erscheinen daher bei nüchterner Betrachtung vollkommen un-
vernünftig
. Ganz besonders gilt dies von den übernatürlichen
"Gestalten des Glaubens", dem Geisterspuk des Spiritismus
und den Phantasiebildern der transscendenten dualistischen Philo-
sophie; aber gerade diese abnormen Associonen des
"Glaubens" und der angeblichen "Offenbarung" werden vielfach
als die werthvollsten "Geistesgüter" des Menschen hochgeschätzt *)
(vergl. Kapitel 16).

Instinkte. Die veraltete Psychologie des Mittelalters,
die allerdings auch heute noch viele Anhänger besitzt, betrachtete
das Seelenleben des Menschen und der Thiere als gänzlich ver-
schiedene Erscheinungen; sie leitete das erstere von der "Ver-
nunft
", das letztere von dem "Instinkt" ab. Der tradi-
tionellen Schöpfungsgeschichte entsprechend nahm man an, daß
jeder Thier-Art bei ihrer Schöpfung eine bestimmte, unbewußte
Seelen-Qualität vom Schöpfer eingepflanzt sei, und daß dieser
"Naturtrieb" (Instinctus) einer jeden Species ebenso un-
veränderlich sei wie deren körperliche Organisation. Nachdem
schon Lamarck (1809) bei Begründung seiner Descendenz-
Theorie diesen Irrthum als unhaltbar erwiesen, wurde er durch
Darwin (1859) vollständig widerlegt; er bewies an der Hand
seiner Selektions-Theorie folgende wichtige Lehrsätze: I. Die
Instinkte der Species sind individuell verschieden und ebenso der
Abänderung durch Anpassung unterworfen wie die morpho-
logischen Merkmale der Körperbildung. II. Diese Variationen
(großentheils durch veränderte Gewohnheiten entstanden) werden
durch Vererbung theilweise auf die Nachkommen übertragen
und im Laufe der Generationen gehäuft und befestigt. III. Die

*) Adalbert Svoboda, Gestalten des Glaubens. 1897.

Inſtinkt und Vernunft. VII.
neue Gruppen derſelben producirt, ebenſo in den Hallucinationen
u. ſ. w. werden dieſelben oft ganz naturwidrig geordnet und
erſcheinen daher bei nüchterner Betrachtung vollkommen un-
vernünftig
. Ganz beſonders gilt dies von den übernatürlichen
Geſtalten des Glaubens“, dem Geiſterſpuk des Spiritismus
und den Phantaſiebildern der transſcendenten dualiſtiſchen Philo-
ſophie; aber gerade dieſe abnormen Aſſocionen des
„Glaubens“ und der angeblichen „Offenbarung“ werden vielfach
als die werthvollſten „Geiſtesgüter“ des Menſchen hochgeſchätzt *)
(vergl. Kapitel 16).

Inſtinkte. Die veraltete Pſychologie des Mittelalters,
die allerdings auch heute noch viele Anhänger beſitzt, betrachtete
das Seelenleben des Menſchen und der Thiere als gänzlich ver-
ſchiedene Erſcheinungen; ſie leitete das erſtere von der „Ver-
nunft
“, das letztere von dem „Inſtinkt“ ab. Der tradi-
tionellen Schöpfungsgeſchichte entſprechend nahm man an, daß
jeder Thier-Art bei ihrer Schöpfung eine beſtimmte, unbewußte
Seelen-Qualität vom Schöpfer eingepflanzt ſei, und daß dieſer
Naturtrieb(Inſtinctuſ) einer jeden Specieſ ebenſo un-
veränderlich ſei wie deren körperliche Organiſation. Nachdem
ſchon Lamarck (1809) bei Begründung ſeiner Deſcendenz-
Theorie dieſen Irrthum als unhaltbar erwieſen, wurde er durch
Darwin (1859) vollſtändig widerlegt; er bewies an der Hand
ſeiner Selektions-Theorie folgende wichtige Lehrſätze: I. Die
Inſtinkte der Species ſind individuell verſchieden und ebenſo der
Abänderung durch Anpaſſung unterworfen wie die morpho-
logiſchen Merkmale der Körperbildung. II. Dieſe Variationen
(großentheils durch veränderte Gewohnheiten entſtanden) werden
durch Vererbung theilweiſe auf die Nachkommen übertragen
und im Laufe der Generationen gehäuft und befeſtigt. III. Die

*) Adalbert Svoboda, Geſtalten des Glaubens. 1897.
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[142/0158] Inſtinkt und Vernunft. VII. neue Gruppen derſelben producirt, ebenſo in den Hallucinationen u. ſ. w. werden dieſelben oft ganz naturwidrig geordnet und erſcheinen daher bei nüchterner Betrachtung vollkommen un- vernünftig. Ganz beſonders gilt dies von den übernatürlichen „Geſtalten des Glaubens“, dem Geiſterſpuk des Spiritismus und den Phantaſiebildern der transſcendenten dualiſtiſchen Philo- ſophie; aber gerade dieſe abnormen Aſſocionen des „Glaubens“ und der angeblichen „Offenbarung“ werden vielfach als die werthvollſten „Geiſtesgüter“ des Menſchen hochgeſchätzt *) (vergl. Kapitel 16). Inſtinkte. Die veraltete Pſychologie des Mittelalters, die allerdings auch heute noch viele Anhänger beſitzt, betrachtete das Seelenleben des Menſchen und der Thiere als gänzlich ver- ſchiedene Erſcheinungen; ſie leitete das erſtere von der „Ver- nunft“, das letztere von dem „Inſtinkt“ ab. Der tradi- tionellen Schöpfungsgeſchichte entſprechend nahm man an, daß jeder Thier-Art bei ihrer Schöpfung eine beſtimmte, unbewußte Seelen-Qualität vom Schöpfer eingepflanzt ſei, und daß dieſer „Naturtrieb“ (Inſtinctuſ) einer jeden Specieſ ebenſo un- veränderlich ſei wie deren körperliche Organiſation. Nachdem ſchon Lamarck (1809) bei Begründung ſeiner Deſcendenz- Theorie dieſen Irrthum als unhaltbar erwieſen, wurde er durch Darwin (1859) vollſtändig widerlegt; er bewies an der Hand ſeiner Selektions-Theorie folgende wichtige Lehrſätze: I. Die Inſtinkte der Species ſind individuell verſchieden und ebenſo der Abänderung durch Anpaſſung unterworfen wie die morpho- logiſchen Merkmale der Körperbildung. II. Dieſe Variationen (großentheils durch veränderte Gewohnheiten entſtanden) werden durch Vererbung theilweiſe auf die Nachkommen übertragen und im Laufe der Generationen gehäuft und befeſtigt. III. Die *) Adalbert Svoboda, Geſtalten des Glaubens. 1897.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/158>, abgerufen am 23.11.2024.