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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Tectologische Thesen.
54. Der Organismus ist, falls er aus ungleichartigen Plastiden
zusammengesetzt ist, um so vollkommener, je ungleichartiger die con-
stituirenden Plastiden sind (Gesetz der Differenzirung der Plastiden).
55. Jede morphologische Individualität irgend einer Ordnung ist
um so vollkommener, je ungleichartiger die in Mehrzahl vorhandenen
Individuen der nächst tieferen Ordnung sind, welche sie constituiren,
je grösser also deren Polymorphismus (Arbeitstheilung, Differen-
zirung) ist.
56. Der Organismus ist um so vollkommener, je abhängiger die
gleichartigen Individualitäten, welche ihn zusammensetzen, von einander
und vom Ganzen sind, und je mehr also der ganze Organismus cen-
tralisirt ist, und alle subordinirten Individualitäten beherrscht (Gesetz
der Centralisation).
57. Jedes einzelne Form-Individuum irgend einer Ordnung ist
dagegen um so vollkommener, je unabhängiger dasselbe von seinen
coordinirten Genossen (den anderen Form-Individuen derselben Ordnung)
und je unabhängiger es zugleich von dem übergeordneten Ganzen ist
(Gesetz der individuellen Autonomie).
58. Der Organismus ist um so vollkommener, je höher zwischen
allen untergeordneten Individualitäten, welche ihn zusammensetzen,
der Grad der Arbeitstheilung und der Grad der Wechselwirkung ist,
je grösser mithin die Differenzirung und die Centralisation des ganzen
Organismus ist.
VII. Thesen von der Vollkommenheit der verschiedenen Individualitäten.
59. Die Form-Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden
und Zellen), sind allgemein um so vollkommener, je grösser die An-
zahl der constituirenden Plasmamoleküle ist, je differenter ihre ato-
mistische Zusammensetzung und folglich ihre physiologische Function
ist, je abhängiger mithin dieselben von einander und von der ganzen
Plastide sind, und je mehr die ganze Plastide centralisirt und von
dem etwa übergeordneten Organe unabhängig ist.
60. Die Form-Individuen zweiter Ordnung, die Organe, sind all-
gemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl ihrer consti-
tuirenden Plastiden ist, je differenter deren chemische Zusammen-
setzung und folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhän-
giger mithin die Plastiden von einander und vom ganzen Organ sind,
und je mehr das ganze Organ centralisirt und von dem etwa über-
geordneten Antimer unabhängig ist.
61. Die Form-Individuen dritter Ordnung oder Antimeren sind
allgemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl der constituiren-
den Organe, je differenter deren histologische Zusammensetzung, und
Tectologische Thesen.
54. Der Organismus ist, falls er aus ungleichartigen Plastiden
zusammengesetzt ist, um so vollkommener, je ungleichartiger die con-
stituirenden Plastiden sind (Gesetz der Differenzirung der Plastiden).
55. Jede morphologische Individualität irgend einer Ordnung ist
um so vollkommener, je ungleichartiger die in Mehrzahl vorhandenen
Individuen der nächst tieferen Ordnung sind, welche sie constituiren,
je grösser also deren Polymorphismus (Arbeitstheilung, Differen-
zirung) ist.
56. Der Organismus ist um so vollkommener, je abhängiger die
gleichartigen Individualitäten, welche ihn zusammensetzen, von einander
und vom Ganzen sind, und je mehr also der ganze Organismus cen-
tralisirt ist, und alle subordinirten Individualitäten beherrscht (Gesetz
der Centralisation).
57. Jedes einzelne Form-Individuum irgend einer Ordnung ist
dagegen um so vollkommener, je unabhängiger dasselbe von seinen
coordinirten Genossen (den anderen Form-Individuen derselben Ordnung)
und je unabhängiger es zugleich von dem übergeordneten Ganzen ist
(Gesetz der individuellen Autonomie).
