sche Reihenfolge Jhnen die vorstehende Tabelle anführt, liefern in ihrer historischen und ihrer entsprechenden systematischen Entwickelung man- nichfache Beweise für die Gültigkeit des Fortschrittsgesetzes. Da je- doch diese untergeordneten Molluskengruppen an sich weiter von keinem besonderen Jnteresse sind, verweise ich Sie auf den ausführlicheren Stammbaum der Weichthiere, welchen ich in meiner generellen Mor- phologie gegeben habe, und wende mich sogleich weiter zur Betrach- tung des Sternthierstammes.
Die Sternthiere(Echinoderma), zu welchen die vier Klassen der Seesterne, Seelilien, Seeigel und Seewalzen gehören, sind eine der interessantesten, und dennoch eine der wenigst bekannten Abthei- lungen des Thierreichs. Jeder von Jhnen, der einmal an der See war, wird wenigstens zwei Formen derselben, die Seesterne und See- igel, gesehen haben. Wegen ihrer sehr eigenthümlichen Organisation sind die Sternthiere als ein ganz selbstständiger Stamm des Thier- reichs zu betrachten, und namentlich gänzlich von den Pflanzenthieren oder Cölenteraten zu trennen, mit denen sie noch jetzt oft irrthümlich als Strahlthiere oder Radiaten zusammengefaßt werden (so z. B. von Agassiz, welcher auch diesen Jrrthum Cuvier's neben manchen an- deren noch heute vertheidigt). Eher als mit den Pflanzenthieren könnte man die Sternthiere mit den Würmern oder selbst mit den Glied- füßern vereinigen.
Alle Echinodermen sind ausgezeichnet und zugleich von allen an- deren Thieren verschieden durch einen sehr merkwürdigen Bewegungs- apparat. Dieser besteht in einem verwickelten System von Canälen oder Röhren, die von außen mit Seewasser gefüllt werden. Das Seewasser wird in dieser Wasserleitung theils durch schlagende Wim- perhaare, theils durch Zusammenziehungen der muskulösen Röhren- wände selbst, die Gummischläuchen vergleichbar sind, fortbewegt. Aus den Röhren wird das Wasser in sehr zahlreiche hohle Füßchen hinein gepreßt, welche dadurch prall ausgedehnt und nun zum Ge- hen und zum Ansaugen benutzt werden. Außerdem sind die Stern- thiere auch durch eine eigenthümliche Verkalkung der Haut ausgezeichnet
Stamm der Sternthiere oder Echinodermen.
ſche Reihenfolge Jhnen die vorſtehende Tabelle anfuͤhrt, liefern in ihrer hiſtoriſchen und ihrer entſprechenden ſyſtematiſchen Entwickelung man- nichfache Beweiſe fuͤr die Guͤltigkeit des Fortſchrittsgeſetzes. Da je- doch dieſe untergeordneten Molluskengruppen an ſich weiter von keinem beſonderen Jntereſſe ſind, verweiſe ich Sie auf den ausfuͤhrlicheren Stammbaum der Weichthiere, welchen ich in meiner generellen Mor- phologie gegeben habe, und wende mich ſogleich weiter zur Betrach- tung des Sternthierſtammes.
Die Sternthiere(Echinoderma), zu welchen die vier Klaſſen der Seeſterne, Seelilien, Seeigel und Seewalzen gehoͤren, ſind eine der intereſſanteſten, und dennoch eine der wenigſt bekannten Abthei- lungen des Thierreichs. Jeder von Jhnen, der einmal an der See war, wird wenigſtens zwei Formen derſelben, die Seeſterne und See- igel, geſehen haben. Wegen ihrer ſehr eigenthuͤmlichen Organiſation ſind die Sternthiere als ein ganz ſelbſtſtaͤndiger Stamm des Thier- reichs zu betrachten, und namentlich gaͤnzlich von den Pflanzenthieren oder Coͤlenteraten zu trennen, mit denen ſie noch jetzt oft irrthuͤmlich als Strahlthiere oder Radiaten zuſammengefaßt werden (ſo z. B. von Agaſſiz, welcher auch dieſen Jrrthum Cuvier’s neben manchen an- deren noch heute vertheidigt). Eher als mit den Pflanzenthieren koͤnnte man die Sternthiere mit den Wuͤrmern oder ſelbſt mit den Glied- fuͤßern vereinigen.
