Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

System der organischen Grundformen.
der Oculiniden. Dieselbe zerfällt in zwei Subfamilien, die Stylastera-
ceen und Oculinaceen; erstere zeigen die reguläre Hexactinoten-Form,
letztere dagegen eine sehr ausgezeichnete Modification derselben,
welche wir hier als Hexamphipleuren aufstellen müssen. Diese eigen-
thümliche sechsstrahlige Bilateralform findet sich auch bei einigen
Phanerogamen-Blüthen, z. B. bei mehreren Lythraceen (Cuphea und
gewissen Blüthen von Lythrum). Die Grundform derselben ist die
Hälfte einer amphithecten Pyramide von zwölf Seiten. Es sind nämlich
bei diesen Lythraceen ebenso wie bei den Oculinaceen die sechs
Antimeren in der Art differenzirt, dass wir drei verschiedene Paare
derselben unterscheiden können, ein dorsales, ein laterales und ein
ventrales Antimeren-Paar (vergl. z. B. Oculina virginea, Lophelia
prolifera, Amphelia oculata
etc.). Die beiden Antimeren jedes Paares
sind unter sich symmetrisch gleich, dagegen nicht zwei Antimeren
congruent, wie es bei den Hexactinoten alle sechs sind. Die zwei
dorsalen Antimeren sind am stärksten, die zwei ventralen am
schwächsten entwickelt; die zwei lateralen zeigen einen mittleren
Entwickelungsgrad. Der ganze Kelch der Oculinaceen (oder der
Einzelpolyp) zerfällt also durch eine Medianebene in zwei symmetrisch
gleiche Hälften, deren Rückentheil viel stärker ausgebildet ist, als der
Bauchtheil (Taf. I, Fig. 3). Es zeigt sich dies am Skelet meistens sehr
deutlich darin ausgesprochen, dass das unpaare mediane Septum dor-
sale
(a4), welches die beiden Rücken-Antimeren trennt, viel stärker,
dagegen das unpaare mediane Septum ventrale (a1), welches die bei-
den Bauch-Antimeren trennt, viel schwächer entwickelt ist, als die vier
übrigen, lateralen Septa. Unter den letzteren sind wiederum die
beiden Septa dorso-lateralia (welche das dorsale und laterale
Antimeren-Paar scheiden) oft stärker entwickelt, als die beiden Septa
ventro-lateralia
(welche das ventrale und laterale Antimeren-Paar
scheiden). Bei vielen Oculinaceen ist ausserdem der Kelch sehr stark
in der Richtung der Lateralaxe verkürzt (zusammengedrückt), in der
Richtung der Dorsoventralaxe dagegen entsprechend verlängert.

Dritte Art der Amphipleuren:
Fünfschienige. Pentamphipleura.
(Fünfstrahlige ungleichpolige Bilateralformen.)
Stereometrische Grundform: Halbe zehnseitige amphithecte Pyramide.
Realer Typus: Spatangus (oder Viola)
Taf. I, Fig. 7.

Von allen organischen Grundformen hat vielleicht die Pentamphi-
pleuren-Form die meisten Schwierigkeiten der Deutung veranlasst.
Bei ihrer weiten Ausbreitung im Thierreiche, wo die sogenannten

System der organischen Grundformen.
der Oculiniden. Dieselbe zerfällt in zwei Subfamilien, die Stylastera-
ceen und Oculinaceen; erstere zeigen die reguläre Hexactinoten-Form,
letztere dagegen eine sehr ausgezeichnete Modification derselben,
welche wir hier als Hexamphipleuren aufstellen müssen. Diese eigen-
thümliche sechsstrahlige Bilateralform findet sich auch bei einigen
Phanerogamen-Blüthen, z. B. bei mehreren Lythraceen (Cuphea und
gewissen Blüthen von Lythrum). Die Grundform derselben ist die
Hälfte einer amphithecten Pyramide von zwölf Seiten. Es sind nämlich
bei diesen Lythraceen ebenso wie bei den Oculinaceen die sechs
Antimeren in der Art differenzirt, dass wir drei verschiedene Paare
derselben unterscheiden können, ein dorsales, ein laterales und ein
ventrales Antimeren-Paar (vergl. z. B. Oculina virginea, Lophelia
prolifera, Amphelia oculata
etc.). Die beiden Antimeren jedes Paares
sind unter sich symmetrisch gleich, dagegen nicht zwei Antimeren
congruent, wie es bei den Hexactinoten alle sechs sind. Die zwei
dorsalen Antimeren sind am stärksten, die zwei ventralen am
schwächsten entwickelt; die zwei lateralen zeigen einen mittleren
Entwickelungsgrad. Der ganze Kelch der Oculinaceen (oder der
Einzelpolyp) zerfällt also durch eine Medianebene in zwei symmetrisch
gleiche Hälften, deren Rückentheil viel stärker ausgebildet ist, als der
Bauchtheil (Taf. I, Fig. 3). Es zeigt sich dies am Skelet meistens sehr
deutlich darin ausgesprochen, dass das unpaare mediane Septum dor-
sale
(a4), welches die beiden Rücken-Antimeren trennt, viel stärker,
dagegen das unpaare mediane Septum ventrale (a1), welches die bei-
den Bauch-Antimeren trennt, viel schwächer entwickelt ist, als die vier
übrigen, lateralen Septa. Unter den letzteren sind wiederum die
beiden Septa dorso-lateralia (welche das dorsale und laterale
Antimeren-Paar scheiden) oft stärker entwickelt, als die beiden Septa
ventro-lateralia
(welche das ventrale und laterale Antimeren-Paar
scheiden). Bei vielen Oculinaceen ist ausserdem der Kelch sehr stark
in der Richtung der Lateralaxe verkürzt (zusammengedrückt), in der
Richtung der Dorsoventralaxe dagegen entsprechend verlängert.

