Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Ungeschlechtliche Fortpflanzung der Moneren.
z. B. kleine Theilchen von zerstörten organischen Körpern, oder mi-
kroskopische Pflänzchen und Jnfusionsthierchen, zufällig in Berührung
mit den Moneren kommen, so bleiben sie an der klebrigen Oberfläche
des festflüssigen Schleimklümpchens hängen, erzeugen hier einen Reiz,
welcher stärkeren Zufluß der schleimigen Körpermasse zur Folge hat,
und werden endlich ganz von dieser umschlossen; oder sie werden durch
Verschiebungen der einzelnen Eiweißtheilchen des Monerenkörpers in
diesen hineingezogen und dort verdaut, durch einfache Diffusion (Endos-
mose) ausgesogen. Ebenso einfach wie die Ernährung, ist die Fortpflan-
zung dieser Urwesen, die man eigentlich weder Thiere noch Pflanzen
nennen kann. Alle Moneren pflanzen sich nur auf dem ungeschlecht-
lichen Wege fort, durch Monogonie; und zwar im einfachsten Falle
durch diejenige Art der Monogonie, welche wir an die Spitze der ver-
schiedenen Fortpflanzungsformen stellen, durch Selbsttheilung. Wenn
ein solches Klümpchen, z. B. eine Protamoeba oder ein Protogenes,
eine gewisse Größe durch Aufnahme fremder Eiweißmaterie erhalten
hat, so zerfällt es in zwei Stücke; es bildet sich eine Einschnürung,
welche ringförmig herumgeht, und schließlich zur Trennung der beiden
Hälften führt. (Vergl. Fig. 1 auf nächster Seite). Jede Hälfte rundet
sich alsbald ab und erscheint nun als ein selbstständiges Jndividuum,
welches das einfache Spiel der Lebenserscheinungen, Ernährung und
Fortpflanzung, von Neuem beginnt. Bei anderen Moneren (Vam-
pyrella)
zerfällt der Körper bei der Fortpflanzung nicht in zwei, son-
dern in vier gleiche Stücke, und bei noch anderen (Protomonas, Pro-
tomyxa, Myxastrum)
sogleich in eine große Anzahl von kleinen
Schleimkügelchen, deren jedes durch einfaches Wachsthum dem elter-
lichen Körper wieder gleich wird. Es zeigt sich hier deutlich, daß der
Vorgang der Fortpflanzung weiter Nichts ist, als ein
Wachsthum des Organismus über sein individuelles
Maaß hinaus.

Die einfache Fortpflanzungsweise der Moneren durch Selbstthei-
lung ist eigentlich die allgemeinste und weitest verbreitete von allen ver-
schiedenen Fortpflanzungsarten; denn durch denselben einfachen Prozeß

Ungeſchlechtliche Fortpflanzung der Moneren.
z. B. kleine Theilchen von zerſtoͤrten organiſchen Koͤrpern, oder mi-
kroſkopiſche Pflaͤnzchen und Jnfuſionsthierchen, zufaͤllig in Beruͤhrung
mit den Moneren kommen, ſo bleiben ſie an der klebrigen Oberflaͤche
des feſtfluͤſſigen Schleimkluͤmpchens haͤngen, erzeugen hier einen Reiz,
welcher ſtaͤrkeren Zufluß der ſchleimigen Koͤrpermaſſe zur Folge hat,
und werden endlich ganz von dieſer umſchloſſen; oder ſie werden durch
Verſchiebungen der einzelnen Eiweißtheilchen des Monerenkoͤrpers in
dieſen hineingezogen und dort verdaut, durch einfache Diffuſion (Endos-
moſe) ausgeſogen. Ebenſo einfach wie die Ernaͤhrung, iſt die Fortpflan-
zung dieſer Urweſen, die man eigentlich weder Thiere noch Pflanzen
nennen kann. Alle Moneren pflanzen ſich nur auf dem ungeſchlecht-
lichen Wege fort, durch Monogonie; und zwar im einfachſten Falle
durch diejenige Art der Monogonie, welche wir an die Spitze der ver-
ſchiedenen Fortpflanzungsformen ſtellen, durch Selbſttheilung. Wenn
ein ſolches Kluͤmpchen, z. B. eine Protamoeba oder ein Protogenes,
eine gewiſſe Groͤße durch Aufnahme fremder Eiweißmaterie erhalten
hat, ſo zerfaͤllt es in zwei Stuͤcke; es bildet ſich eine Einſchnuͤrung,
welche ringfoͤrmig herumgeht, und ſchließlich zur Trennung der beiden
Haͤlften fuͤhrt. (Vergl. Fig. 1 auf naͤchſter Seite). Jede Haͤlfte rundet
ſich alsbald ab und erſcheint nun als ein ſelbſtſtaͤndiges Jndividuum,
welches das einfache Spiel der Lebenserſcheinungen, Ernaͤhrung und
Fortpflanzung, von Neuem beginnt. Bei anderen Moneren (Vam-
pyrella)
zerfaͤllt der Koͤrper bei der Fortpflanzung nicht in zwei, ſon-
dern in vier gleiche Stuͤcke, und bei noch anderen (Protomonas, Pro-
tomyxa, Myxastrum)
ſogleich in eine große Anzahl von kleinen
Schleimkuͤgelchen, deren jedes durch einfaches Wachsthum dem elter-
lichen Koͤrper wieder gleich wird. Es zeigt ſich hier deutlich, daß der
Vorgang der Fortpflanzung weiter Nichts iſt, als ein
Wachsthum des Organismus uͤber ſein individuelles
Maaß hinaus.