Alle Echinodermen ſind ausgezeichnet und zugleich von allen an- deren Thieren verſchieden durch einen ſehr merkwuͤrdigen Bewegungs- apparat. Dieſer beſteht in einem verwickelten Syſtem von Canaͤlen oder Roͤhren, die von außen mit Seewaſſer gefuͤllt werden. Das Seewaſſer wird in dieſer Waſſerleitung theils durch ſchlagende Wim- perhaare, theils durch Zuſammenziehungen der muskuloͤſen Roͤhren- waͤnde ſelbſt, die Gummiſchlaͤuchen vergleichbar ſind, fortbewegt. Aus den Roͤhren wird das Waſſer in ſehr zahlreiche hohle Fuͤßchen hinein gepreßt, welche dadurch prall ausgedehnt und nun zum Ge- hen und zum Anſaugen benutzt werden. Außerdem ſind die Stern- thiere auch durch eine eigenthuͤmliche Verkalkung der Haut ausgezeichnet
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Stamm der Sternthiere oder Echinodermen.
ſche Reihenfolge Jhnen die vorſtehende Tabelle anfuͤhrt, liefern in ihrer
hiſtoriſchen und ihrer entſprechenden ſyſtematiſchen Entwickelung man-
nichfache Beweiſe fuͤr die Guͤltigkeit des Fortſchrittsgeſetzes. Da je-
doch dieſe untergeordneten Molluskengruppen an ſich weiter von keinem
beſonderen Jntereſſe ſind, verweiſe ich Sie auf den ausfuͤhrlicheren
Stammbaum der Weichthiere, welchen ich in meiner generellen Mor-
phologie gegeben habe, und wende mich ſogleich weiter zur Betrach-
tung des Sternthierſtammes.
Die Sternthiere (Echinoderma), zu welchen die vier Klaſſen
der Seeſterne, Seelilien, Seeigel und Seewalzen gehoͤren, ſind eine
der intereſſanteſten, und dennoch eine der wenigſt bekannten Abthei-
lungen des Thierreichs. Jeder von Jhnen, der einmal an der See
war, wird wenigſtens zwei Formen derſelben, die Seeſterne und See-
igel, geſehen haben. Wegen ihrer ſehr eigenthuͤmlichen Organiſation
ſind die Sternthiere als ein ganz ſelbſtſtaͤndiger Stamm des Thier-
reichs zu betrachten, und namentlich gaͤnzlich von den Pflanzenthieren
oder Coͤlenteraten zu trennen, mit denen ſie noch jetzt oft irrthuͤmlich
als Strahlthiere oder Radiaten zuſammengefaßt werden (ſo z. B. von
Agaſſiz, welcher auch dieſen Jrrthum Cuvier’s neben manchen an-
deren noch heute vertheidigt). Eher als mit den Pflanzenthieren koͤnnte
man die Sternthiere mit den Wuͤrmern oder ſelbſt mit den Glied-
fuͤßern vereinigen.
Alle Echinodermen ſind ausgezeichnet und zugleich von allen an-
deren Thieren verſchieden durch einen ſehr merkwuͤrdigen Bewegungs-
apparat. Dieſer beſteht in einem verwickelten Syſtem von Canaͤlen
oder Roͤhren, die von außen mit Seewaſſer gefuͤllt werden. Das
Seewaſſer wird in dieſer Waſſerleitung theils durch ſchlagende Wim-
perhaare, theils durch Zuſammenziehungen der muskuloͤſen Roͤhren-
waͤnde ſelbſt, die Gummiſchlaͤuchen vergleichbar ſind, fortbewegt.
Aus den Roͤhren wird das Waſſer in ſehr zahlreiche hohle Fuͤßchen
hinein gepreßt, welche dadurch prall ausgedehnt und nun zum Ge-
hen und zum Anſaugen benutzt werden. Außerdem ſind die Stern-
thiere auch durch eine eigenthuͤmliche Verkalkung der Haut ausgezeichnet
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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