Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Bedeutung der eiweißartigen Kohlenstoffverbindungen.
wichtigen Verbindungen, welche wir als das erste und unentbehrlichste
Substrat aller Lebenserscheinungen kennen gelernt haben, die eiweiß-
artigen Verbindungen oder Albuminkörper (Proteinstoffe). Schon
früher (S. 142) haben wir in den Moneren Organismen der aller-
einfachsten Art kennen gelernt, deren ganzer Körper in vollkommen
ausgebildetem Zustande aus weiter Nichts besteht, als aus einem fest-
flüssigen eiweißartigen Klümpchen, Organismen, welche für die Lehre
von der ersten Entstehung des Lebens von der allergrößten Bedeutung
sind. Aber auch die meisten übrigen Organismen sind zu einer ge-
wissen Zeit ihrer Existenz, wenigstens in der ersten Zeit ihres Lebens,
als Eizellen oder Keimzellen, im Wesentlichen weiter Nichts als ein-
fache Klümpchen eines solchen eiweißartigen Bildungsstoffes, des
Plasma oder Protoplasma. Sie sind dann von den Moneren
nur dadurch verschieden, daß im Jnneren des eiweißartigen Körper-
chens sich der Zellenkern (Nucleus) von dem umgebenden Zellstoff
(Protoplasma) gesondert hat. Wie wir schon früher zeigten, sind
Zellen von ganz einfacher Beschaffenheit die Staatsbürger, welche
durch ihr Zusammenwirken und ihre Sonderung den Körper auch
der vollkommensten Organismen, einen republikanischen Zellenstaat,
aufbauen (S. 246). Die entwickelten Formen und Lebenserschei-
nungen des letzteren werden lediglich durch die Thätigkeit jener eiweiß-
artigen Körperchen zu Stande gebracht.

Es darf als einer der größten Triumphe der neueren Biologie,
insbesondere der Gewebelehre angesehen werden, daß wir jetzt im
Stande sind, das Wunder der Lebenserscheinungen auf diese Stoffe
zurückzuführen, daß wir die unendlich mannichfaltigen und
verwickelten physikalischen und chemischen Eigen-
schaften der Eiweißkörper als die eigentliche Ursache
der organischen oder Lebenserscheinungen
nachgewiesen
haben. Alle verschiedenen Formen der Organismen sind zunächst und
unmittelbar das Resultat der Zusammensetzung aus verschiedenen
Formen von Zellen. Die unendlich mannichfaltigen Verschiedenheiten
in der Form, Größe und Zusammensetzung der Zellen sind aber erst

Bedeutung der eiweißartigen Kohlenſtoffverbindungen.
wichtigen Verbindungen, welche wir als das erſte und unentbehrlichſte
Subſtrat aller Lebenserſcheinungen kennen gelernt haben, die eiweiß-
artigen Verbindungen oder Albuminkoͤrper (Proteinſtoffe). Schon
fruͤher (S. 142) haben wir in den Moneren Organismen der aller-
einfachſten Art kennen gelernt, deren ganzer Koͤrper in vollkommen
ausgebildetem Zuſtande aus weiter Nichts beſteht, als aus einem feſt-
fluͤſſigen eiweißartigen Kluͤmpchen, Organismen, welche fuͤr die Lehre
von der erſten Entſtehung des Lebens von der allergroͤßten Bedeutung
ſind. Aber auch die meiſten uͤbrigen Organismen ſind zu einer ge-
wiſſen Zeit ihrer Exiſtenz, wenigſtens in der erſten Zeit ihres Lebens,
als Eizellen oder Keimzellen, im Weſentlichen weiter Nichts als ein-
fache Kluͤmpchen eines ſolchen eiweißartigen Bildungsſtoffes, des
Plasma oder Protoplasma. Sie ſind dann von den Moneren
nur dadurch verſchieden, daß im Jnneren des eiweißartigen Koͤrper-
chens ſich der Zellenkern (Nucleus) von dem umgebenden Zellſtoff
(Protoplasma) geſondert hat. Wie wir ſchon fruͤher zeigten, ſind
Zellen von ganz einfacher Beſchaffenheit die Staatsbuͤrger, welche
durch ihr Zuſammenwirken und ihre Sonderung den Koͤrper auch
der vollkommenſten Organismen, einen republikaniſchen Zellenſtaat,
aufbauen (S. 246). Die entwickelten Formen und Lebenserſchei-
nungen des letzteren werden lediglich durch die Thaͤtigkeit jener eiweiß-
artigen Koͤrperchen zu Stande gebracht.

