Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Formbildung durch Verdichtung und Hüllenbildung.
gleichartige festflüssige Plasmasubstanz, welche einzig und allein den
Körper der ersten Organismen bildete, und ihn bei den Moneren
(S. 142) noch heute ganz allein bildet, ist vergleichbar der zähflüssigen
Planetensubstanz, welche alle verschiedenen Elemente oder Grundstoffe
der jugendlichen Erde, wie der übrigen glühenden Weltkörper noch
ungesondert enthielt. Durch Verdichtung entstanden an bestimmten
Stellen in dem Urmeere, welches die dazu erforderlichen Stoffe gelöst
enthielt, die ersten Moneren. Späterhin bildeten sich durch centrale
Verdichtung in dem homogenen Plasmakörper dieser Urorganismen
die ersten Kerne (Nuclei), und durch diesen Gegensatz von Plasma
und Kern entstanden die ersten wirklichen Zellen. Aber diese Zellen
waren noch nackte und hüllenlose, kernhaltige Plasmaklumpen. Jn-
dem sich die Oberfläche dieser festflüssigen Eiweißklumpen wieder-
um verdichtete, entstand eine umschließende Membran, und somit
durch Hüllenbildung die feste äußere Rinde, welche in dem Leben
vieler Zellen eine hervorragende Rolle spielt. Der Makrokosmos der
Planeten und der Mikrokosmos der Zellen nahm in gleicher Weise
den Ausgangspunkt seiner individuellen Entwickelung von den beiden
wichtigen Vorgängen der Verdichtung und der Hüllenbildung. Jn
beiden Fällen geschah die "Schöpfung" der Form nicht durch den
launenhaften Einfall eines persönlichen Schöpfers, sondern durch die
ureigene Kraft der sich selbst gestaltenden Materie. Anziehung und
Abstoßung, Centripetalkraft und Centrifugalkraft, Verdichtung und
Verdünnung der materiellen Theilchen sind die einzigen Schöpferkräfte,
welche hier die einfachen Fundamente des verwickelten Schöpfungs-
baues legten.

Für den Zweck dieser Vorträge hat es weiter kein besonderes Jn-
teresse, die "natürliche Schöpfungsgeschichte des Weltalls"
mit seinen verschiedenen Sonnensystemen und Planetensystemen im Ein-
zelnen zu verfolgen und durch alle verschiedenen astronomischen und geo-
logischen Beweismittel mathematisch zu begründen. Jch begnüge mich
daher mit den eben angeführten Grundzügen derselben und verweise Sie
bezüglich des Näheren auf Kant's klassische "Allgemeine Naturgeschichte

Formbildung durch Verdichtung und Huͤllenbildung.
gleichartige feſtfluͤſſige Plasmaſubſtanz, welche einzig und allein den
Koͤrper der erſten Organismen bildete, und ihn bei den Moneren
(S. 142) noch heute ganz allein bildet, iſt vergleichbar der zaͤhfluͤſſigen
Planetenſubſtanz, welche alle verſchiedenen Elemente oder Grundſtoffe
der jugendlichen Erde, wie der uͤbrigen gluͤhenden Weltkoͤrper noch
ungeſondert enthielt. Durch Verdichtung entſtanden an beſtimmten
Stellen in dem Urmeere, welches die dazu erforderlichen Stoffe geloͤſt
enthielt, die erſten Moneren. Spaͤterhin bildeten ſich durch centrale
Verdichtung in dem homogenen Plasmakoͤrper dieſer Urorganismen
die erſten Kerne (Nuclei), und durch dieſen Gegenſatz von Plasma
und Kern entſtanden die erſten wirklichen Zellen. Aber dieſe Zellen
waren noch nackte und huͤllenloſe, kernhaltige Plasmaklumpen. Jn-
dem ſich die Oberflaͤche dieſer feſtfluͤſſigen Eiweißklumpen wieder-
um verdichtete, entſtand eine umſchließende Membran, und ſomit
durch Huͤllenbildung die feſte aͤußere Rinde, welche in dem Leben
vieler Zellen eine hervorragende Rolle ſpielt. Der Makrokosmos der
Planeten und der Mikrokosmos der Zellen nahm in gleicher Weiſe
den Ausgangspunkt ſeiner individuellen Entwickelung von den beiden
wichtigen Vorgaͤngen der Verdichtung und der Huͤllenbildung. Jn
beiden Faͤllen geſchah die „Schoͤpfung“ der Form nicht durch den
launenhaften Einfall eines perſoͤnlichen Schoͤpfers, ſondern durch die
ureigene Kraft der ſich ſelbſt geſtaltenden Materie. Anziehung und
Abſtoßung, Centripetalkraft und Centrifugalkraft, Verdichtung und
Verduͤnnung der materiellen Theilchen ſind die einzigen Schoͤpferkraͤfte,
welche hier die einfachen Fundamente des verwickelten Schoͤpfungs-
baues legten.

