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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Erste Entstehung der Berge und des Wassers.
der ganze Erddurchmesser sich verkleinerte, mußte die dünne starre
Rinde, welche der weicheren Kernmasse nicht nachfolgen konnte, über
derselben vielfach zusammenbrechen. Es würde zwischen beiden ein
leerer Raum entstanden sein, wenn nicht der äußere Atmosphärendruck
die zerbrechliche Rinde nach innen hinein gedrückt hätte. Andere Un-
ebenheiten entstanden wahrscheinlich dadurch, daß an verschiedenen
Stellen die soeben erstarrte und abgekühlte Rinde selbst sich zusam-
menzog und Sprünge oder Risse bekam. Der feurigflüssige Kern
quoll von Neuem durch diese Sprünge hervor und erstarrte abermals.
So entstanden schon frühzeitig mancherlei Erhöhungen und Vertiefun-
gen, welche die ersten Grundlagen der Berge und der Thäler wurden.

Nachdem die Temperatur des abgekühlten Erdballs bis auf
einen gewissen Grad gesunken war, erfolgte ein sehr wichtiger neuer
Vorgang, nämlich die erste Entstehung des Wassers. Das
Wasser war bisher nur in Dampfform in der den Erdball umgebenden
Atmosphäre vorhanden gewesen. Offenbar konnte das Wasser sich
erst zu tropfbarflüssigem Zustande verdichten, nachdem die Temperatur
der Athmosphäre bedeutend gesunken war. Nun begann die weitere
Umbildung der Erdrinde durch die Kraft des Wassers. Jndem dasselbe
beständig in Form von Regen niederfiel, hierbei die Erhöhungen der
Erdrinde abspülte, die Vertiefungen durch den abgespülten Schlamm
ausfüllte, und diesen schichtenweise ablagerte, bewirkte es die außer-
ordentlich wichtigen neptunischen Umbildungen der Erdrinde, welche
seitdem ununterbrochen fortdauerten, und auf welche wir im nächsten
Vortrage noch einen näheren Blick werfen werden (Vergl. oben S. 48).

Erst nachdem die Erdrinde so weit abgekühlt war, daß das
Wasser sich zu tropfbarer Form verdichtet hatte, erst als die bis da-
hin trockene Erdkruste zum ersten Male von flüssigem Wasser bedeckt
wurde, konnte die Entstehung der ersten Organismen erfolgen. Denn
alle Thiere und alle Pflanzen, alle Organismen überhaupt bestehen
zum großen Theile oder zum größten Theile aus tropfbarflüssigem
Wasser, welches mit anderen Materien in eigenthümlicher Weise sich
verbindet, und diese in den festflüssigen Aggregatzustand versetzt. Wir

Erſte Entſtehung der Berge und des Waſſers.
der ganze Erddurchmeſſer ſich verkleinerte, mußte die duͤnne ſtarre
Rinde, welche der weicheren Kernmaſſe nicht nachfolgen konnte, uͤber
derſelben vielfach zuſammenbrechen. Es wuͤrde zwiſchen beiden ein
leerer Raum entſtanden ſein, wenn nicht der aͤußere Atmoſphaͤrendruck
die zerbrechliche Rinde nach innen hinein gedruͤckt haͤtte. Andere Un-
ebenheiten entſtanden wahrſcheinlich dadurch, daß an verſchiedenen
Stellen die ſoeben erſtarrte und abgekuͤhlte Rinde ſelbſt ſich zuſam-
menzog und Spruͤnge oder Riſſe bekam. Der feurigfluͤſſige Kern
quoll von Neuem durch dieſe Spruͤnge hervor und erſtarrte abermals.
So entſtanden ſchon fruͤhzeitig mancherlei Erhoͤhungen und Vertiefun-
gen, welche die erſten Grundlagen der Berge und der Thaͤler wurden.

Nachdem die Temperatur des abgekuͤhlten Erdballs bis auf
einen gewiſſen Grad geſunken war, erfolgte ein ſehr wichtiger neuer
Vorgang, naͤmlich die erſte Entſtehung des Waſſers. Das
Waſſer war bisher nur in Dampfform in der den Erdball umgebenden
Atmoſphaͤre vorhanden geweſen. Offenbar konnte das Waſſer ſich
erſt zu tropfbarfluͤſſigem Zuſtande verdichten, nachdem die Temperatur
der Athmoſphaͤre bedeutend geſunken war. Nun begann die weitere
Umbildung der Erdrinde durch die Kraft des Waſſers. Jndem daſſelbe
beſtaͤndig in Form von Regen niederfiel, hierbei die Erhoͤhungen der
Erdrinde abſpuͤlte, die Vertiefungen durch den abgeſpuͤlten Schlamm
ausfuͤllte, und dieſen ſchichtenweiſe ablagerte, bewirkte es die außer-
ordentlich wichtigen neptuniſchen Umbildungen der Erdrinde, welche
ſeitdem ununterbrochen fortdauerten, und auf welche wir im naͤchſten
Vortrage noch einen naͤheren Blick werfen werden (Vergl. oben S. 48).

