Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

System der organischen Grundformen.
von Corydalis angeführt werden, namentlich C. sempervirens, (Taf. II,
Fig. 21). Hier ist jedes einzelne Pollenkorn ein reguläres Tetraeder.
Anderemale verbinden sich vier Pollen-Zellen zur geometrischen Tetrae-
der-Form, z. B. bei Erica multiflora, Drimys Winteri etc. Das Tetraeder
ist stets aus vier congruenten Antimeren oder Parameren zusammen-
gesetzt, deren jedes eine reguläre dreiseitige Pyramide bildet (Triacti-
noten-Form). Die Hauptaxe (Längsaxe) jeder Pyramide ist zugleich
eine Flächenaxe des Tetraeders. Diese vier Flächenaxen finden sich
in höchst merkwürdiger Weise rein verkörpert in den anorganischen
Skeletbildungen einiger Protisten, den seltsamen Kiesel-Spicula näm-
lich, welche als Hülle von schützenden Stacheln die Centralkapseln
mehrerer Sphaerozoiden umgeben. Die Grundform des regulären Te-
traeders ist hier schon von Johannes Müller in den vierschenkeligen
Nadeln mehrerer Sphaerozoen erkannt worden (Abhandl. p. 54, Taf.
VIII, Fig. 2, 3). Bei Rhaphidozoum acuferum findet sich zwischen den
einfachen linearen Nadeln "eine zweite Art der Spicula, eine vier-
schenkelige Nadel, deren Schenkel unter gleichen Winkeln in einem
Punkt zusammentreffen, gleich den Flächenaxen eines einzigen Te-
traeders." (Rad. Taf. XXXII, Fig. 9--11). Bei Sphaerozoum punc-
tatum
und S. ovodimare "bestehen die Spicula aus einem Mittelbalken,
dessen entgegengesetzte Enden in drei divergirende Schenkel aus-
laufen, welche sowie der Mittelbalken gleich den Flächenaxen eines
Tetraeders gestellt sind. Stellt man sich zwei Tetraeder mit einer
der Flächen vereinigt vor, so haben sie eine der Flächenaxen gemein-
sam, die anderen Flächenaxen frei auslaufend. Genau so sind die
Schenkel der Spicula gestellt. Die Spicula gleichen also den Flächen-
axen zweier vereinigter Tetraeder." (Rad. Taf. XXXIII, Fig. 6, 7.)
Man braucht in der That bei diesen Sphaerozoiden bloss die Spitzen
der Spicula-Schenkel durch Linien zu verbinden, und durch diese
Linien Flächen zu legen, um das regulär Tetraeder zu erhalten.
Es sind also hier beim Tetraeder, wie beim Hexaeder von Actinomma,
nicht die Grenzflächen oder Kanten, sondern die Axen des regulären
Polyeder, welche als reguläre zusammengestellte Kieselnadeln die
rhythmische Polyaxonform unverkennbar bezeichnen. (Vergl. Taf. II,
Fig. 20 und 22).

Zweite Ordnung der Heteraxonien:
Hauptaxige. Protaxonia.
Organische Formen mit einer constanten Hauptaxe.

Der kleinen Gruppe der Polyaxonien steht als andere, ungleich
mannichfaltigere und wichtigere Hauptabtheilung der Heteraxonien die
grosse gestaltenreiche Gruppe der Protaxonien gegenüber, die sich
durch die Differenzirung einer einzigen irgendwie ausgezeichneten

