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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Laubmose oder Phyllobryen. Torfmose oder Sphagnaceen.
los die Wälder abgeholzt und ausgerodet hat, da verschwinden mit
den Bäumen auch die Laubmose, welche ihre Rinde bedeckten oder im
Schutze ihres Schattens den Boden bekleideten und die Lücken zwi-
schen den größeren Gewächsen ausfüllten. Mit den Laubmosen ver-
schwinden aber auch die nützlichen Wasserbehälter, welche Regen und
Thau sammelten und für die Zeiten der Trockniß aufbewahrten. Es
entsteht dadurch eine trostlose Dürre des Bodens, welche das Auf-
kommen jeder ergiebigen Vegetation vereitelt. Jn dem größten Theile
Südeuropas, in Griechenland, Jtalien, Sicilien, Spanien sind durch
die rücksichtslose Ausrodung der Wälder die Mose vernichtet und da-
durch der Boden seiner nützlichsten Feuchtigkeitsvorräthe beraubt wor-
den; die vormals blühendsten und üppigsten Landstriche sind in dürre,
öde Wüsten verwandelt. Leider nimmt auch in Deutschland neuer-
dings diese rohe Barbarei immer mehr überhand. Wahrscheinlich
haben die kleinen Laubmose jene außerordentlich wichtige Rolle schon
seit sehr langer Zeit, vielleicht seit Beginn der Primärzeit gespielt. Da
aber ihre zarten Leiber ebenso wenig wie die der übrigen Mose für
die deutliche Erhaltung im fossilen Zustande geeignet sind, so kann
uns auch hierüber die Paläontologie keine Auskunft geben.

Als einen besonderen Zweig der Laubmosklasse haben wir endlich
die vierte und letzte Mosklasse zu betrachten, die Torfmose (Spha-
gnaceae
oder Sphagnobrya). Wahrscheinlich haben sich dieselben
aus einer Abtheilung der Laubmose, vielleicht aber auch direkt aus
den Lebermosen entwickelt. Auch von dieser Klasse verräth uns die
Versteinerungskunde nicht den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Auch
diese Mose sind trotz ihres unscheinbaren Aeußeren doch durch ihr
massenhaftes Wachsthum für den Naturhaushalt von größter Wich-
tigkeit. Jndem ihre abgestorbenen Leiber auf dem Sumpf- und Moor-
boden, in dem sie wachsen, sich in vielen Generationen über einander
häufen, bilden sie den Torf, der für die Bodenbildung vieler Ge-
genden von höchster Bedeutung ist.

Weit mehr als von den Mosen wissen wir durch die Versteine-
rungskunde von der außerordentlichen Bedeutung, welche die zweite

Laubmoſe oder Phyllobryen. Torfmoſe oder Sphagnaceen.
los die Waͤlder abgeholzt und ausgerodet hat, da verſchwinden mit
den Baͤumen auch die Laubmoſe, welche ihre Rinde bedeckten oder im
Schutze ihres Schattens den Boden bekleideten und die Luͤcken zwi-
ſchen den groͤßeren Gewaͤchſen ausfuͤllten. Mit den Laubmoſen ver-
ſchwinden aber auch die nuͤtzlichen Waſſerbehaͤlter, welche Regen und
Thau ſammelten und fuͤr die Zeiten der Trockniß aufbewahrten. Es
entſteht dadurch eine troſtloſe Duͤrre des Bodens, welche das Auf-
kommen jeder ergiebigen Vegetation vereitelt. Jn dem groͤßten Theile
Suͤdeuropas, in Griechenland, Jtalien, Sicilien, Spanien ſind durch
die ruͤckſichtsloſe Ausrodung der Waͤlder die Moſe vernichtet und da-
durch der Boden ſeiner nuͤtzlichſten Feuchtigkeitsvorraͤthe beraubt wor-
den; die vormals bluͤhendſten und uͤppigſten Landſtriche ſind in duͤrre,
oͤde Wuͤſten verwandelt. Leider nimmt auch in Deutſchland neuer-
dings dieſe rohe Barbarei immer mehr uͤberhand. Wahrſcheinlich
haben die kleinen Laubmoſe jene außerordentlich wichtige Rolle ſchon
ſeit ſehr langer Zeit, vielleicht ſeit Beginn der Primaͤrzeit geſpielt. Da
aber ihre zarten Leiber ebenſo wenig wie die der uͤbrigen Moſe fuͤr
die deutliche Erhaltung im foſſilen Zuſtande geeignet ſind, ſo kann
uns auch hieruͤber die Palaͤontologie keine Auskunft geben.