Fuͤr den Zweck dieſer Vortraͤge hat es weiter kein beſonderes Jn-
tereſſe, die „natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte des Weltalls
mit ſeinen verſchiedenen Sonnenſyſtemen und Planetenſyſtemen im Ein-
zelnen zu verfolgen und durch alle verſchiedenen aſtronomiſchen und geo-
logiſchen Beweismittel mathematiſch zu begruͤnden. Jch begnuͤge mich
daher mit den eben angefuͤhrten Grundzuͤgen derſelben und verweiſe Sie
bezuͤglich des Naͤheren auf Kant’s klaſſiſche „Allgemeine Naturgeſchichte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="266"/><fw place="top" type="header">Formbildung durch Verdichtung und Hu&#x0364;llenbildung.</fw><lb/>
gleichartige fe&#x017F;tflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Plasma&#x017F;ub&#x017F;tanz, welche einzig und allein den<lb/>
Ko&#x0364;rper der er&#x017F;ten Organismen bildete, und ihn bei den Moneren<lb/>
(S. 142) noch heute ganz allein bildet, i&#x017F;t vergleichbar der za&#x0364;hflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen<lb/>
Planeten&#x017F;ub&#x017F;tanz, welche alle ver&#x017F;chiedenen Elemente oder Grund&#x017F;toffe<lb/>
der jugendlichen Erde, wie der u&#x0364;brigen glu&#x0364;henden Weltko&#x0364;rper noch<lb/>
unge&#x017F;ondert enthielt. Durch <hi rendition="#g">Verdichtung</hi> ent&#x017F;tanden an be&#x017F;timmten<lb/>
Stellen in dem Urmeere, welches die dazu erforderlichen Stoffe gelo&#x0364;&#x017F;t<lb/>
enthielt, die er&#x017F;ten Moneren. Spa&#x0364;terhin bildeten &#x017F;ich durch centrale<lb/>
Verdichtung in dem homogenen Plasmako&#x0364;rper die&#x017F;er Urorganismen<lb/>
die er&#x017F;ten <hi rendition="#g">Kerne</hi> <hi rendition="#aq">(Nuclei)</hi>, und durch die&#x017F;en Gegen&#x017F;atz von Plasma<lb/>
und Kern ent&#x017F;tanden die er&#x017F;ten wirklichen Zellen. Aber die&#x017F;e Zellen<lb/>
waren noch nackte und hu&#x0364;llenlo&#x017F;e, kernhaltige Plasmaklumpen. Jn-<lb/>
dem &#x017F;ich die Oberfla&#x0364;che die&#x017F;er fe&#x017F;tflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Eiweißklumpen wieder-<lb/>
um verdichtete, ent&#x017F;tand eine um&#x017F;chließende Membran, und &#x017F;omit<lb/>
durch <hi rendition="#g">Hu&#x0364;llenbildung</hi> die fe&#x017F;te a&#x0364;ußere Rinde, welche in dem Leben<lb/>
vieler Zellen eine hervorragende Rolle &#x017F;pielt. Der Makrokosmos der<lb/>
Planeten und der Mikrokosmos der Zellen nahm in gleicher Wei&#x017F;e<lb/>
den Ausgangspunkt &#x017F;einer individuellen Entwickelung von den beiden<lb/>
wichtigen Vorga&#x0364;ngen der Verdichtung und der Hu&#x0364;llenbildung. Jn<lb/>
beiden Fa&#x0364;llen ge&#x017F;chah die &#x201E;<hi rendition="#g">Scho&#x0364;pfung</hi>&#x201C; der Form nicht durch den<lb/>
launenhaften Einfall eines per&#x017F;o&#x0364;nlichen Scho&#x0364;pfers, &#x017F;ondern durch die<lb/>
ureigene Kraft der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;taltenden Materie. Anziehung und<lb/>
Ab&#x017F;toßung, Centripetalkraft und Centrifugalkraft, Verdichtung und<lb/>
Verdu&#x0364;nnung der materiellen Theilchen &#x017F;ind die einzigen Scho&#x0364;pferkra&#x0364;fte,<lb/>
welche hier die einfachen Fundamente des verwickelten Scho&#x0364;pfungs-<lb/>
baues legten.</p><lb/>