58. Der Organismus ist um so vollkommener, je höher zwischen
allen untergeordneten Individualitäten, welche ihn zusammensetzen,
der Grad der Arbeitstheilung und der Grad der Wechselwirkung ist,
je grösser mithin die Differenzirung und die Centralisation des ganzen
Organismus ist.
VII. Thesen von der Vollkommenheit der verschiedenen Individualitäten.
59. Die Form-Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden
und Zellen), sind allgemein um so vollkommener, je grösser die An-
zahl der constituirenden Plasmamoleküle ist, je differenter ihre ato-
mistische Zusammensetzung und folglich ihre physiologische Function
ist, je abhängiger mithin dieselben von einander und von der ganzen
Plastide sind, und je mehr die ganze Plastide centralisirt und von
dem etwa übergeordneten Organe unabhängig ist.
60. Die Form-Individuen zweiter Ordnung, die Organe, sind all-
gemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl ihrer consti-
tuirenden Plastiden ist, je differenter deren chemische Zusammen-
setzung und folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhän-
giger mithin die Plastiden von einander und vom ganzen Organ sind,
und je mehr das ganze Organ centralisirt und von dem etwa über-
geordneten Antimer unabhängig ist.
61. Die Form-Individuen dritter Ordnung oder Antimeren sind
allgemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl der constituiren-
den Organe, je differenter deren histologische Zusammensetzung, und
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[372/0411] Tectologische Thesen. 54. Der Organismus ist, falls er aus ungleichartigen Plastiden zusammengesetzt ist, um so vollkommener, je ungleichartiger die con- stituirenden Plastiden sind (Gesetz der Differenzirung der Plastiden). 55. Jede morphologische Individualität irgend einer Ordnung ist um so vollkommener, je ungleichartiger die in Mehrzahl vorhandenen Individuen der nächst tieferen Ordnung sind, welche sie constituiren, je grösser also deren Polymorphismus (Arbeitstheilung, Differen- zirung) ist. 56. Der Organismus ist um so vollkommener, je abhängiger die gleichartigen Individualitäten, welche ihn zusammensetzen, von einander und vom Ganzen sind, und je mehr also der ganze Organismus cen- tralisirt ist, und alle subordinirten Individualitäten beherrscht (Gesetz der Centralisation). 57. Jedes einzelne Form-Individuum irgend einer Ordnung ist dagegen um so vollkommener, je unabhängiger dasselbe von seinen coordinirten Genossen (den anderen Form-Individuen derselben Ordnung) und je unabhängiger es zugleich von dem übergeordneten Ganzen ist (Gesetz der individuellen Autonomie). 58. Der Organismus ist um so vollkommener, je höher zwischen allen untergeordneten Individualitäten, welche ihn zusammensetzen, der Grad der Arbeitstheilung und der Grad der Wechselwirkung ist, je grösser mithin die Differenzirung und die Centralisation des ganzen Organismus ist. VII. Thesen von der Vollkommenheit der verschiedenen Individualitäten. 59. Die Form-Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden und Zellen), sind allgemein um so vollkommener, je grösser die An- zahl der constituirenden Plasmamoleküle ist, je differenter ihre ato- mistische Zusammensetzung und folglich ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin dieselben von einander und von der ganzen Plastide sind, und je mehr die ganze Plastide centralisirt und von dem etwa übergeordneten Organe unabhängig ist. 60. Die Form-Individuen zweiter Ordnung, die Organe, sind all- gemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl ihrer consti- tuirenden Plastiden ist, je differenter deren chemische Zusammen- setzung und folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhän- giger mithin die Plastiden von einander und vom ganzen Organ sind, und je mehr das ganze Organ centralisirt und von dem etwa über- geordneten Antimer unabhängig ist. 61. Die Form-Individuen dritter Ordnung oder Antimeren sind allgemein um so vollkommener, je grösser die Anzahl der constituiren- den Organe, je differenter deren histologische Zusammensetzung, und

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/411>, abgerufen am 01.06.2024.