Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Organologie und Histologie.
und derselben Ordnung haben. Die Aufgaben der sechs Disciplinen
würden in folgender Weise zu bestimmen sein:

1. Histologie oder Plastidologie, die Anatomie der Plastiden
(Cytoden und Zellen) oder der "Elementartheile" (die Formenlehre
der "Zelle" etc.). Diese Wissenschaft würde im Ganzen der gegen-
wärtig geltenden "Gewebelehre" entsprechen, nur dass wir die Behand-
lung der sogenannten "höheren Elementartheile" und der sogenannten
"zusammengesetzten Gewebe" ausschliessen würden, da diese com-
plexen Formelemente bereits zu den Organen gehören.
2. Organologie oder Organlehre, die Anatomie der Organe.
Da die Organe selbst wiederum sich nach den niederen und höheren
Graden ihrer Zusammensetzung als Organe von fünf verschiedenen Ord-
nungen unterscheiden lassen, so würde sich die Organologie weiter
gliedern in 1) die Anatomie der Zellenstöcke oder Cytocormen; 2) die
Anatomie der einfachen oder homoplastischen Organe; 3) die Anato-
mie der zusammengesetzten oder heteroplastischen Organe; 4) die Ana-
tomie der Organ-Systeme; 5) die Anatomie der Organ-Apparate.
3. Antimerologie oder Homotypenlehre, die Anatomie der
Antimeren
(Gegenstücke) oder homotypischen Theile. Dieser wich-
tige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt so gut wie
gar nicht cultivirt und doch ist er für das tiefere Verständniss der Ge-
sammtform des Organismus von der grössten Bedeutung. Ist es doch
lediglich das verschiedenartige Verhältniss der Antimeren zu einander
und zum Ganzen, welches die allgemeine Grundform, den "strahligen"
oder "regulären" und "bilateralen" oder "symmetrischen" Bau etc.
bedingt.
4. Metamerologie oder Homodynamenlehre, die Anatomie der
Metameren
(Folgestücke) oder homodynamen Theile. Auch dieser
wichtige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt im höch-
sten Grade vernachlässigt, und doch ist auch die Bildung der Meta-
meren für die charakteristischen Gesammtformen der Organismen von
der allergrössten Bedeutung. Da die Metamerenbildung allein es ist,
welche die äussere Gliederung der Articulaten und die innere Gliede-
rung der Vertebraten bestimmt, da auf ihr allein die Bildung der Sten-
gelglieder bei den Phanerogamen beruht, so bedarf es für die grosse
Zukunft, welche auch dieser Zweig der Anatomie haben wird, keines
Beweises.
5. Prosopologie oder Personenlehre, die Anatomie der Per-
sonen oder Prosopen,
welche man bei den höheren Thieren ge-
wöhnlich schlechtweg als Individuen bezeichnet. Da bei den letzteren,
insbesondere bei den Wirbel- und Glieder-Thieren, sowie bei den Echi-
nodermen, das physiologische Individuum stets in der Form des mor-
phologischen Individuums fünfter Ordnung oder der Person erscheint,

IV. Organologie und Histologie.
und derselben Ordnung haben. Die Aufgaben der sechs Disciplinen
würden in folgender Weise zu bestimmen sein:

1. Histologie oder Plastidologie, die Anatomie der Plastiden
(Cytoden und Zellen) oder der „Elementartheile“ (die Formenlehre
der „Zelle“ etc.). Diese Wissenschaft würde im Ganzen der gegen-
wärtig geltenden „Gewebelehre“ entsprechen, nur dass wir die Behand-
lung der sogenannten „höheren Elementartheile“ und der sogenannten
„zusammengesetzten Gewebe“ ausschliessen würden, da diese com-
plexen Formelemente bereits zu den Organen gehören.
2. Organologie oder Organlehre, die Anatomie der Organe.
Da die Organe selbst wiederum sich nach den niederen und höheren
Graden ihrer Zusammensetzung als Organe von fünf verschiedenen Ord-
nungen unterscheiden lassen, so würde sich die Organologie weiter
gliedern in 1) die Anatomie der Zellenstöcke oder Cytocormen; 2) die
Anatomie der einfachen oder homoplastischen Organe; 3) die Anato-
mie der zusammengesetzten oder heteroplastischen Organe; 4) die Ana-
tomie der Organ-Systeme; 5) die Anatomie der Organ-Apparate.