Dritte Art der Amphipleuren:
Fünfschienige. Pentamphipleura.
(Fünfstrahlige ungleichpolige Bilateralformen.)
Stereometrische Grundform: Halbe zehnseitige amphithecte Pyramide.
Realer Typus: Spatangus (oder Viola)
Taf. I, Fig. 7.

Von allen organischen Grundformen hat vielleicht die Pentamphi-
pleuren-Form die meisten Schwierigkeiten der Deutung veranlasst.
Bei ihrer weiten Ausbreitung im Thierreiche, wo die sogenannten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0541" n="502"/><fw place="top" type="header">System der organischen Grundformen.</fw><lb/>
der Oculiniden. Dieselbe zerfällt in zwei Subfamilien, die Stylastera-<lb/>
ceen und Oculinaceen; erstere zeigen die reguläre Hexactinoten-Form,<lb/>
letztere dagegen eine sehr ausgezeichnete Modification derselben,<lb/>
welche wir hier als Hexamphipleuren aufstellen müssen. Diese eigen-<lb/>
thümliche sechsstrahlige Bilateralform findet sich auch bei einigen<lb/>
Phanerogamen-Blüthen, z. B. bei mehreren Lythraceen <hi rendition="#i">(Cuphea</hi> und<lb/>
gewissen Blüthen von <hi rendition="#i">Lythrum).</hi> Die Grundform derselben ist die<lb/>
Hälfte einer amphithecten Pyramide von zwölf Seiten. Es sind nämlich<lb/>
bei diesen Lythraceen ebenso wie bei den Oculinaceen die sechs<lb/>
Antimeren in der Art differenzirt, dass wir drei verschiedene Paare<lb/>
derselben unterscheiden können, ein dorsales, ein laterales und ein<lb/>
ventrales Antimeren-Paar (vergl. z. B. <hi rendition="#i">Oculina virginea, Lophelia<lb/>
prolifera, Amphelia oculata</hi> etc.). Die beiden Antimeren jedes Paares<lb/>
sind unter sich symmetrisch gleich, dagegen nicht zwei Antimeren<lb/>
congruent, wie es bei den Hexactinoten alle sechs sind. Die zwei<lb/>
dorsalen Antimeren sind am stärksten, die zwei ventralen am<lb/>
schwächsten entwickelt; die zwei lateralen zeigen einen mittleren<lb/>
Entwickelungsgrad. Der ganze Kelch der Oculinaceen (oder der<lb/>
Einzelpolyp) zerfällt also durch eine Medianebene in zwei symmetrisch<lb/>
gleiche Hälften, deren Rückentheil viel stärker ausgebildet ist, als der<lb/>
Bauchtheil (Taf. I, Fig. 3). Es zeigt sich dies am Skelet meistens sehr<lb/>
deutlich darin ausgesprochen, dass das unpaare mediane <hi rendition="#g">Septum dor-<lb/>
sale</hi> (a<hi rendition="#sub">4</hi>), welches die beiden Rücken-Antimeren trennt, viel stärker,<lb/>
dagegen das unpaare mediane <hi rendition="#g">Septum ventrale</hi> (a<hi rendition="#sub">1</hi>), welches die bei-<lb/>
den Bauch-Antimeren trennt, viel schwächer entwickelt ist, als die vier<lb/>
übrigen, lateralen Septa. Unter den letzteren sind wiederum die<lb/>
beiden <hi rendition="#g">Septa dorso-lateralia</hi> (welche das dorsale und laterale<lb/>
Antimeren-Paar scheiden) oft stärker entwickelt, als die beiden <hi rendition="#g">Septa<lb/>
ventro-lateralia</hi> (welche das ventrale und laterale Antimeren-Paar<lb/>
scheiden). Bei vielen Oculinaceen ist ausserdem der Kelch sehr stark<lb/>
in der Richtung der Lateralaxe verkürzt (zusammengedrückt), in der<lb/>
Richtung der Dorsoventralaxe dagegen entsprechend verlängert.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Dritte Art der Amphipleuren:<lb/><hi rendition="#b">Fünfschienige. Pentamphipleura.</hi><lb/>
