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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
die Anatomie von vorn herein in die sechs soeben besprochenen coor-
dinirten Zweige spaltet; denn es giebt zahlreiche Organismen, welche
als physiologische Individuen bloss den morphologischen Werth eines
Organs oder eines Metamers erhalten, und welche sich niemals zum
Range einer Person oder eines Stockes erheben.

Aus diesen Gründen und aus anderen, die sich aus den Betrach-
tungen des dritten und vierten Buches von selbst ergeben werden,
benutzen wir also den wichtigen Unterschied zwischen der Zusammen-
setzungsweise
oder Tectonik (Structur) und der hieraus resultirenden
(inneren und äusseren) Form des Organismus, welcher sich an eine
geometrische Grundform (Promorphe) anlehnt, als das erste und
oberste Eintheilungsprincip der Anatomie und unterscheiden demnach,
wie bereits oben (p. 29) begründet, bei der Anatomie eines jeden Or-
ganismus als die beiden Hauptzweige die Tectologie oder Structurlehre
und die Promorphologie oder Grundformenlehre. Die Tectologie
untersucht gewissermaassen die innere Form des ganzen Organismus,
d. h. die Gesetze, nach denen der ganze Organismus aus allen Form-
bestandtheilen (oder Individuen verschiedener Ordnung) zusammen-
gesetzt
ist. Die Promorphologie beschreibt und erklärt die äus-
sere Form
des ganzen Organismus und aller seiner einzelnen
Formbestandtheile (oder Individuen verschiedener Ordnung) an sich,
und sucht diese Formen auf geometrische Grundformen zurückzu-
führen. 1)

Wollen wir diese beiden Hauptzweige der Anatomie dann noch
weiter in untergeordnete Disciplinen zerlegen, so würde dies auf Grund
der qualitativen Unterschiede der Individuen verschiedener Ordnung
geschehen können, und wir würden demnach sowohl in der Tectologie
als in der Promorphologie sechs untergeordnete Wissenschaften zu
unterscheiden haben, welche den sechs verschiedenen Ordnungen von
Individuen entsprechen. Welche Aufgabe diesen einzelnen Disciplinen
speciell zufällt, wird sich aus dem dritten und vierten Buche des vor-
liegenden Werkes ergeben, welche die Aufgabe und Bedeutung der
Tectologie und der Promorphologie wissenschaftlich zu begründen su-
chen. Eine Uebersicht des gegenseitigen Verhältnisses der so entste-
henden zwölf anatomischen Disciplinen giebt das nachstehende Schema:

1) Diese gesonderte Behandlung der Tectologie und Promorphologie wird
sich namentlich für die generelle und synthetische Anatomie der gesammten
Organismen oder einer einzelnen Gruppe empfehlen, wogegen es in der spe-
ciellen und analytischen Anatomie einer einzelnen Gruppe oder eines einzel-
nen Organismus oft passender sein wird, Tectologie und Promorphologie ver-
einigt in den p. 45 aufgeführten sechs Disciplinen abzuhandeln.

Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
die Anatomie von vorn herein in die sechs soeben besprochenen coor-
dinirten Zweige spaltet; denn es giebt zahlreiche Organismen, welche
als physiologische Individuen bloss den morphologischen Werth eines
Organs oder eines Metamers erhalten, und welche sich niemals zum
Range einer Person oder eines Stockes erheben.

Aus diesen Gründen und aus anderen, die sich aus den Betrach-
tungen des dritten und vierten Buches von selbst ergeben werden,
benutzen wir also den wichtigen Unterschied zwischen der Zusammen-
setzungsweise
oder Tectonik (Structur) und der hieraus resultirenden
(inneren und äusseren) Form des Organismus, welcher sich an eine
geometrische Grundform (Promorphe) anlehnt, als das erste und
oberste Eintheilungsprincip der Anatomie und unterscheiden demnach,
wie bereits oben (p. 29) begründet, bei der Anatomie eines jeden Or-
ganismus als die beiden Hauptzweige die Tectologie oder Structurlehre
und die Promorphologie oder Grundformenlehre. Die Tectologie
untersucht gewissermaassen die innere Form des ganzen Organismus,
d. h. die Gesetze, nach denen der ganze Organismus aus allen Form-
bestandtheilen (oder Individuen verschiedener Ordnung) zusammen-
gesetzt
ist. Die Promorphologie beschreibt und erklärt die äus-
sere Form
des ganzen Organismus und aller seiner einzelnen
Formbestandtheile (oder Individuen verschiedener Ordnung) an sich,
und sucht diese Formen auf geometrische Grundformen zurückzu-
führen. 1)