System der organischen Grundformen.
von Corydalis angeführt werden, namentlich C. sempervirens, (Taf. II,
Fig. 21). Hier ist jedes einzelne Pollenkorn ein reguläres Tetraeder.
Anderemale verbinden sich vier Pollen-Zellen zur geometrischen Tetrae-
der-Form, z. B. bei Erica multiflora, Drimys Winteri etc. Das Tetraeder
ist stets aus vier congruenten Antimeren oder Parameren zusammen-
gesetzt, deren jedes eine reguläre dreiseitige Pyramide bildet (Triacti-
noten-Form). Die Hauptaxe (Längsaxe) jeder Pyramide ist zugleich
eine Flächenaxe des Tetraeders. Diese vier Flächenaxen finden sich
in höchst merkwürdiger Weise rein verkörpert in den anorganischen
Skeletbildungen einiger Protisten, den seltsamen Kiesel-Spicula näm-
lich, welche als Hülle von schützenden Stacheln die Centralkapseln
mehrerer Sphaerozoiden umgeben. Die Grundform des regulären Te-
traeders ist hier schon von Johannes Müller in den vierschenkeligen
Nadeln mehrerer Sphaerozoen erkannt worden (Abhandl. p. 54, Taf.
VIII, Fig. 2, 3). Bei Rhaphidozoum acuferum findet sich zwischen den
einfachen linearen Nadeln „eine zweite Art der Spicula, eine vier-
schenkelige Nadel, deren Schenkel unter gleichen Winkeln in einem
Punkt zusammentreffen, gleich den Flächenaxen eines einzigen Te-
traeders.“ (Rad. Taf. XXXII, Fig. 9—11). Bei Sphaerozoum punc-
tatum
und S. ovodimare „bestehen die Spicula aus einem Mittelbalken,
dessen entgegengesetzte Enden in drei divergirende Schenkel aus-
laufen, welche sowie der Mittelbalken gleich den Flächenaxen eines
Tetraeders gestellt sind. Stellt man sich zwei Tetraeder mit einer
der Flächen vereinigt vor, so haben sie eine der Flächenaxen gemein-
sam, die anderen Flächenaxen frei auslaufend. Genau so sind die
Schenkel der Spicula gestellt. Die Spicula gleichen also den Flächen-
axen zweier vereinigter Tetraeder.“ (Rad. Taf. XXXIII, Fig. 6, 7.)
Man braucht in der That bei diesen Sphaerozoiden bloss die Spitzen
der Spicula-Schenkel durch Linien zu verbinden, und durch diese
Linien Flächen zu legen, um das regulär Tetraeder zu erhalten.
Es sind also hier beim Tetraeder, wie beim Hexaeder von Actinomma,
nicht die Grenzflächen oder Kanten, sondern die Axen des regulären
Polyeder, welche als reguläre zusammengestellte Kieselnadeln die
rhythmische Polyaxonform unverkennbar bezeichnen. (Vergl. Taf. II,
Fig. 20 und 22).

Zweite Ordnung der Heteraxonien:
Hauptaxige. Protaxonia.
Organische Formen mit einer constanten Hauptaxe.