Es darf als einer der groͤßten Triumphe der neueren Biologie,
insbeſondere der Gewebelehre angeſehen werden, daß wir jetzt im
Stande ſind, das Wunder der Lebenserſcheinungen auf dieſe Stoffe
zuruͤckzufuͤhren, daß wir die unendlich mannichfaltigen und
verwickelten phyſikaliſchen und chemiſchen Eigen-
ſchaften der Eiweißkoͤrper als die eigentliche Urſache
der organiſchen oder Lebenserſcheinungen
nachgewieſen
haben. Alle verſchiedenen Formen der Organismen ſind zunaͤchſt und
unmittelbar das Reſultat der Zuſammenſetzung aus verſchiedenen
Formen von Zellen. Die unendlich mannichfaltigen Verſchiedenheiten
in der Form, Groͤße und Zuſammenſetzung der Zellen ſind aber erſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0297" n="272"/><fw place="top" type="header">Bedeutung der eiweißartigen Kohlen&#x017F;toffverbindungen.</fw><lb/>
wichtigen Verbindungen, welche wir als das er&#x017F;te und unentbehrlich&#x017F;te<lb/>
Sub&#x017F;trat aller Lebenser&#x017F;cheinungen kennen gelernt haben, die eiweiß-<lb/>
artigen Verbindungen oder Albuminko&#x0364;rper (Protein&#x017F;toffe). Schon<lb/>
fru&#x0364;her (S. 142) haben wir in den <hi rendition="#g">Moneren</hi> Organismen der aller-<lb/>
einfach&#x017F;ten Art kennen gelernt, deren ganzer Ko&#x0364;rper in vollkommen<lb/>
ausgebildetem Zu&#x017F;tande aus weiter Nichts be&#x017F;teht, als aus einem fe&#x017F;t-<lb/>
flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen eiweißartigen Klu&#x0364;mpchen, Organismen, welche fu&#x0364;r die Lehre<lb/>
von der er&#x017F;ten Ent&#x017F;tehung des Lebens von der allergro&#x0364;ßten Bedeutung<lb/>
&#x017F;ind. Aber auch die mei&#x017F;ten u&#x0364;brigen Organismen &#x017F;ind zu einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Zeit ihrer Exi&#x017F;tenz, wenig&#x017F;tens in der er&#x017F;ten Zeit ihres Lebens,<lb/>
als Eizellen oder Keimzellen, im We&#x017F;entlichen weiter Nichts als ein-<lb/>
fache Klu&#x0364;mpchen eines &#x017F;olchen eiweißartigen Bildungs&#x017F;toffes, des<lb/><hi rendition="#g">Plasma oder Protoplasma.</hi> Sie &#x017F;ind dann von den Moneren<lb/>
nur dadurch ver&#x017F;chieden, daß im Jnneren des eiweißartigen Ko&#x0364;rper-<lb/>
chens &#x017F;ich der Zellenkern (Nucleus) von dem umgebenden Zell&#x017F;toff<lb/>
(Protoplasma) ge&#x017F;ondert hat. Wie wir &#x017F;chon fru&#x0364;her zeigten, &#x017F;ind<lb/>
Zellen von ganz einfacher Be&#x017F;chaffenheit die Staatsbu&#x0364;rger, welche<lb/>
durch ihr Zu&#x017F;ammenwirken und ihre Sonderung den Ko&#x0364;rper auch<lb/>
der vollkommen&#x017F;ten Organismen, einen republikani&#x017F;chen Zellen&#x017F;taat,<lb/>
aufbauen (S. 246). Die entwickelten Formen und Lebenser&#x017F;chei-<lb/>
nungen des letzteren werden lediglich durch die Tha&#x0364;tigkeit jener eiweiß-<lb/>
artigen Ko&#x0364;rperchen zu Stande gebracht.</p><lb/>
        <p>Es darf als einer der gro&#x0364;ßten Triumphe der neueren Biologie,<lb/>
insbe&#x017F;ondere der Gewebelehre ange&#x017F;ehen werden, daß wir jetzt im<lb/>
Stande &#x017F;ind, das Wunder der Lebenser&#x017F;cheinungen auf die&#x017F;e Stoffe<lb/>
