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Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876.

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Thiere frei erscheint, im Gegensatz zu dem "festen" Willen
der Atome, so ist das eine Täuschung, hervorgerufen
durch die höchst verwickelte Willensbewegung der erste¬
ren im Gegensatze zu der höchst einfachen Willensbewe¬
gung der letzteren. Die Atome wollen überall und jeder¬
zeit Dasselbe, weil ihre Neigung dem Atom jedes anderen
Elementes gegenüber eine constante und unabänderlich be¬
stimmte ist; jede ihrer Bewegungen ist daher determinirt.
Hingegen erscheint die Neigung und willkürliche Bewegung
der höheren Organismen frei und unabhängig, weil in dem
unaufhörlichen Stoffwechsel derselben die Atome beständig
ihre gegenseitige Lage und Verbindungsweise verändern,
und daher das Gesammtresultat aus den zahllosen Willens¬
bewegungen der constituirenden Atome ein höchst zu¬
sammengesetztes und unaufhörlich wechselndes ist. Daher
sind wir "ein Spiel von jedem Druck der Luft".

Indem wir so von dem mechanischen Standpunkte des
Monismus aus alle Materie als beseelt, jedes Massen-
Atom mit einer constanten und ewigen Atom-Seele aus¬
gerüstet uns vorstellen, fürchten wir nicht den Vorwurf
des Materialismus auf uns zu laden. Denn dieser unser
monistischer Standpunkt ist ebenso weit von einseitigem
Materialismus, wie von leerem Spiritualismus entfernt.
Ja wir können in ihm allein die Versöhnung der rohen
atomistischen und der inhaltsleeren dynamischen Welt¬
anschauung finden, die sich bisher so heftig bekämpft
haben und die in ihrer Einseitigkeit Beide dualistisch
sind. Wie die Masse des Atoms unzerstörbar und un¬
veränderlich, so ist auch die damit untrennbar verbundene
Atom-Seele ewig und unsterblich. Vergänglich und sterb¬

Thiere frei erscheint, im Gegensatz zu dem „festen“ Willen
der Atome, so ist das eine Täuschung, hervorgerufen
durch die höchst verwickelte Willensbewegung der erste¬
ren im Gegensatze zu der höchst einfachen Willensbewe¬
gung der letzteren. Die Atome wollen überall und jeder¬
zeit Dasselbe, weil ihre Neigung dem Atom jedes anderen
Elementes gegenüber eine constante und unabänderlich be¬
stimmte ist; jede ihrer Bewegungen ist daher determinirt.
Hingegen erscheint die Neigung und willkürliche Bewegung
der höheren Organismen frei und unabhängig, weil in dem
unaufhörlichen Stoffwechsel derselben die Atome beständig
ihre gegenseitige Lage und Verbindungsweise verändern,
und daher das Gesammtresultat aus den zahllosen Willens¬
bewegungen der constituirenden Atome ein höchst zu¬
sammengesetztes und unaufhörlich wechselndes ist. Daher
sind wir „ein Spiel von jedem Druck der Luft“.

Indem wir so von dem mechanischen Standpunkte des
Monismus aus alle Materie als beseelt, jedes Massen-
Atom mit einer constanten und ewigen Atom-Seele aus¬
gerüstet uns vorstellen, fürchten wir nicht den Vorwurf
des Materialismus auf uns zu laden. Denn dieser unser
monistischer Standpunkt ist ebenso weit von einseitigem
Materialismus, wie von leerem Spiritualismus entfernt.
Ja wir können in ihm allein die Versöhnung der rohen
atomistischen und der inhaltsleeren dynamischen Welt¬
anschauung finden, die sich bisher so heftig bekämpft
haben und die in ihrer Einseitigkeit Beide dualistisch
sind. Wie die Masse des Atoms unzerstörbar und un¬
veränderlich, so ist auch die damit untrennbar verbundene
Atom-Seele ewig und unsterblich. Vergänglich und sterb¬

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[39/0045] Thiere frei erscheint, im Gegensatz zu dem „festen“ Willen der Atome, so ist das eine Täuschung, hervorgerufen durch die höchst verwickelte Willensbewegung der erste¬ ren im Gegensatze zu der höchst einfachen Willensbewe¬ gung der letzteren. Die Atome wollen überall und jeder¬ zeit Dasselbe, weil ihre Neigung dem Atom jedes anderen Elementes gegenüber eine constante und unabänderlich be¬ stimmte ist; jede ihrer Bewegungen ist daher determinirt. Hingegen erscheint die Neigung und willkürliche Bewegung der höheren Organismen frei und unabhängig, weil in dem unaufhörlichen Stoffwechsel derselben die Atome beständig ihre gegenseitige Lage und Verbindungsweise verändern, und daher das Gesammtresultat aus den zahllosen Willens¬ bewegungen der constituirenden Atome ein höchst zu¬ sammengesetztes und unaufhörlich wechselndes ist. Daher sind wir „ein Spiel von jedem Druck der Luft“. Indem wir so von dem mechanischen Standpunkte des Monismus aus alle Materie als beseelt, jedes Massen- Atom mit einer constanten und ewigen Atom-Seele aus¬ gerüstet uns vorstellen, fürchten wir nicht den Vorwurf des Materialismus auf uns zu laden. Denn dieser unser monistischer Standpunkt ist ebenso weit von einseitigem Materialismus, wie von leerem Spiritualismus entfernt. Ja wir können in ihm allein die Versöhnung der rohen atomistischen und der inhaltsleeren dynamischen Welt¬ anschauung finden, die sich bisher so heftig bekämpft haben und die in ihrer Einseitigkeit Beide dualistisch sind. Wie die Masse des Atoms unzerstörbar und un¬ veränderlich, so ist auch die damit untrennbar verbundene Atom-Seele ewig und unsterblich. Vergänglich und sterb¬

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/45>, abgerufen am 23.04.2024.