Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Wollhaarige und schlichthaarige Menschen. Urmenschen. Papuas.
meisten Anzeichen auf das südliche Asien. Vielleicht war aber auch
das östliche Afrika der Ort, an welchem zuerst die Entstehung des Ur-
menschen aus den menschenähnlichsten Affen erfolgte; vielleicht auch
ein jetzt unter den Spiegel des indischen Oceans versunkener Kontinent,
welcher sich im Süden des jetzigen Asiens einerseits östlich bis nach den
Sunda-Jnseln, andrerseits westlich bis nach Madagaskar und Afrika
erstreckte. Wahrscheinlich entwickelten sich aus dieser Urmenschenart
durch natürliche Züchtung verschiedene, uns unbekannte, jetzt längst
ausgestorbene Menschenarten, von denen zwei am meisten divergente,
eine wollhaarige Art und eine schlichthaarige Art, im
Kampf um's Dasein über die übrigen den Sieg davon trugen, und
die Stammformen der übrigen Menschenarten wurden. Der wollhaa-
rige Zweig breitete sich zunächst südlich des Aequators aus, indem er
sich theils nach Osten (nach Neuguinea), theils nach Westen (nach Süd-
afrika) hinüberwandte. Der schlichthaarige Zweig dagegen wandte
sich hauptsächlich nach Norden und bevölkerte zunächst Asien; ein Theil
desselben wurde aber nach Australien verschlagen, und erhob sich hier
nur wenig über die tiefe Stufe der ursprünglichen Bildung.

Alle heute noch lebenden wollhaarigen Völker (Ulotriches)
sind auf einer viel tieferen Stufe der Ausbildung stehen geblieben, als
die meisten schlichthaarigen. Sie alle haben die langköpfige nnd schief-
zähnige Schädelform und die dunkle Hautfarbe beibehalten. Der ur-
sprünglichen Stammform des wollhaarigen Astes in mancher Bezie-
hung am nächsten steht vielleicht der Papua-Mensch oder Negrito
(Homo papua), welcher zerstreut auf einzelnen Jnselgruppen des süd-
asiatischen und des australischen Archipelagus lebt, auf Neuguinea,
Neubritannien, den Salomonsinseln u. s. w. Auch die kürzlich ausge-
storbenen Bewohner von Tasmanien (Vandiemensland) gehörten hier-
her. Die Hautfarbe ist schwarz oder schwarzbraun, das Haupthaar
meistens eine mächtige wollige Perücke. Während einige Zweige die-
ser Menschenart sich in verhältnißmäßig hohem Grade der Kultur zu-
gängig gezeigt haben, sind andere dagegen auf der niedrigsten Stufe
der Menschheit stehen geblieben.

33 *

Wollhaarige und ſchlichthaarige Menſchen. Urmenſchen. Papuas.
meiſten Anzeichen auf das ſuͤdliche Aſien. Vielleicht war aber auch
das oͤſtliche Afrika der Ort, an welchem zuerſt die Entſtehung des Ur-
menſchen aus den menſchenaͤhnlichſten Affen erfolgte; vielleicht auch
ein jetzt unter den Spiegel des indiſchen Oceans verſunkener Kontinent,
welcher ſich im Suͤden des jetzigen Aſiens einerſeits oͤſtlich bis nach den
Sunda-Jnſeln, andrerſeits weſtlich bis nach Madagaskar und Afrika
erſtreckte. Wahrſcheinlich entwickelten ſich aus dieſer Urmenſchenart
durch natuͤrliche Zuͤchtung verſchiedene, uns unbekannte, jetzt laͤngſt
ausgeſtorbene Menſchenarten, von denen zwei am meiſten divergente,
eine wollhaarige Art und eine ſchlichthaarige Art, im
Kampf um’s Daſein uͤber die uͤbrigen den Sieg davon trugen, und
die Stammformen der uͤbrigen Menſchenarten wurden. Der wollhaa-
rige Zweig breitete ſich zunaͤchſt ſuͤdlich des Aequators aus, indem er
ſich theils nach Oſten (nach Neuguinea), theils nach Weſten (nach Suͤd-
afrika) hinuͤberwandte. Der ſchlichthaarige Zweig dagegen wandte
ſich hauptſaͤchlich nach Norden und bevoͤlkerte zunaͤchſt Aſien; ein Theil
deſſelben wurde aber nach Auſtralien verſchlagen, und erhob ſich hier
nur wenig uͤber die tiefe Stufe der urſpruͤnglichen Bildung.