Als einen beſonderen Zweig der Laubmosklaſſe haben wir endlich
die vierte und letzte Mosklaſſe zu betrachten, die Torfmoſe (Spha-
gnaceae
oder Sphagnobrya). Wahrſcheinlich haben ſich dieſelben
aus einer Abtheilung der Laubmoſe, vielleicht aber auch direkt aus
den Lebermoſen entwickelt. Auch von dieſer Klaſſe verraͤth uns die
Verſteinerungskunde nicht den Zeitpunkt ihrer Entſtehung. Auch
dieſe Moſe ſind trotz ihres unſcheinbaren Aeußeren doch durch ihr
maſſenhaftes Wachsthum fuͤr den Naturhaushalt von groͤßter Wich-
tigkeit. Jndem ihre abgeſtorbenen Leiber auf dem Sumpf- und Moor-
boden, in dem ſie wachſen, ſich in vielen Generationen uͤber einander
haͤufen, bilden ſie den Torf, der fuͤr die Bodenbildung vieler Ge-
genden von hoͤchſter Bedeutung iſt.

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[366/0391] Laubmoſe oder Phyllobryen. Torfmoſe oder Sphagnaceen. los die Waͤlder abgeholzt und ausgerodet hat, da verſchwinden mit den Baͤumen auch die Laubmoſe, welche ihre Rinde bedeckten oder im Schutze ihres Schattens den Boden bekleideten und die Luͤcken zwi- ſchen den groͤßeren Gewaͤchſen ausfuͤllten. Mit den Laubmoſen ver- ſchwinden aber auch die nuͤtzlichen Waſſerbehaͤlter, welche Regen und Thau ſammelten und fuͤr die Zeiten der Trockniß aufbewahrten. Es entſteht dadurch eine troſtloſe Duͤrre des Bodens, welche das Auf- kommen jeder ergiebigen Vegetation vereitelt. Jn dem groͤßten Theile Suͤdeuropas, in Griechenland, Jtalien, Sicilien, Spanien ſind durch die ruͤckſichtsloſe Ausrodung der Waͤlder die Moſe vernichtet und da- durch der Boden ſeiner nuͤtzlichſten Feuchtigkeitsvorraͤthe beraubt wor- den; die vormals bluͤhendſten und uͤppigſten Landſtriche ſind in duͤrre, oͤde Wuͤſten verwandelt. Leider nimmt auch in Deutſchland neuer- dings dieſe rohe Barbarei immer mehr uͤberhand. Wahrſcheinlich haben die kleinen Laubmoſe jene außerordentlich wichtige Rolle ſchon ſeit ſehr langer Zeit, vielleicht ſeit Beginn der Primaͤrzeit geſpielt. Da aber ihre zarten Leiber ebenſo wenig wie die der uͤbrigen Moſe fuͤr die deutliche Erhaltung im foſſilen Zuſtande geeignet ſind, ſo kann uns auch hieruͤber die Palaͤontologie keine Auskunft geben. Als einen beſonderen Zweig der Laubmosklaſſe haben wir endlich die vierte und letzte Mosklaſſe zu betrachten, die Torfmoſe (Spha- gnaceae oder Sphagnobrya). Wahrſcheinlich haben ſich dieſelben aus einer Abtheilung der Laubmoſe, vielleicht aber auch direkt aus den Lebermoſen entwickelt. Auch von dieſer Klaſſe verraͤth uns die Verſteinerungskunde nicht den Zeitpunkt ihrer Entſtehung. Auch dieſe Moſe ſind trotz ihres unſcheinbaren Aeußeren doch durch ihr maſſenhaftes Wachsthum fuͤr den Naturhaushalt von groͤßter Wich- tigkeit. Jndem ihre abgeſtorbenen Leiber auf dem Sumpf- und Moor- boden, in dem ſie wachſen, ſich in vielen Generationen uͤber einander haͤufen, bilden ſie den Torf, der fuͤr die Bodenbildung vieler Ge- genden von hoͤchſter Bedeutung iſt. Weit mehr als von den Moſen wiſſen wir durch die Verſteine- rungskunde von der außerordentlichen Bedeutung, welche die zweite

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/391>, abgerufen am 23.11.2024.