        <p>Fu&#x0364;r den Zweck die&#x017F;er Vortra&#x0364;ge hat es weiter kein be&#x017F;onderes Jn-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e, die &#x201E;<hi rendition="#g">natu&#x0364;rliche Scho&#x0364;pfungsge&#x017F;chichte des Weltalls</hi>&#x201C;<lb/>
mit &#x017F;einen ver&#x017F;chiedenen Sonnen&#x017F;y&#x017F;temen und Planeten&#x017F;y&#x017F;temen im Ein-<lb/>
zelnen zu verfolgen und durch alle ver&#x017F;chiedenen a&#x017F;tronomi&#x017F;chen und geo-<lb/>
logi&#x017F;chen Beweismittel mathemati&#x017F;ch zu begru&#x0364;nden. Jch begnu&#x0364;ge mich<lb/>
daher mit den eben angefu&#x0364;hrten Grundzu&#x0364;gen der&#x017F;elben und verwei&#x017F;e Sie<lb/>
bezu&#x0364;glich des Na&#x0364;heren auf <hi rendition="#g">Kant&#x2019;s</hi> kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che &#x201E;Allgemeine Naturge&#x017F;chichte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0291] Formbildung durch Verdichtung und Huͤllenbildung. gleichartige feſtfluͤſſige Plasmaſubſtanz, welche einzig und allein den Koͤrper der erſten Organismen bildete, und ihn bei den Moneren (S. 142) noch heute ganz allein bildet, iſt vergleichbar der zaͤhfluͤſſigen Planetenſubſtanz, welche alle verſchiedenen Elemente oder Grundſtoffe der jugendlichen Erde, wie der uͤbrigen gluͤhenden Weltkoͤrper noch ungeſondert enthielt. Durch Verdichtung entſtanden an beſtimmten Stellen in dem Urmeere, welches die dazu erforderlichen Stoffe geloͤſt enthielt, die erſten Moneren. Spaͤterhin bildeten ſich durch centrale Verdichtung in dem homogenen Plasmakoͤrper dieſer Urorganismen die erſten Kerne (Nuclei), und durch dieſen Gegenſatz von Plasma und Kern entſtanden die erſten wirklichen Zellen. Aber dieſe Zellen waren noch nackte und huͤllenloſe, kernhaltige Plasmaklumpen. Jn- dem ſich die Oberflaͤche dieſer feſtfluͤſſigen Eiweißklumpen wieder- um verdichtete, entſtand eine umſchließende Membran, und ſomit durch Huͤllenbildung die feſte aͤußere Rinde, welche in dem Leben vieler Zellen eine hervorragende Rolle ſpielt. Der Makrokosmos der Planeten und der Mikrokosmos der Zellen nahm in gleicher Weiſe den Ausgangspunkt ſeiner individuellen Entwickelung von den beiden wichtigen Vorgaͤngen der Verdichtung und der Huͤllenbildung. Jn beiden Faͤllen geſchah die „Schoͤpfung“ der Form nicht durch den launenhaften Einfall eines perſoͤnlichen Schoͤpfers, ſondern durch die ureigene Kraft der ſich ſelbſt geſtaltenden Materie. Anziehung und Abſtoßung, Centripetalkraft und Centrifugalkraft, Verdichtung und Verduͤnnung der materiellen Theilchen ſind die einzigen Schoͤpferkraͤfte, welche hier die einfachen Fundamente des verwickelten Schoͤpfungs- baues legten. Fuͤr den Zweck dieſer Vortraͤge hat es weiter kein beſonderes Jn- tereſſe, die „natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte des Weltalls“ mit ſeinen verſchiedenen Sonnenſyſtemen und Planetenſyſtemen im Ein- zelnen zu verfolgen und durch alle verſchiedenen aſtronomiſchen und geo- logiſchen Beweismittel mathematiſch zu begruͤnden. Jch begnuͤge mich daher mit den eben angefuͤhrten Grundzuͤgen derſelben und verweiſe Sie bezuͤglich des Naͤheren auf Kant’s klaſſiſche „Allgemeine Naturgeſchichte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/291
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/291>, abgerufen am 24.11.2024.