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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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System der organischen Grundformen.
Tetrapyle octacantha, ein Ommatid, welchem Johannes Müller eine ganze
Tafel seiner Radiolarien-Abhandlung gewidmet hat (Taf. II, Fig. 12, 13;
Taf. II1) zeigt dieselbe Grundform. Ueber Spongocyclia elliptica (Rad.
Taf. XXVIII, Fig. 2) kann ebenso wohl die rectanguläre, als die rhombi-
sche Säule construirt werden.

Endlich sind die drei ungleichen gleichpoligen Axen, welche sich ge-
genseitig unter rechten Winkeln halbiren und welche den Character des
rhombischen Krystallsystems bestimmen, auch in einigen Radiolarien vor-
handen, welche scheinbar sehr eigenthümliche Formen bilden, so nament-
lich in Didymocyrtis und Ommatospyris (Rad. p. 439, p. 444; Taf. XXII,
Fig. 14--16).

Zweite Familie der Stauraxonien.
Ungleichpolige Kreuzaxige. Heteropola.
Stereometrische Grundform: Pyramide (Taf. I).

Obgleich die im vorigen Abschnitt betrachteten homopolen Staur-
axonien von hohem morphologischem Interesse sind wegen der un-
zweifelhaften Identität ihrer Grundform mit derjenigen zweier Krystall-
systeme, so sind sie dennoch, gleich allen anderen im Vorhergehenden
untersuchten Grundformen, bisher gar nicht oder doch fast gar nicht
beachtet werden, weil sie gewöhnlich nur bei morphologischen Indi-
viduen niederster (erster und zweiter) Ordnung vorkommen, und weil
sie als materielles Substrat von actuellen Bionten nur auf eine ver-
hältnissmässig kleine Reihe von niederen Organismen, insbesondere
Radiolarien, beschränkt sind. Die bisherigen Untersuchungen über
die allgemeinen Grundformen der Organismen haben sich vielmehr
ausschliesslich mit solchen Gestalten beschäftigt, welche der Formen-
gruppe der heteropolen Stauraxonien angehören, die wir kurz die
Heteropolen nennen wollen. Allerdings ist diese Formengruppe,
zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen, insofern von überwiegender
Wichtigkeit, als sie die Grundformen für die actuellen Bionten aller
höheren Thiere und Pflanzen liefert, und mithin auch die grössten
und am meisten auffallenden Formen der ganzen Organismen-Welt.
Indessen wird doch durch den Umstand, dass die Metameren und
Personen fast sämmtlicher Wirbelthiere, Arthropoden, Würmer, Mol-
lusken, Echinodermen und Coelenteraten, sowie fast aller Phaneroga-
men und höheren Cryptogamen der heteropolen Stauraxonform ange-
hören, eine besondere Dignität dieser Grundform an sich noch keines-
wegs bedingt. Vielmehr hoffen wir durch die vorhergehenden Unter-
suchungen den Beweis geliefert zu haben, dass die bisher ganz ver-
nachlässigten Grundformen der homopolen Stauraxonien, der Mon-
axonien, Polyaxonien u. s. w. für die allgemeine Morphologie von

System der organischen Grundformen.
Tetrapyle octacantha, ein Ommatid, welchem Johannes Müller eine ganze
Tafel seiner Radiolarien-Abhandlung gewidmet hat (Taf. II, Fig. 12, 13;
Taf. II1) zeigt dieselbe Grundform. Ueber Spongocyclia elliptica (Rad.
Taf. XXVIII, Fig. 2) kann ebenso wohl die rectanguläre, als die rhombi-
sche Säule construirt werden.

Endlich sind die drei ungleichen gleichpoligen Axen, welche sich ge-
genseitig unter rechten Winkeln halbiren und welche den Character des
rhombischen Krystallsystems bestimmen, auch in einigen Radiolarien vor-
handen, welche scheinbar sehr eigenthümliche Formen bilden, so nament-
lich in Didymocyrtis und Ommatospyris (Rad. p. 439, p. 444; Taf. XXII,
Fig. 14—16).

Zweite Familie der Stauraxonien.
Ungleichpolige Kreuzaxige. Heteropola.
Stereometrische Grundform: Pyramide (Taf. I).