Alle heute noch lebenden wollhaarigen Voͤlker (Ulotriches)
ſind auf einer viel tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen geblieben, als
die meiſten ſchlichthaarigen. Sie alle haben die langkoͤpfige nnd ſchief-
zaͤhnige Schaͤdelform und die dunkle Hautfarbe beibehalten. Der ur-
ſpruͤnglichen Stammform des wollhaarigen Aſtes in mancher Bezie-
hung am naͤchſten ſteht vielleicht der Papua-Menſch oder Negrito
(Homo papua), welcher zerſtreut auf einzelnen Jnſelgruppen des ſuͤd-
aſiatiſchen und des auſtraliſchen Archipelagus lebt, auf Neuguinea,
Neubritannien, den Salomonsinſeln u. ſ. w. Auch die kuͤrzlich ausge-
ſtorbenen Bewohner von Tasmanien (Vandiemensland) gehoͤrten hier-
her. Die Hautfarbe iſt ſchwarz oder ſchwarzbraun, das Haupthaar
meiſtens eine maͤchtige wollige Peruͤcke. Waͤhrend einige Zweige die-
ſer Menſchenart ſich in verhaͤltnißmaͤßig hohem Grade der Kultur zu-
gaͤngig gezeigt haben, ſind andere dagegen auf der niedrigſten Stufe
der Menſchheit ſtehen geblieben.