zuru&#x0364;ckzufu&#x0364;hren, daß wir <hi rendition="#g">die unendlich mannichfaltigen und<lb/>
verwickelten phy&#x017F;ikali&#x017F;chen und chemi&#x017F;chen Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften der Eiweißko&#x0364;rper als die eigentliche Ur&#x017F;ache<lb/>
der organi&#x017F;chen oder Lebenser&#x017F;cheinungen</hi> nachgewie&#x017F;en<lb/>
haben. Alle ver&#x017F;chiedenen Formen der Organismen &#x017F;ind zuna&#x0364;ch&#x017F;t und<lb/>
unmittelbar das Re&#x017F;ultat der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung aus ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Formen von Zellen. Die unendlich mannichfaltigen Ver&#x017F;chiedenheiten<lb/>
in der Form, Gro&#x0364;ße und Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Zellen &#x017F;ind aber er&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0297] Bedeutung der eiweißartigen Kohlenſtoffverbindungen. wichtigen Verbindungen, welche wir als das erſte und unentbehrlichſte Subſtrat aller Lebenserſcheinungen kennen gelernt haben, die eiweiß- artigen Verbindungen oder Albuminkoͤrper (Proteinſtoffe). Schon fruͤher (S. 142) haben wir in den Moneren Organismen der aller- einfachſten Art kennen gelernt, deren ganzer Koͤrper in vollkommen ausgebildetem Zuſtande aus weiter Nichts beſteht, als aus einem feſt- fluͤſſigen eiweißartigen Kluͤmpchen, Organismen, welche fuͤr die Lehre von der erſten Entſtehung des Lebens von der allergroͤßten Bedeutung ſind. Aber auch die meiſten uͤbrigen Organismen ſind zu einer ge- wiſſen Zeit ihrer Exiſtenz, wenigſtens in der erſten Zeit ihres Lebens, als Eizellen oder Keimzellen, im Weſentlichen weiter Nichts als ein- fache Kluͤmpchen eines ſolchen eiweißartigen Bildungsſtoffes, des Plasma oder Protoplasma. Sie ſind dann von den Moneren nur dadurch verſchieden, daß im Jnneren des eiweißartigen Koͤrper- chens ſich der Zellenkern (Nucleus) von dem umgebenden Zellſtoff (Protoplasma) geſondert hat. Wie wir ſchon fruͤher zeigten, ſind Zellen von ganz einfacher Beſchaffenheit die Staatsbuͤrger, welche durch ihr Zuſammenwirken und ihre Sonderung den Koͤrper auch der vollkommenſten Organismen, einen republikaniſchen Zellenſtaat, aufbauen (S. 246). Die entwickelten Formen und Lebenserſchei- nungen des letzteren werden lediglich durch die Thaͤtigkeit jener eiweiß- artigen Koͤrperchen zu Stande gebracht. Es darf als einer der groͤßten Triumphe der neueren Biologie, insbeſondere der Gewebelehre angeſehen werden, daß wir jetzt im Stande ſind, das Wunder der Lebenserſcheinungen auf dieſe Stoffe zuruͤckzufuͤhren, daß wir die unendlich mannichfaltigen und verwickelten phyſikaliſchen und chemiſchen Eigen- ſchaften der Eiweißkoͤrper als die eigentliche Urſache der organiſchen oder Lebenserſcheinungen nachgewieſen haben. Alle verſchiedenen Formen der Organismen ſind zunaͤchſt und unmittelbar das Reſultat der Zuſammenſetzung aus verſchiedenen Formen von Zellen. Die unendlich mannichfaltigen Verſchiedenheiten in der Form, Groͤße und Zuſammenſetzung der Zellen ſind aber erſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/297
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/297>, abgerufen am 24.11.2024.