Die einfache Fortpflanzungsweiſe der Moneren durch Selbſtthei-
lung iſt eigentlich die allgemeinſte und weiteſt verbreitete von allen ver-
ſchiedenen Fortpflanzungsarten; denn durch denſelben einfachen Prozeß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="143"/><fw place="top" type="header">Unge&#x017F;chlechtliche Fortpflanzung der Moneren.</fw><lb/>
z. B. kleine Theilchen von zer&#x017F;to&#x0364;rten organi&#x017F;chen Ko&#x0364;rpern, oder mi-<lb/>
kro&#x017F;kopi&#x017F;che Pfla&#x0364;nzchen und Jnfu&#x017F;ionsthierchen, zufa&#x0364;llig in Beru&#x0364;hrung<lb/>
mit den Moneren kommen, &#x017F;o bleiben &#x017F;ie an der klebrigen Oberfla&#x0364;che<lb/>
des fe&#x017F;tflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Schleimklu&#x0364;mpchens ha&#x0364;ngen, erzeugen hier einen Reiz,<lb/>
welcher &#x017F;ta&#x0364;rkeren Zufluß der &#x017F;chleimigen Ko&#x0364;rperma&#x017F;&#x017F;e zur Folge hat,<lb/>
und werden endlich ganz von die&#x017F;er um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; oder &#x017F;ie werden durch<lb/>
Ver&#x017F;chiebungen der einzelnen Eiweißtheilchen des Monerenko&#x0364;rpers in<lb/>
die&#x017F;en hineingezogen und dort verdaut, durch einfache Diffu&#x017F;ion (Endos-<lb/>
mo&#x017F;e) ausge&#x017F;ogen. Eben&#x017F;o einfach wie die Erna&#x0364;hrung, i&#x017F;t die Fortpflan-<lb/>
zung die&#x017F;er Urwe&#x017F;en, die man eigentlich weder Thiere noch Pflanzen<lb/>
nennen kann. Alle Moneren pflanzen &#x017F;ich nur auf dem unge&#x017F;chlecht-<lb/>
lichen Wege fort, durch Monogonie; und zwar im einfach&#x017F;ten Falle<lb/>
durch diejenige Art der Monogonie, welche wir an die Spitze der ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Fortpflanzungsformen &#x017F;tellen, durch Selb&#x017F;ttheilung. Wenn<lb/>
ein &#x017F;olches Klu&#x0364;mpchen, z. B. eine <hi rendition="#aq">Protamoeba</hi> oder ein <hi rendition="#aq">Protogenes,</hi><lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Gro&#x0364;ße durch Aufnahme fremder Eiweißmaterie erhalten<lb/>
hat, &#x017F;o zerfa&#x0364;llt es in zwei Stu&#x0364;cke; es bildet &#x017F;ich eine Ein&#x017F;chnu&#x0364;rung,<lb/>
welche ringfo&#x0364;rmig herumgeht, und &#x017F;chließlich zur Trennung der beiden<lb/>
Ha&#x0364;lften fu&#x0364;hrt. (Vergl. Fig. 1 auf na&#x0364;ch&#x017F;ter Seite). Jede Ha&#x0364;lfte rundet<lb/>
&#x017F;ich alsbald ab und er&#x017F;cheint nun als ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiges Jndividuum,<lb/>
welches das einfache Spiel der Lebenser&#x017F;cheinungen, Erna&#x0364;hrung und<lb/>
Fortpflanzung, von Neuem beginnt. Bei anderen Moneren <hi rendition="#aq">(Vam-<lb/>
pyrella)</hi> zerfa&#x0364;llt der Ko&#x0364;rper bei der Fortpflanzung nicht in zwei, &#x017F;on-<lb/>
dern in vier gleiche Stu&#x0364;cke, und bei noch anderen <hi rendition="#aq">(Protomonas, Pro-<lb/>
tomyxa, Myxastrum)</hi> &#x017F;ogleich in eine große Anzahl von kleinen<lb/>
Schleimku&#x0364;gelchen, deren jedes durch einfaches Wachsthum dem elter-<lb/>
