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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Knospenbildung.
henden mehrzelligen Organismen, z. B. bei den Korallenthieren. Viele
derselben, welche schon einen höheren Grad von Zusammensetzung und
Organisation zeigen, pflanzen sich dennoch einfach durch Theilung
fort. Hier zerfällt der ganze Organismus mit allen seinen Organen
in zwei gleiche Hälften, sobald er durch Wachsthum ein gewisses Maß
der Größe erreicht hat. Jede Hälfte ergänzt sich alsbald wieder
durch Wachsthum zu einem vollständigen Jndividuum. Auch hier
finden Sie es gewiß selbstverständlich, daß die beiden Theilproducte
die Eigenschaften des elterlichen Organismus theilen, da sie ja selbst
Substanzhälften desselben sind. Die Vererbung aller Eigenschaften
der ursprünglichen Koralle auf ihre beiden, durch Wachsthum sich er-
gänzenden Hälften, hat gewiß nichts Befremdendes.

An die Fortpflanzung durch Theilung schließt sich zunächst die
Fortpflanzung durch Knospenbildung an. Diese Art der Mo-
nogonie ist außerordentlich weit verbreitet. Sie findet sich sowohl bei
den einfachen Zellen (obwohl seltener), als auch bei den aus vielen Zellen
zusammengesetzten höheren Organismen. Ganz allgemein verbreitet ist
die Knospenbildung im Pflanzenreich, seltener im Thierreich. Jedoch
kommt sie auch hier in dem Stamme der Pflanzenthiere, insbesondere
bei den Korallen und bei einem großen Theile der Hydromedusen sehr
häufig vor, ferner auch bei einem Theile der Würmer (Plattwürmern,
Ringelwürmern, Moosthieren und Mantelthieren). Alle verzweigten
Thierstöcke, welche auch äußerlich den verzweigten Pflanzenstöcken so
ähnlich sind, entstehen gleich diesen durch Knospenbildung.

Die Fortpflanzung durch Knospenbildung (Gemmatio) unter-
scheidet sich von der Fortpflanzung durch Theilung wesentlich dadurch,
daß die beiden, durch Knospung neu erzeugten Organismen nicht von
gleichem Alter, und daher anfänglich auch nicht von gleichem Werthe
sind, wie es bei der Theilung der Fall ist. Bei der letzteren können
wir offenbar keines der beiden neu erzeugten Jndividuen als das elter-
liche, als das erzeugende ansehen, weil beide ja gleichen Antheil an
der Zusammensetzung des ursprünglichen, elterlichen Jndividuums
haben. Wenn dagegen ein Organismus eine Knospe treibt, so ist

Ungeſchlechtliche Fortpflanzung durch Knospenbildung.
henden mehrzelligen Organismen, z. B. bei den Korallenthieren. Viele
derſelben, welche ſchon einen hoͤheren Grad von Zuſammenſetzung und
Organiſation zeigen, pflanzen ſich dennoch einfach durch Theilung
fort. Hier zerfaͤllt der ganze Organismus mit allen ſeinen Organen
in zwei gleiche Haͤlften, ſobald er durch Wachsthum ein gewiſſes Maß
der Groͤße erreicht hat. Jede Haͤlfte ergaͤnzt ſich alsbald wieder
durch Wachsthum zu einem vollſtaͤndigen Jndividuum. Auch hier
finden Sie es gewiß ſelbſtverſtaͤndlich, daß die beiden Theilproducte
die Eigenſchaften des elterlichen Organismus theilen, da ſie ja ſelbſt
Subſtanzhaͤlften deſſelben ſind. Die Vererbung aller Eigenſchaften
der urſpruͤnglichen Koralle auf ihre beiden, durch Wachsthum ſich er-
gaͤnzenden Haͤlften, hat gewiß nichts Befremdendes.