Obgleich die im vorigen Abschnitt betrachteten homopolen Staur-
axonien von hohem morphologischem Interesse sind wegen der un-
zweifelhaften Identität ihrer Grundform mit derjenigen zweier Krystall-
systeme, so sind sie dennoch, gleich allen anderen im Vorhergehenden
untersuchten Grundformen, bisher gar nicht oder doch fast gar nicht
beachtet werden, weil sie gewöhnlich nur bei morphologischen Indi-
viduen niederster (erster und zweiter) Ordnung vorkommen, und weil
sie als materielles Substrat von actuellen Bionten nur auf eine ver-
hältnissmässig kleine Reihe von niederen Organismen, insbesondere
Radiolarien, beschränkt sind. Die bisherigen Untersuchungen über
die allgemeinen Grundformen der Organismen haben sich vielmehr
ausschliesslich mit solchen Gestalten beschäftigt, welche der Formen-
gruppe der heteropolen Stauraxonien angehören, die wir kurz die
Heteropolen nennen wollen. Allerdings ist diese Formengruppe,
zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen, insofern von überwiegender
Wichtigkeit, als sie die Grundformen für die actuellen Bionten aller
höheren Thiere und Pflanzen liefert, und mithin auch die grössten
und am meisten auffallenden Formen der ganzen Organismen-Welt.
Indessen wird doch durch den Umstand, dass die Metameren und
Personen fast sämmtlicher Wirbelthiere, Arthropoden, Würmer, Mol-
lusken, Echinodermen und Coelenteraten, sowie fast aller Phaneroga-
men und höheren Cryptogamen der heteropolen Stauraxonform ange-
hören, eine besondere Dignität dieser Grundform an sich noch keines-
wegs bedingt. Vielmehr hoffen wir durch die vorhergehenden Unter-
suchungen den Beweis geliefert zu haben, dass die bisher ganz ver-
nachlässigten Grundformen der homopolen Stauraxonien, der Mon-
axonien, Polyaxonien u. s. w. für die allgemeine Morphologie von

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[452/0491] System der organischen Grundformen. Tetrapyle octacantha, ein Ommatid, welchem Johannes Müller eine ganze Tafel seiner Radiolarien-Abhandlung gewidmet hat (Taf. II, Fig. 12, 13; Taf. II1) zeigt dieselbe Grundform. Ueber Spongocyclia elliptica (Rad. Taf. XXVIII, Fig. 2) kann ebenso wohl die rectanguläre, als die rhombi- sche Säule construirt werden. Endlich sind die drei ungleichen gleichpoligen Axen, welche sich ge- genseitig unter rechten Winkeln halbiren und welche den Character des rhombischen Krystallsystems bestimmen, auch in einigen Radiolarien vor- handen, welche scheinbar sehr eigenthümliche Formen bilden, so nament- lich in Didymocyrtis und Ommatospyris (Rad. p. 439, p. 444; Taf. XXII, Fig. 14—16). Zweite Familie der Stauraxonien. Ungleichpolige Kreuzaxige. Heteropola. Stereometrische Grundform: Pyramide (Taf. I). Obgleich die im vorigen Abschnitt betrachteten homopolen Staur- axonien von hohem morphologischem Interesse sind wegen der un- zweifelhaften Identität ihrer Grundform mit derjenigen zweier Krystall- systeme, so sind sie dennoch, gleich allen anderen im Vorhergehenden untersuchten Grundformen, bisher gar nicht oder doch fast gar nicht beachtet werden, weil sie gewöhnlich nur bei morphologischen Indi- viduen niederster (erster und zweiter) Ordnung vorkommen, und weil sie als materielles Substrat von actuellen Bionten nur auf eine ver- hältnissmässig kleine Reihe von niederen Organismen, insbesondere Radiolarien, beschränkt sind. Die bisherigen Untersuchungen über die allgemeinen Grundformen der Organismen haben sich vielmehr ausschliesslich mit solchen Gestalten beschäftigt, welche der Formen- gruppe der heteropolen Stauraxonien angehören, die wir kurz die Heteropolen nennen wollen. Allerdings ist diese Formengruppe, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen, insofern von überwiegender Wichtigkeit, als sie die Grundformen für die actuellen Bionten aller höheren Thiere und Pflanzen liefert, und mithin auch die grössten und am meisten auffallenden Formen der ganzen Organismen-Welt. Indessen wird doch durch den Umstand, dass die Metameren und Personen fast sämmtlicher Wirbelthiere, Arthropoden, Würmer, Mol- lusken, Echinodermen und Coelenteraten, sowie fast aller Phaneroga- men und höheren Cryptogamen der heteropolen Stauraxonform ange- hören, eine besondere Dignität dieser Grundform an sich noch keines- wegs bedingt. Vielmehr hoffen wir durch die vorhergehenden Unter- suchungen den Beweis geliefert zu haben, dass die bisher ganz ver- nachlässigten Grundformen der homopolen Stauraxonien, der Mon- axonien, Polyaxonien u. s. w. für die allgemeine Morphologie von

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/491>, abgerufen am 23.11.2024.