3. Antimerologie oder Homotypenlehre, die Anatomie der
Antimeren
(Gegenstücke) oder homotypischen Theile. Dieser wich-
tige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt so gut wie
gar nicht cultivirt und doch ist er für das tiefere Verständniss der Ge-
sammtform des Organismus von der grössten Bedeutung. Ist es doch
lediglich das verschiedenartige Verhältniss der Antimeren zu einander
und zum Ganzen, welches die allgemeine Grundform, den „strahligen“
oder „regulären“ und „bilateralen“ oder „symmetrischen“ Bau etc.
bedingt.
4. Metamerologie oder Homodynamenlehre, die Anatomie der
Metameren
(Folgestücke) oder homodynamen Theile. Auch dieser
wichtige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt im höch-
sten Grade vernachlässigt, und doch ist auch die Bildung der Meta-
meren für die charakteristischen Gesammtformen der Organismen von
der allergrössten Bedeutung. Da die Metamerenbildung allein es ist,
welche die äussere Gliederung der Articulaten und die innere Gliede-
rung der Vertebraten bestimmt, da auf ihr allein die Bildung der Sten-
gelglieder bei den Phanerogamen beruht, so bedarf es für die grosse
Zukunft, welche auch dieser Zweig der Anatomie haben wird, keines
Beweises.
5. Prosopologie oder Personenlehre, die Anatomie der Per-
sonen oder Prosopen,
welche man bei den höheren Thieren ge-
wöhnlich schlechtweg als Individuen bezeichnet. Da bei den letzteren,
insbesondere bei den Wirbel- und Glieder-Thieren, sowie bei den Echi-
nodermen, das physiologische Individuum stets in der Form des mor-
phologischen Individuums fünfter Ordnung oder der Person erscheint,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0084" n="45"/><fw place="top" type="header">IV. Organologie und Histologie.</fw><lb/>
und derselben Ordnung haben. Die Aufgaben der sechs Disciplinen<lb/>
würden in folgender Weise zu bestimmen sein:</p><lb/>
            <list>
              <item>1. <hi rendition="#g">Histologie</hi> oder Plastidologie, die <hi rendition="#g">Anatomie der Plastiden</hi><lb/>
(Cytoden und Zellen) oder der &#x201E;Elementartheile&#x201C; (die Formenlehre<lb/>
der &#x201E;Zelle&#x201C; etc.). Diese Wissenschaft würde im Ganzen der gegen-<lb/>
wärtig geltenden &#x201E;Gewebelehre&#x201C; entsprechen, nur dass wir die Behand-<lb/>
lung der sogenannten &#x201E;höheren Elementartheile&#x201C; und der sogenannten<lb/>
&#x201E;zusammengesetzten Gewebe&#x201C; ausschliessen würden, da diese com-<lb/>
plexen Formelemente bereits zu den Organen gehören.</item><lb/>
              <item>2. <hi rendition="#g">Organologie</hi> oder Organlehre, die <hi rendition="#g">Anatomie der Organe</hi>.<lb/>
Da die Organe selbst wiederum sich nach den niederen und höheren<lb/>
Graden ihrer Zusammensetzung als Organe von fünf verschiedenen Ord-<lb/>
nungen unterscheiden lassen, so würde sich die Organologie weiter<lb/>
gliedern in 1) die Anatomie der Zellenstöcke oder Cytocormen; 2) die<lb/>
Anatomie der einfachen oder homoplastischen Organe; 3) die Anato-<lb/>
mie der zusammengesetzten oder heteroplastischen Organe; 4) die Ana-<lb/>
tomie der Organ-Systeme; 5) die Anatomie der Organ-Apparate.</item><lb/>
              <item>3. <hi rendition="#g">Antimerologie</hi> oder Homotypenlehre, die <hi rendition="#g">Anatomie der<lb/>
Antimeren</hi> (Gegenstücke) oder homotypischen Theile. Dieser wich-<lb/>
tige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt so gut wie<lb/>
gar nicht cultivirt und doch ist er für das tiefere Verständniss der Ge-<lb/>
sammtform des Organismus von der grössten Bedeutung. Ist es doch<lb/>
lediglich das verschiedenartige Verhältniss der Antimeren zu einander<lb/>
und zum Ganzen, welches die allgemeine Grundform, den &#x201E;strahligen&#x201C;<lb/>
oder &#x201E;regulären&#x201C; und &#x201E;bilateralen&#x201C; oder &#x201E;symmetrischen&#x201C; Bau etc.<lb/>
bedingt.</item><lb/>
              <item>4. <hi rendition="#g">Metamerologie</hi> oder Homodynamenlehre, die <hi rendition="#g">Anatomie der<lb/>
Metameren</hi> (Folgestücke) oder homodynamen Theile. Auch dieser<lb/>