Erſt nachdem die Erdrinde ſo weit abgekuͤhlt war, daß das
Waſſer ſich zu tropfbarer Form verdichtet hatte, erſt als die bis da-
hin trockene Erdkruſte zum erſten Male von fluͤſſigem Waſſer bedeckt
wurde, konnte die Entſtehung der erſten Organismen erfolgen. Denn
alle Thiere und alle Pflanzen, alle Organismen uͤberhaupt beſtehen
zum großen Theile oder zum groͤßten Theile aus tropfbarfluͤſſigem
Waſſer, welches mit anderen Materien in eigenthuͤmlicher Weiſe ſich
verbindet, und dieſe in den feſtfluͤſſigen Aggregatzuſtand verſetzt. Wir

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[268/0293] Erſte Entſtehung der Berge und des Waſſers. der ganze Erddurchmeſſer ſich verkleinerte, mußte die duͤnne ſtarre Rinde, welche der weicheren Kernmaſſe nicht nachfolgen konnte, uͤber derſelben vielfach zuſammenbrechen. Es wuͤrde zwiſchen beiden ein leerer Raum entſtanden ſein, wenn nicht der aͤußere Atmoſphaͤrendruck die zerbrechliche Rinde nach innen hinein gedruͤckt haͤtte. Andere Un- ebenheiten entſtanden wahrſcheinlich dadurch, daß an verſchiedenen Stellen die ſoeben erſtarrte und abgekuͤhlte Rinde ſelbſt ſich zuſam- menzog und Spruͤnge oder Riſſe bekam. Der feurigfluͤſſige Kern quoll von Neuem durch dieſe Spruͤnge hervor und erſtarrte abermals. So entſtanden ſchon fruͤhzeitig mancherlei Erhoͤhungen und Vertiefun- gen, welche die erſten Grundlagen der Berge und der Thaͤler wurden. Nachdem die Temperatur des abgekuͤhlten Erdballs bis auf einen gewiſſen Grad geſunken war, erfolgte ein ſehr wichtiger neuer Vorgang, naͤmlich die erſte Entſtehung des Waſſers. Das Waſſer war bisher nur in Dampfform in der den Erdball umgebenden Atmoſphaͤre vorhanden geweſen. Offenbar konnte das Waſſer ſich erſt zu tropfbarfluͤſſigem Zuſtande verdichten, nachdem die Temperatur der Athmoſphaͤre bedeutend geſunken war. Nun begann die weitere Umbildung der Erdrinde durch die Kraft des Waſſers. Jndem daſſelbe beſtaͤndig in Form von Regen niederfiel, hierbei die Erhoͤhungen der Erdrinde abſpuͤlte, die Vertiefungen durch den abgeſpuͤlten Schlamm ausfuͤllte, und dieſen ſchichtenweiſe ablagerte, bewirkte es die außer- ordentlich wichtigen neptuniſchen Umbildungen der Erdrinde, welche ſeitdem ununterbrochen fortdauerten, und auf welche wir im naͤchſten Vortrage noch einen naͤheren Blick werfen werden (Vergl. oben S. 48). Erſt nachdem die Erdrinde ſo weit abgekuͤhlt war, daß das Waſſer ſich zu tropfbarer Form verdichtet hatte, erſt als die bis da- hin trockene Erdkruſte zum erſten Male von fluͤſſigem Waſſer bedeckt wurde, konnte die Entſtehung der erſten Organismen erfolgen. Denn alle Thiere und alle Pflanzen, alle Organismen uͤberhaupt beſtehen zum großen Theile oder zum groͤßten Theile aus tropfbarfluͤſſigem Waſſer, welches mit anderen Materien in eigenthuͤmlicher Weiſe ſich verbindet, und dieſe in den feſtfluͤſſigen Aggregatzuſtand verſetzt. Wir

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/293>, abgerufen am 24.11.2024.