(Fünfstrahlige ungleichpolige Bilateralformen.)<lb/><hi rendition="#i">Stereometrische Grundform: Halbe zehnseitige amphithecte Pyramide.<lb/><hi rendition="#g">Realer Typus: Spatangus (oder Viola)</hi></hi> Taf. I, Fig. 7.</head><lb/>
            <p>Von allen organischen Grundformen hat vielleicht die Pentamphi-<lb/>
pleuren-Form die meisten Schwierigkeiten der Deutung veranlasst.<lb/>
Bei ihrer weiten Ausbreitung im Thierreiche, wo die sogenannten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0541] System der organischen Grundformen. der Oculiniden. Dieselbe zerfällt in zwei Subfamilien, die Stylastera- ceen und Oculinaceen; erstere zeigen die reguläre Hexactinoten-Form, letztere dagegen eine sehr ausgezeichnete Modification derselben, welche wir hier als Hexamphipleuren aufstellen müssen. Diese eigen- thümliche sechsstrahlige Bilateralform findet sich auch bei einigen Phanerogamen-Blüthen, z. B. bei mehreren Lythraceen (Cuphea und gewissen Blüthen von Lythrum). Die Grundform derselben ist die Hälfte einer amphithecten Pyramide von zwölf Seiten. Es sind nämlich bei diesen Lythraceen ebenso wie bei den Oculinaceen die sechs Antimeren in der Art differenzirt, dass wir drei verschiedene Paare derselben unterscheiden können, ein dorsales, ein laterales und ein ventrales Antimeren-Paar (vergl. z. B. Oculina virginea, Lophelia prolifera, Amphelia oculata etc.). Die beiden Antimeren jedes Paares sind unter sich symmetrisch gleich, dagegen nicht zwei Antimeren congruent, wie es bei den Hexactinoten alle sechs sind. Die zwei dorsalen Antimeren sind am stärksten, die zwei ventralen am schwächsten entwickelt; die zwei lateralen zeigen einen mittleren Entwickelungsgrad. Der ganze Kelch der Oculinaceen (oder der Einzelpolyp) zerfällt also durch eine Medianebene in zwei symmetrisch gleiche Hälften, deren Rückentheil viel stärker ausgebildet ist, als der Bauchtheil (Taf. I, Fig. 3). Es zeigt sich dies am Skelet meistens sehr deutlich darin ausgesprochen, dass das unpaare mediane Septum dor- sale (a4), welches die beiden Rücken-Antimeren trennt, viel stärker, dagegen das unpaare mediane Septum ventrale (a1), welches die bei- den Bauch-Antimeren trennt, viel schwächer entwickelt ist, als die vier übrigen, lateralen Septa. Unter den letzteren sind wiederum die beiden Septa dorso-lateralia (welche das dorsale und laterale Antimeren-Paar scheiden) oft stärker entwickelt, als die beiden Septa ventro-lateralia (welche das ventrale und laterale Antimeren-Paar scheiden). Bei vielen Oculinaceen ist ausserdem der Kelch sehr stark in der Richtung der Lateralaxe verkürzt (zusammengedrückt), in der Richtung der Dorsoventralaxe dagegen entsprechend verlängert. Dritte Art der Amphipleuren: Fünfschienige. Pentamphipleura. (Fünfstrahlige ungleichpolige Bilateralformen.) Stereometrische Grundform: Halbe zehnseitige amphithecte Pyramide. Realer Typus: Spatangus (oder Viola) Taf. I, Fig. 7. Von allen organischen Grundformen hat vielleicht die Pentamphi- pleuren-Form die meisten Schwierigkeiten der Deutung veranlasst. Bei ihrer weiten Ausbreitung im Thierreiche, wo die sogenannten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/541
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/541>, abgerufen am 23.11.2024.