wichtige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt im höch-<lb/>
sten Grade vernachlässigt, und doch ist auch die Bildung der Meta-<lb/>
meren für die charakteristischen Gesammtformen der Organismen von<lb/>
der allergrössten Bedeutung. Da die Metamerenbildung allein es ist,<lb/>
welche die äussere Gliederung der Articulaten und die innere Gliede-<lb/>
rung der Vertebraten bestimmt, da auf ihr allein die Bildung der Sten-<lb/>
gelglieder bei den Phanerogamen beruht, so bedarf es für die grosse<lb/>
Zukunft, welche auch dieser Zweig der Anatomie haben wird, keines<lb/>
Beweises.</item><lb/>
              <item>5. <hi rendition="#g">Prosopologie</hi> oder Personenlehre, die <hi rendition="#g">Anatomie der Per-<lb/>
sonen oder Prosopen,</hi> welche man bei den höheren Thieren ge-<lb/>
wöhnlich schlechtweg als Individuen bezeichnet. Da bei den letzteren,<lb/>
insbesondere bei den Wirbel- und Glieder-Thieren, sowie bei den Echi-<lb/>
nodermen, das physiologische Individuum stets in der Form des mor-<lb/>
phologischen Individuums fünfter Ordnung oder der Person erscheint,<lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0084] IV. Organologie und Histologie. und derselben Ordnung haben. Die Aufgaben der sechs Disciplinen würden in folgender Weise zu bestimmen sein: 1. Histologie oder Plastidologie, die Anatomie der Plastiden (Cytoden und Zellen) oder der „Elementartheile“ (die Formenlehre der „Zelle“ etc.). Diese Wissenschaft würde im Ganzen der gegen- wärtig geltenden „Gewebelehre“ entsprechen, nur dass wir die Behand- lung der sogenannten „höheren Elementartheile“ und der sogenannten „zusammengesetzten Gewebe“ ausschliessen würden, da diese com- plexen Formelemente bereits zu den Organen gehören. 2. Organologie oder Organlehre, die Anatomie der Organe. Da die Organe selbst wiederum sich nach den niederen und höheren Graden ihrer Zusammensetzung als Organe von fünf verschiedenen Ord- nungen unterscheiden lassen, so würde sich die Organologie weiter gliedern in 1) die Anatomie der Zellenstöcke oder Cytocormen; 2) die Anatomie der einfachen oder homoplastischen Organe; 3) die Anato- mie der zusammengesetzten oder heteroplastischen Organe; 4) die Ana- tomie der Organ-Systeme; 5) die Anatomie der Organ-Apparate. 3. Antimerologie oder Homotypenlehre, die Anatomie der Antimeren (Gegenstücke) oder homotypischen Theile. Dieser wich- tige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt so gut wie gar nicht cultivirt und doch ist er für das tiefere Verständniss der Ge- sammtform des Organismus von der grössten Bedeutung. Ist es doch lediglich das verschiedenartige Verhältniss der Antimeren zu einander und zum Ganzen, welches die allgemeine Grundform, den „strahligen“ oder „regulären“ und „bilateralen“ oder „symmetrischen“ Bau etc. bedingt. 4. Metamerologie oder Homodynamenlehre, die Anatomie der Metameren (Folgestücke) oder homodynamen Theile. Auch dieser wichtige und selbstständige Zweig der Anatomie ist bis jetzt im höch- sten Grade vernachlässigt, und doch ist auch die Bildung der Meta- meren für die charakteristischen Gesammtformen der Organismen von der allergrössten Bedeutung. Da die Metamerenbildung allein es ist, welche die äussere Gliederung der Articulaten und die innere Gliede- rung der Vertebraten bestimmt, da auf ihr allein die Bildung der Sten- gelglieder bei den Phanerogamen beruht, so bedarf es für die grosse Zukunft, welche auch dieser Zweig der Anatomie haben wird, keines Beweises. 5. Prosopologie oder Personenlehre, die Anatomie der Per- sonen oder Prosopen, welche man bei den höheren Thieren ge- wöhnlich schlechtweg als Individuen bezeichnet. Da bei den letzteren, insbesondere bei den Wirbel- und Glieder-Thieren, sowie bei den Echi- nodermen, das physiologische Individuum stets in der Form des mor- phologischen Individuums fünfter Ordnung oder der Person erscheint,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/84
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/84>, abgerufen am 17.05.2024.