lichen Ko&#x0364;rper wieder gleich wird. Es zeigt &#x017F;ich hier deutlich, daß der<lb/>
Vorgang der <hi rendition="#g">Fortpflanzung weiter Nichts i&#x017F;t, als ein<lb/>
Wachsthum des Organismus u&#x0364;ber &#x017F;ein individuelles<lb/>
Maaß hinaus.</hi></p><lb/>
        <p>Die einfache Fortpflanzungswei&#x017F;e der Moneren durch Selb&#x017F;tthei-<lb/>
lung i&#x017F;t eigentlich die allgemein&#x017F;te und weite&#x017F;t verbreitete von allen ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Fortpflanzungsarten; denn durch den&#x017F;elben einfachen Prozeß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0164] Ungeſchlechtliche Fortpflanzung der Moneren. z. B. kleine Theilchen von zerſtoͤrten organiſchen Koͤrpern, oder mi- kroſkopiſche Pflaͤnzchen und Jnfuſionsthierchen, zufaͤllig in Beruͤhrung mit den Moneren kommen, ſo bleiben ſie an der klebrigen Oberflaͤche des feſtfluͤſſigen Schleimkluͤmpchens haͤngen, erzeugen hier einen Reiz, welcher ſtaͤrkeren Zufluß der ſchleimigen Koͤrpermaſſe zur Folge hat, und werden endlich ganz von dieſer umſchloſſen; oder ſie werden durch Verſchiebungen der einzelnen Eiweißtheilchen des Monerenkoͤrpers in dieſen hineingezogen und dort verdaut, durch einfache Diffuſion (Endos- moſe) ausgeſogen. Ebenſo einfach wie die Ernaͤhrung, iſt die Fortpflan- zung dieſer Urweſen, die man eigentlich weder Thiere noch Pflanzen nennen kann. Alle Moneren pflanzen ſich nur auf dem ungeſchlecht- lichen Wege fort, durch Monogonie; und zwar im einfachſten Falle durch diejenige Art der Monogonie, welche wir an die Spitze der ver- ſchiedenen Fortpflanzungsformen ſtellen, durch Selbſttheilung. Wenn ein ſolches Kluͤmpchen, z. B. eine Protamoeba oder ein Protogenes, eine gewiſſe Groͤße durch Aufnahme fremder Eiweißmaterie erhalten hat, ſo zerfaͤllt es in zwei Stuͤcke; es bildet ſich eine Einſchnuͤrung, welche ringfoͤrmig herumgeht, und ſchließlich zur Trennung der beiden Haͤlften fuͤhrt. (Vergl. Fig. 1 auf naͤchſter Seite). Jede Haͤlfte rundet ſich alsbald ab und erſcheint nun als ein ſelbſtſtaͤndiges Jndividuum, welches das einfache Spiel der Lebenserſcheinungen, Ernaͤhrung und Fortpflanzung, von Neuem beginnt. Bei anderen Moneren (Vam- pyrella) zerfaͤllt der Koͤrper bei der Fortpflanzung nicht in zwei, ſon- dern in vier gleiche Stuͤcke, und bei noch anderen (Protomonas, Pro- tomyxa, Myxastrum) ſogleich in eine große Anzahl von kleinen Schleimkuͤgelchen, deren jedes durch einfaches Wachsthum dem elter- lichen Koͤrper wieder gleich wird. Es zeigt ſich hier deutlich, daß der Vorgang der Fortpflanzung weiter Nichts iſt, als ein Wachsthum des Organismus uͤber ſein individuelles Maaß hinaus. Die einfache Fortpflanzungsweiſe der Moneren durch Selbſtthei- lung iſt eigentlich die allgemeinſte und weiteſt verbreitete von allen ver- ſchiedenen Fortpflanzungsarten; denn durch denſelben einfachen Prozeß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/164
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/164>, abgerufen am 18.05.2024.