33 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0540" n="515"/><fw place="top" type="header">Wollhaarige und &#x017F;chlichthaarige Men&#x017F;chen. Urmen&#x017F;chen. Papuas.</fw><lb/>
mei&#x017F;ten Anzeichen auf das &#x017F;u&#x0364;dliche A&#x017F;ien. Vielleicht war aber auch<lb/>
das o&#x0364;&#x017F;tliche Afrika der Ort, an welchem zuer&#x017F;t die Ent&#x017F;tehung des Ur-<lb/>
men&#x017F;chen aus den men&#x017F;chena&#x0364;hnlich&#x017F;ten Affen erfolgte; vielleicht auch<lb/>
ein jetzt unter den Spiegel des indi&#x017F;chen Oceans ver&#x017F;unkener Kontinent,<lb/>
welcher &#x017F;ich im Su&#x0364;den des jetzigen A&#x017F;iens einer&#x017F;eits o&#x0364;&#x017F;tlich bis nach den<lb/>
Sunda-Jn&#x017F;eln, andrer&#x017F;eits we&#x017F;tlich bis nach Madagaskar und Afrika<lb/>
er&#x017F;treckte. Wahr&#x017F;cheinlich entwickelten &#x017F;ich aus die&#x017F;er Urmen&#x017F;chenart<lb/>
durch natu&#x0364;rliche Zu&#x0364;chtung ver&#x017F;chiedene, uns unbekannte, jetzt la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
ausge&#x017F;torbene Men&#x017F;chenarten, von denen <hi rendition="#g">zwei</hi> am mei&#x017F;ten divergente,<lb/><hi rendition="#g">eine wollhaarige Art und eine &#x017F;chlichthaarige Art,</hi> im<lb/>
Kampf um&#x2019;s Da&#x017F;ein u&#x0364;ber die u&#x0364;brigen den Sieg davon trugen, und<lb/>
die Stammformen der u&#x0364;brigen Men&#x017F;chenarten wurden. Der wollhaa-<lb/>
rige Zweig breitete &#x017F;ich zuna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;u&#x0364;dlich des Aequators aus, indem er<lb/>
&#x017F;ich theils nach O&#x017F;ten (nach Neuguinea), theils nach We&#x017F;ten (nach Su&#x0364;d-<lb/>
afrika) hinu&#x0364;berwandte. Der &#x017F;chlichthaarige Zweig dagegen wandte<lb/>
&#x017F;ich haupt&#x017F;a&#x0364;chlich nach Norden und bevo&#x0364;lkerte zuna&#x0364;ch&#x017F;t A&#x017F;ien; ein Theil<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben wurde aber nach Au&#x017F;tralien ver&#x017F;chlagen, und erhob &#x017F;ich hier<lb/>
nur wenig u&#x0364;ber die tiefe Stufe der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Bildung.</p><lb/>
              <p>Alle heute noch lebenden <hi rendition="#g">wollhaarigen Vo&#x0364;lker</hi> <hi rendition="#aq">(Ulotriches)</hi><lb/>
&#x017F;ind auf einer viel tieferen Stufe der Ausbildung &#x017F;tehen geblieben, als<lb/>
die mei&#x017F;ten &#x017F;chlichthaarigen. Sie alle haben die langko&#x0364;pfige nnd &#x017F;chief-<lb/>
za&#x0364;hnige Scha&#x0364;delform und die dunkle Hautfarbe beibehalten. Der ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglichen Stammform des wollhaarigen A&#x017F;tes in mancher Bezie-<lb/>
hung am na&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;teht vielleicht der <hi rendition="#g">Papua-Men&#x017F;ch</hi> oder <hi rendition="#g">Negrito</hi><lb/><hi rendition="#aq">(Homo papua),</hi> welcher zer&#x017F;treut auf einzelnen Jn&#x017F;elgruppen des &#x017F;u&#x0364;d-<lb/>
a&#x017F;iati&#x017F;chen und des au&#x017F;trali&#x017F;chen Archipelagus lebt, auf Neuguinea,<lb/>
Neubritannien, den Salomonsin&#x017F;eln u. &#x017F;. w. Auch die ku&#x0364;rzlich ausge-<lb/>
&#x017F;torbenen Bewohner von Tasmanien (Vandiemensland) geho&#x0364;rten hier-<lb/>
her. Die Hautfarbe i&#x017F;t &#x017F;chwarz oder &#x017F;chwarzbraun, das Haupthaar<lb/>
mei&#x017F;tens eine ma&#x0364;chtige wollige Peru&#x0364;cke. Wa&#x0364;hrend einige Zweige die-<lb/>
&#x017F;er Men&#x017F;chenart &#x017F;ich in verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig hohem Grade der Kultur zu-<lb/>
ga&#x0364;ngig gezeigt haben, &#x017F;ind andere dagegen auf der niedrig&#x017F;ten Stufe<lb/>
der Men&#x017F;chheit &#x017F;tehen geblieben.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">33 *</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[515/0540] Wollhaarige und ſchlichthaarige Menſchen. Urmenſchen. Papuas. meiſten Anzeichen auf das ſuͤdliche Aſien. Vielleicht war aber auch das oͤſtliche Afrika der Ort, an welchem zuerſt die Entſtehung des Ur- menſchen aus den menſchenaͤhnlichſten Affen erfolgte; vielleicht auch ein jetzt unter den Spiegel des indiſchen Oceans verſunkener Kontinent, welcher ſich im Suͤden des jetzigen Aſiens einerſeits oͤſtlich bis nach den Sunda-Jnſeln, andrerſeits weſtlich bis nach Madagaskar und Afrika erſtreckte. Wahrſcheinlich entwickelten ſich aus dieſer Urmenſchenart durch natuͤrliche Zuͤchtung verſchiedene, uns unbekannte, jetzt laͤngſt ausgeſtorbene Menſchenarten, von denen zwei am meiſten divergente, eine wollhaarige Art und eine ſchlichthaarige Art, im Kampf um’s Daſein uͤber die uͤbrigen den Sieg davon trugen, und die Stammformen der uͤbrigen Menſchenarten wurden. Der wollhaa- rige Zweig breitete ſich zunaͤchſt ſuͤdlich des Aequators aus, indem er ſich theils nach Oſten (nach Neuguinea), theils nach Weſten (nach Suͤd- afrika) hinuͤberwandte. Der ſchlichthaarige Zweig dagegen wandte ſich hauptſaͤchlich nach Norden und bevoͤlkerte zunaͤchſt Aſien; ein Theil deſſelben wurde aber nach Auſtralien verſchlagen, und erhob ſich hier nur wenig uͤber die tiefe Stufe der urſpruͤnglichen Bildung. Alle heute noch lebenden wollhaarigen Voͤlker (Ulotriches) ſind auf einer viel tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen geblieben, als die meiſten ſchlichthaarigen. Sie alle haben die langkoͤpfige nnd ſchief- zaͤhnige Schaͤdelform und die dunkle Hautfarbe beibehalten. Der ur- ſpruͤnglichen Stammform des wollhaarigen Aſtes in mancher Bezie- hung am naͤchſten ſteht vielleicht der Papua-Menſch oder Negrito (Homo papua), welcher zerſtreut auf einzelnen Jnſelgruppen des ſuͤd- aſiatiſchen und des auſtraliſchen Archipelagus lebt, auf Neuguinea, Neubritannien, den Salomonsinſeln u. ſ. w. Auch die kuͤrzlich ausge- ſtorbenen Bewohner von Tasmanien (Vandiemensland) gehoͤrten hier- her. Die Hautfarbe iſt ſchwarz oder ſchwarzbraun, das Haupthaar meiſtens eine maͤchtige wollige Peruͤcke. Waͤhrend einige Zweige die- ſer Menſchenart ſich in verhaͤltnißmaͤßig hohem Grade der Kultur zu- gaͤngig gezeigt haben, ſind andere dagegen auf der niedrigſten Stufe der Menſchheit ſtehen geblieben. 33 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/540
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/540>, abgerufen am 25.11.2024.