Der kleinen Gruppe der Polyaxonien steht als andere, ungleich
mannichfaltigere und wichtigere Hauptabtheilung der Heteraxonien die
grosse gestaltenreiche Gruppe der Protaxonien gegenüber, die sich
durch die Differenzirung einer einzigen irgendwie ausgezeichneten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0455" n="416"/><fw place="top" type="header">System der organischen Grundformen.</fw><lb/>
von <hi rendition="#i">Corydalis</hi> angeführt werden, namentlich <hi rendition="#i">C. sempervirens,</hi> (Taf. II,<lb/>
Fig. 21). Hier ist jedes einzelne Pollenkorn ein reguläres Tetraeder.<lb/>
Anderemale verbinden sich vier Pollen-Zellen zur geometrischen Tetrae-<lb/>
der-Form, z. B. bei <hi rendition="#i">Erica multiflora, Drimys Winteri</hi> etc. Das Tetraeder<lb/>
ist stets aus vier congruenten Antimeren oder Parameren zusammen-<lb/>
gesetzt, deren jedes eine reguläre dreiseitige Pyramide bildet (Triacti-<lb/>
noten-Form). Die Hauptaxe (Längsaxe) jeder Pyramide ist zugleich<lb/>
eine Flächenaxe des Tetraeders. Diese vier Flächenaxen finden sich<lb/>
in höchst merkwürdiger Weise rein verkörpert in den anorganischen<lb/>
Skeletbildungen einiger Protisten, den seltsamen Kiesel-Spicula näm-<lb/>
lich, welche als Hülle von schützenden Stacheln die Centralkapseln<lb/>
mehrerer Sphaerozoiden umgeben. Die Grundform des regulären Te-<lb/>
traeders ist hier schon von <hi rendition="#g">Johannes Müller</hi> in den vierschenkeligen<lb/>
Nadeln mehrerer Sphaerozoen erkannt worden (Abhandl. p. 54, Taf.<lb/>
VIII, Fig. 2, 3). Bei <hi rendition="#i">Rhaphidozoum acuferum</hi> findet sich zwischen den<lb/>
einfachen linearen Nadeln &#x201E;eine zweite Art der Spicula, eine vier-<lb/>
schenkelige Nadel, deren Schenkel unter gleichen Winkeln in einem<lb/>
Punkt zusammentreffen, gleich den Flächenaxen eines einzigen Te-<lb/>
traeders.&#x201C; (Rad. Taf. XXXII, Fig. 9&#x2014;11). Bei <hi rendition="#i">Sphaerozoum punc-<lb/>
tatum</hi> und <hi rendition="#i">S. ovodimare</hi> &#x201E;bestehen die Spicula aus einem Mittelbalken,<lb/>
dessen entgegengesetzte Enden in drei divergirende Schenkel aus-<lb/>
laufen, welche sowie der Mittelbalken gleich den Flächenaxen eines<lb/>
Tetraeders gestellt sind. Stellt man sich zwei Tetraeder mit einer<lb/>
der Flächen vereinigt vor, so haben sie eine der Flächenaxen gemein-<lb/>
sam, die anderen Flächenaxen frei auslaufend. Genau so sind die<lb/>
Schenkel der Spicula gestellt. Die Spicula gleichen also den Flächen-<lb/>
axen zweier vereinigter Tetraeder.&#x201C; (Rad. Taf. XXXIII, Fig. 6, 7.)<lb/>
Man braucht in der That bei diesen Sphaerozoiden bloss die Spitzen<lb/>
der Spicula-Schenkel durch Linien zu verbinden, und durch diese<lb/>
Linien Flächen zu legen, um das regulär Tetraeder zu erhalten.<lb/>
Es sind also hier beim Tetraeder, wie beim Hexaeder von <hi rendition="#i">Actinomma,</hi><lb/>
nicht die Grenzflächen oder Kanten, sondern die <hi rendition="#g">Axen</hi> des regulären<lb/>
Polyeder, welche als reguläre zusammengestellte Kieselnadeln die<lb/>
rhythmische Polyaxonform unverkennbar bezeichnen. (Vergl. Taf. II,<lb/>
Fig. 20 und 22).</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Zweite Ordnung der Heteraxonien:<lb/><hi rendition="#b">Hauptaxige. Protaxonia.</hi><lb/><hi rendition="#i">Organische Formen mit einer constanten Hauptaxe.</hi></head><lb/>
            <p>Der kleinen Gruppe der Polyaxonien steht als andere, ungleich<lb/>
mannichfaltigere und wichtigere Hauptabtheilung der Heteraxonien die<lb/>
grosse gestaltenreiche Gruppe der <hi rendition="#g">Protaxonien</hi> gegenüber, die sich<lb/>
durch die Differenzirung einer einzigen irgendwie ausgezeichneten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0455] System der organischen Grundformen. von Corydalis angeführt werden, namentlich C. sempervirens, (Taf. II, Fig. 21). Hier ist jedes einzelne Pollenkorn ein reguläres Tetraeder. Anderemale verbinden sich vier Pollen-Zellen zur geometrischen Tetrae- der-Form, z. B. bei Erica multiflora, Drimys Winteri etc. Das Tetraeder ist stets aus vier congruenten Antimeren oder Parameren zusammen- gesetzt, deren jedes eine reguläre dreiseitige Pyramide bildet (Triacti- noten-Form). Die Hauptaxe (Längsaxe) jeder Pyramide ist zugleich eine Flächenaxe des Tetraeders. Diese vier Flächenaxen finden sich in höchst merkwürdiger Weise rein verkörpert in den anorganischen Skeletbildungen einiger Protisten, den seltsamen Kiesel-Spicula näm- lich, welche als Hülle von schützenden Stacheln die Centralkapseln mehrerer Sphaerozoiden umgeben. Die Grundform des regulären Te- traeders ist hier schon von Johannes Müller in den vierschenkeligen Nadeln mehrerer Sphaerozoen erkannt worden (Abhandl. p. 54, Taf. VIII, Fig. 2, 3). Bei Rhaphidozoum acuferum findet sich zwischen den einfachen linearen Nadeln „eine zweite Art der Spicula, eine vier- schenkelige Nadel, deren Schenkel unter gleichen Winkeln in einem Punkt zusammentreffen, gleich den Flächenaxen eines einzigen Te- traeders.“ (Rad. Taf. XXXII, Fig. 9—11). Bei Sphaerozoum punc- tatum und S. ovodimare „bestehen die Spicula aus einem Mittelbalken, dessen entgegengesetzte Enden in drei divergirende Schenkel aus- laufen, welche sowie der Mittelbalken gleich den Flächenaxen eines Tetraeders gestellt sind. Stellt man sich zwei Tetraeder mit einer der Flächen vereinigt vor, so haben sie eine der Flächenaxen gemein- sam, die anderen Flächenaxen frei auslaufend. Genau so sind die Schenkel der Spicula gestellt. Die Spicula gleichen also den Flächen- axen zweier vereinigter Tetraeder.“ (Rad. Taf. XXXIII, Fig. 6, 7.) Man braucht in der That bei diesen Sphaerozoiden bloss die Spitzen der Spicula-Schenkel durch Linien zu verbinden, und durch diese Linien Flächen zu legen, um das regulär Tetraeder zu erhalten. Es sind also hier beim Tetraeder, wie beim Hexaeder von Actinomma, nicht die Grenzflächen oder Kanten, sondern die Axen des regulären Polyeder, welche als reguläre zusammengestellte Kieselnadeln die rhythmische Polyaxonform unverkennbar bezeichnen. (Vergl. Taf. II, Fig. 20 und 22). Zweite Ordnung der Heteraxonien: Hauptaxige. Protaxonia. Organische Formen mit einer constanten Hauptaxe. Der kleinen Gruppe der Polyaxonien steht als andere, ungleich mannichfaltigere und wichtigere Hauptabtheilung der Heteraxonien die grosse gestaltenreiche Gruppe der Protaxonien gegenüber, die sich durch die Differenzirung einer einzigen irgendwie ausgezeichneten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/455
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/455>, abgerufen am 23.11.2024.