An die Fortpflanzung durch Theilung ſchließt ſich zunaͤchſt die
Fortpflanzung durch Knospenbildung an. Dieſe Art der Mo-
nogonie iſt außerordentlich weit verbreitet. Sie findet ſich ſowohl bei
den einfachen Zellen (obwohl ſeltener), als auch bei den aus vielen Zellen
zuſammengeſetzten hoͤheren Organismen. Ganz allgemein verbreitet iſt
die Knospenbildung im Pflanzenreich, ſeltener im Thierreich. Jedoch
kommt ſie auch hier in dem Stamme der Pflanzenthiere, insbeſondere
bei den Korallen und bei einem großen Theile der Hydromeduſen ſehr
haͤufig vor, ferner auch bei einem Theile der Wuͤrmer (Plattwuͤrmern,
Ringelwuͤrmern, Moosthieren und Mantelthieren). Alle verzweigten
Thierſtoͤcke, welche auch aͤußerlich den verzweigten Pflanzenſtoͤcken ſo
aͤhnlich ſind, entſtehen gleich dieſen durch Knospenbildung.

Die Fortpflanzung durch Knospenbildung (Gemmatio) unter-
ſcheidet ſich von der Fortpflanzung durch Theilung weſentlich dadurch,
daß die beiden, durch Knospung neu erzeugten Organismen nicht von
gleichem Alter, und daher anfaͤnglich auch nicht von gleichem Werthe
ſind, wie es bei der Theilung der Fall iſt. Bei der letzteren koͤnnen
wir offenbar keines der beiden neu erzeugten Jndividuen als das elter-
liche, als das erzeugende anſehen, weil beide ja gleichen Antheil an
der Zuſammenſetzung des urſpruͤnglichen, elterlichen Jndividuums
haben. Wenn dagegen ein Organismus eine Knospe treibt, ſo iſt

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[148/0169] Ungeſchlechtliche Fortpflanzung durch Knospenbildung. henden mehrzelligen Organismen, z. B. bei den Korallenthieren. Viele derſelben, welche ſchon einen hoͤheren Grad von Zuſammenſetzung und Organiſation zeigen, pflanzen ſich dennoch einfach durch Theilung fort. Hier zerfaͤllt der ganze Organismus mit allen ſeinen Organen in zwei gleiche Haͤlften, ſobald er durch Wachsthum ein gewiſſes Maß der Groͤße erreicht hat. Jede Haͤlfte ergaͤnzt ſich alsbald wieder durch Wachsthum zu einem vollſtaͤndigen Jndividuum. Auch hier finden Sie es gewiß ſelbſtverſtaͤndlich, daß die beiden Theilproducte die Eigenſchaften des elterlichen Organismus theilen, da ſie ja ſelbſt Subſtanzhaͤlften deſſelben ſind. Die Vererbung aller Eigenſchaften der urſpruͤnglichen Koralle auf ihre beiden, durch Wachsthum ſich er- gaͤnzenden Haͤlften, hat gewiß nichts Befremdendes. An die Fortpflanzung durch Theilung ſchließt ſich zunaͤchſt die Fortpflanzung durch Knospenbildung an. Dieſe Art der Mo- nogonie iſt außerordentlich weit verbreitet. Sie findet ſich ſowohl bei den einfachen Zellen (obwohl ſeltener), als auch bei den aus vielen Zellen zuſammengeſetzten hoͤheren Organismen. Ganz allgemein verbreitet iſt die Knospenbildung im Pflanzenreich, ſeltener im Thierreich. Jedoch kommt ſie auch hier in dem Stamme der Pflanzenthiere, insbeſondere bei den Korallen und bei einem großen Theile der Hydromeduſen ſehr haͤufig vor, ferner auch bei einem Theile der Wuͤrmer (Plattwuͤrmern, Ringelwuͤrmern, Moosthieren und Mantelthieren). Alle verzweigten Thierſtoͤcke, welche auch aͤußerlich den verzweigten Pflanzenſtoͤcken ſo aͤhnlich ſind, entſtehen gleich dieſen durch Knospenbildung. Die Fortpflanzung durch Knospenbildung (Gemmatio) unter- ſcheidet ſich von der Fortpflanzung durch Theilung weſentlich dadurch, daß die beiden, durch Knospung neu erzeugten Organismen nicht von gleichem Alter, und daher anfaͤnglich auch nicht von gleichem Werthe ſind, wie es bei der Theilung der Fall iſt. Bei der letzteren koͤnnen wir offenbar keines der beiden neu erzeugten Jndividuen als das elter- liche, als das erzeugende anſehen, weil beide ja gleichen Antheil an der Zuſammenſetzung des urſpruͤnglichen, elterlichen Jndividuums haben. Wenn dagegen ein Organismus eine Knospe treibt, ſo iſt

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/169>, abgerufen am 24.11.2024.