Thieren. V. Auf der fünften Stufe entwickelt sich durch Spiegelung der Empfindungen in einem Central-Theile des Nervensystems die höchste psychische Funktion, die bewußte Empfindung; so beim Menschen und den höheren Wirbel- thieren, wahrscheinlich auch bei einem Theile der höheren wirbel- losen Thiere, besonders der Gliederthiere.
Skala der Bewegungen. Alle lebendigen Naturkörper ohne Ausnahme sind spontan beweglich, im Gegensatze zu den starren und unbeweglichen Anorganen (Krystallen); d. h. es finden im lebendigen Psychoplasma Lage-Veränderungen der Theilchen aus inneren Ursachen statt, welche in dessen chemischer Konstitution selbst begründet sind. Diese aktiven vitalen Be- wegungen sind zum Theil direkt durch Beobachtung wahr- zunehmen, zum anderen Theil aber nur indirekt aus ihren Wirkungen zu erschließen. Wir unterscheiden fünf Abstufungen derselben.
I. Auf der untersten Stufe des organischen Lebens, bei Chromaceen, vielen Protophyten und niederen Metaphyten, nehmen wir nur jene Wachsthums-Bewegungen wahr, welche allen Organismen gemeinsam zukommen. Dieselben geschehen gewöhnlich so langsam, daß man sie nicht unmittelbar be- obachten, sondern nur indirekt aus ihrem Resultate erschließen kann, aus der Veränderung in Größe und Gestalt des wachsenden Körpers. II. Viele Protisten, namentlich einzellige Algen aus den Gruppen der Diatomeen und Desmidiaceen, bewegen sich kriechend oder schwimmend durch Sekretion fort, durch ein- seitige Ausscheidung einer schleimigen Masse. III. Andere, im Wasser schwebende Organismen, z. B. viele Radiolarien, Sipho- nophoren, Ktenophoren u. a., steigen auf und nieder, indem sie ihr specifisches Gewicht verändern, bald durch Osmose, bald durch Absonderung oder Ausstoßung von Luft. IV. Viele Pflanzen, besonders die empfindlichen Sinnpflanzen (Mimosen) und andere Papilionaceen, führen Bewegungen von Blättern oder
Stufenleiter der Bewegungen. VII.
Thieren. V. Auf der fünften Stufe entwickelt ſich durch Spiegelung der Empfindungen in einem Central-Theile des Nervenſyſtems die höchſte pſychiſche Funktion, die bewußte Empfindung; ſo beim Menſchen und den höheren Wirbel- thieren, wahrſcheinlich auch bei einem Theile der höheren wirbel- loſen Thiere, beſonders der Gliederthiere.
Skala der Bewegungen. Alle lebendigen Naturkörper ohne Ausnahme ſind ſpontan beweglich, im Gegenſatze zu den ſtarren und unbeweglichen Anorganen (Kryſtallen); d. h. es finden im lebendigen Pſychoplasma Lage-Veränderungen der Theilchen aus inneren Urſachen ſtatt, welche in deſſen chemiſcher Konſtitution ſelbſt begründet ſind. Dieſe aktiven vitalen Be- wegungen ſind zum Theil direkt durch Beobachtung wahr- zunehmen, zum anderen Theil aber nur indirekt aus ihren Wirkungen zu erſchließen. Wir unterſcheiden fünf Abſtufungen derſelben.
I. Auf der unterſten Stufe des organiſchen Lebens, bei Chromaceen, vielen Protophyten und niederen Metaphyten, nehmen wir nur jene Wachsthums-Bewegungen wahr, welche allen Organismen gemeinſam zukommen. Dieſelben geſchehen gewöhnlich ſo langſam, daß man ſie nicht unmittelbar be- obachten, ſondern nur indirekt aus ihrem Reſultate erſchließen kann, aus der Veränderung in Größe und Geſtalt des wachſenden Körpers. II. Viele Protiſten, namentlich einzellige Algen aus den Gruppen der Diatomeen und Desmidiaceen, bewegen ſich kriechend oder ſchwimmend durch Sekretion fort, durch ein- ſeitige Ausſcheidung einer ſchleimigen Maſſe. III. Andere, im Waſſer ſchwebende Organismen, z. B. viele Radiolarien, Sipho- nophoren, Ktenophoren u. a., ſteigen auf und nieder, indem ſie ihr ſpecifiſches Gewicht verändern, bald durch Osmoſe, bald durch Abſonderung oder Ausſtoßung von Luft. IV. Viele Pflanzen, beſonders die empfindlichen Sinnpflanzen (Mimoſen) und andere Papilionaceen, führen Bewegungen von Blättern oder
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Stufenleiter der Bewegungen. VII.
Thieren. V. Auf der fünften Stufe entwickelt ſich durch
Spiegelung der Empfindungen in einem Central-Theile des
Nervenſyſtems die höchſte pſychiſche Funktion, die bewußte
Empfindung; ſo beim Menſchen und den höheren Wirbel-
thieren, wahrſcheinlich auch bei einem Theile der höheren wirbel-
loſen Thiere, beſonders der Gliederthiere.
Skala der Bewegungen. Alle lebendigen Naturkörper
ohne Ausnahme ſind ſpontan beweglich, im Gegenſatze zu
den ſtarren und unbeweglichen Anorganen (Kryſtallen); d. h. es
finden im lebendigen Pſychoplasma Lage-Veränderungen der
Theilchen aus inneren Urſachen ſtatt, welche in deſſen chemiſcher
Konſtitution ſelbſt begründet ſind. Dieſe aktiven vitalen Be-
wegungen ſind zum Theil direkt durch Beobachtung wahr-
zunehmen, zum anderen Theil aber nur indirekt aus ihren
Wirkungen zu erſchließen. Wir unterſcheiden fünf Abſtufungen
derſelben.
I. Auf der unterſten Stufe des organiſchen Lebens, bei
Chromaceen, vielen Protophyten und niederen Metaphyten,
nehmen wir nur jene Wachsthums-Bewegungen wahr, welche
allen Organismen gemeinſam zukommen. Dieſelben geſchehen
gewöhnlich ſo langſam, daß man ſie nicht unmittelbar be-
obachten, ſondern nur indirekt aus ihrem Reſultate erſchließen
kann, aus der Veränderung in Größe und Geſtalt des wachſenden
Körpers. II. Viele Protiſten, namentlich einzellige Algen aus
den Gruppen der Diatomeen und Desmidiaceen, bewegen ſich
kriechend oder ſchwimmend durch Sekretion fort, durch ein-
ſeitige Ausſcheidung einer ſchleimigen Maſſe. III. Andere, im
Waſſer ſchwebende Organismen, z. B. viele Radiolarien, Sipho-
nophoren, Ktenophoren u. a., ſteigen auf und nieder, indem ſie
ihr ſpecifiſches Gewicht verändern, bald durch Osmoſe,
bald durch Abſonderung oder Ausſtoßung von Luft. IV. Viele
Pflanzen, beſonders die empfindlichen Sinnpflanzen (Mimoſen)
und andere Papilionaceen, führen Bewegungen von Blättern oder
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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