Wollen wir diese beiden Hauptzweige der Anatomie dann noch
weiter in untergeordnete Disciplinen zerlegen, so würde dies auf Grund
der qualitativen Unterschiede der Individuen verschiedener Ordnung
geschehen können, und wir würden demnach sowohl in der Tectologie
als in der Promorphologie sechs untergeordnete Wissenschaften zu
unterscheiden haben, welche den sechs verschiedenen Ordnungen von
Individuen entsprechen. Welche Aufgabe diesen einzelnen Disciplinen
speciell zufällt, wird sich aus dem dritten und vierten Buche des vor-
liegenden Werkes ergeben, welche die Aufgabe und Bedeutung der
Tectologie und der Promorphologie wissenschaftlich zu begründen su-
chen. Eine Uebersicht des gegenseitigen Verhältnisses der so entste-
henden zwölf anatomischen Disciplinen giebt das nachstehende Schema:

1) Diese gesonderte Behandlung der Tectologie und Promorphologie wird
sich namentlich für die generelle und synthetische Anatomie der gesammten
Organismen oder einer einzelnen Gruppe empfehlen, wogegen es in der spe-
ciellen und analytischen Anatomie einer einzelnen Gruppe oder eines einzel-
nen Organismus oft passender sein wird, Tectologie und Promorphologie ver-
einigt in den p. 45 aufgeführten sechs Disciplinen abzuhandeln.
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[48/0087] Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften. die Anatomie von vorn herein in die sechs soeben besprochenen coor- dinirten Zweige spaltet; denn es giebt zahlreiche Organismen, welche als physiologische Individuen bloss den morphologischen Werth eines Organs oder eines Metamers erhalten, und welche sich niemals zum Range einer Person oder eines Stockes erheben. Aus diesen Gründen und aus anderen, die sich aus den Betrach- tungen des dritten und vierten Buches von selbst ergeben werden, benutzen wir also den wichtigen Unterschied zwischen der Zusammen- setzungsweise oder Tectonik (Structur) und der hieraus resultirenden (inneren und äusseren) Form des Organismus, welcher sich an eine geometrische Grundform (Promorphe) anlehnt, als das erste und oberste Eintheilungsprincip der Anatomie und unterscheiden demnach, wie bereits oben (p. 29) begründet, bei der Anatomie eines jeden Or- ganismus als die beiden Hauptzweige die Tectologie oder Structurlehre und die Promorphologie oder Grundformenlehre. Die Tectologie untersucht gewissermaassen die innere Form des ganzen Organismus, d. h. die Gesetze, nach denen der ganze Organismus aus allen Form- bestandtheilen (oder Individuen verschiedener Ordnung) zusammen- gesetzt ist. Die Promorphologie beschreibt und erklärt die äus- sere Form des ganzen Organismus und aller seiner einzelnen Formbestandtheile (oder Individuen verschiedener Ordnung) an sich, und sucht diese Formen auf geometrische Grundformen zurückzu- führen. 1) Wollen wir diese beiden Hauptzweige der Anatomie dann noch weiter in untergeordnete Disciplinen zerlegen, so würde dies auf Grund der qualitativen Unterschiede der Individuen verschiedener Ordnung geschehen können, und wir würden demnach sowohl in der Tectologie als in der Promorphologie sechs untergeordnete Wissenschaften zu unterscheiden haben, welche den sechs verschiedenen Ordnungen von Individuen entsprechen. Welche Aufgabe diesen einzelnen Disciplinen speciell zufällt, wird sich aus dem dritten und vierten Buche des vor- liegenden Werkes ergeben, welche die Aufgabe und Bedeutung der Tectologie und der Promorphologie wissenschaftlich zu begründen su- chen. Eine Uebersicht des gegenseitigen Verhältnisses der so entste- henden zwölf anatomischen Disciplinen giebt das nachstehende Schema: 1) Diese gesonderte Behandlung der Tectologie und Promorphologie wird sich namentlich für die generelle und synthetische Anatomie der gesammten Organismen oder einer einzelnen Gruppe empfehlen, wogegen es in der spe- ciellen und analytischen Anatomie einer einzelnen Gruppe oder eines einzel- nen Organismus oft passender sein wird, Tectologie und Promorphologie ver- einigt in den p. 45 aufgeführten sechs Disciplinen abzuhandeln.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/87>, abgerufen am 24.11.2024.