(Verstümmelung) ihren Ursprung verdanken. Ob auch die merkwürdige Fähigkeit niederer Echinodermen (Synapta), sich selbst freiwillig in zahlreiche Stücke zu zerbrechen, mit diesen Vorgängen bei Seesternen zu- sammenzustellen sei, ist nicht zu entscheiden, da man nicht weiss, ob die einzelnen Stücke der Synapta das Vermögen besitzen, als virtuelle Bion- ten sich zu einer vollständigen Person zu ergänzen. Wäre Dieses aber auch der Fall, so würden diese Theilstücke nicht den Formwerth von Anti- meren, sondern von Metameren, oder von Metameren-Gruppen besitzen.
Unter den Coelenteraten scheint einen ausgezeichneten Fall von virtueller Individualisation der Antimeren das Stomobrachium mirabile darzubie- ten, eine Meduse, welche nach Kölliker durch wiederholte Strahltheilung in einzelne Strahlstücke zerfallen soll, die sich zur actuellen Medusen-Form zu ergänzen vermögen. Doch ist dieser merkwürdige Selbsttheilungs-Pro- cess in seinen einzelnen Beziehungen noch nicht näher untersucht, und es ist noch fraglich, ob die kleinsten Strahlstücke, welche durch fortgesetzte Dira- diation entstehen, wirklich einzelne Antimeren, oder nicht vielmehr Anti- meren-Gruppen sind.
III. C. Die Antimeren als partielle Bionten.
Einzelne Theilstücke höherer Organismen, welche, abgelöst vom Ganzen, selbstständig fortzuleben vermögen, ohne sich zum actuellen Bion zu ergänzen, treten, wie wir vorher sahen, häufig in Gestalt von Organen, aber wohl nur selten in Gestalt von Antimeren auf. Man kann als solche partielle Bionten vom Formwerthe einzelner Antimeren z. B. einzelne abgerissene Seestern-Arme nebst zugehörigem Scheiben- stücke betrachten, welche unter Umständen längere Zeit sich selbst- ständig zu erhalten fähig sind, ohne doch zu einem actuellen Bion sich vollständig entwickeln zu können. Doch sind diese Fälle selten und von keiner grossen Bedeutung. Auch bei einigen Hydromedusen kommen dergleichen vor.
IV. Die Metameren als Bionten. Physiologische Individuen vierter Ordnung.
Weit häufiger und allgemeiner, als die Antimeren, erhalten die Metameren oder Folgestücke den physiologischen Werth eines selbst- ständigen Bion. Es vermögen häufig isolirte Metameren als partielle Bionten ihre Existenz zu fristen (z. B. die Proglottiden der Band- würmer). Ferner finden sich Metameren als virtuelle Bionten im Ent- wickelungskreise aller höheren Thiere und Pflanzen vor. Endlich giebt es grosse Abtheilungen des Thierreichs, z. B. die Mollusken, welche als actuelle Bionten fast allgemein nur den Formwerth von Metameren erhalten.
III. Die Antimeren als Bionten.
(Verstümmelung) ihren Ursprung verdanken. Ob auch die merkwürdige Fähigkeit niederer Echinodermen (Synapta), sich selbst freiwillig in zahlreiche Stücke zu zerbrechen, mit diesen Vorgängen bei Seesternen zu- sammenzustellen sei, ist nicht zu entscheiden, da man nicht weiss, ob die einzelnen Stücke der Synapta das Vermögen besitzen, als virtuelle Bion- ten sich zu einer vollständigen Person zu ergänzen. Wäre Dieses aber auch der Fall, so würden diese Theilstücke nicht den Formwerth von Anti- meren, sondern von Metameren, oder von Metameren-Gruppen besitzen.
Unter den Coelenteraten scheint einen ausgezeichneten Fall von virtueller Individualisation der Antimeren das Stomobrachium mirabile darzubie- ten, eine Meduse, welche nach Kölliker durch wiederholte Strahltheilung in einzelne Strahlstücke zerfallen soll, die sich zur actuellen Medusen-Form zu ergänzen vermögen. Doch ist dieser merkwürdige Selbsttheilungs-Pro- cess in seinen einzelnen Beziehungen noch nicht näher untersucht, und es ist noch fraglich, ob die kleinsten Strahlstücke, welche durch fortgesetzte Dira- diation entstehen, wirklich einzelne Antimeren, oder nicht vielmehr Anti- meren-Gruppen sind.
III. C. Die Antimeren als partielle Bionten.
Einzelne Theilstücke höherer Organismen, welche, abgelöst vom Ganzen, selbstständig fortzuleben vermögen, ohne sich zum actuellen Bion zu ergänzen, treten, wie wir vorher sahen, häufig in Gestalt von Organen, aber wohl nur selten in Gestalt von Antimeren auf. Man kann als solche partielle Bionten vom Formwerthe einzelner Antimeren z. B. einzelne abgerissene Seestern-Arme nebst zugehörigem Scheiben- stücke betrachten, welche unter Umständen längere Zeit sich selbst- ständig zu erhalten fähig sind, ohne doch zu einem actuellen Bion sich vollständig entwickeln zu können. Doch sind diese Fälle selten und von keiner grossen Bedeutung. Auch bei einigen Hydromedusen kommen dergleichen vor.
IV. Die Metameren als Bionten. Physiologische Individuen vierter Ordnung.
Weit häufiger und allgemeiner, als die Antimeren, erhalten die Metameren oder Folgestücke den physiologischen Werth eines selbst- ständigen Bion. Es vermögen häufig isolirte Metameren als partielle Bionten ihre Existenz zu fristen (z. B. die Proglottiden der Band- würmer). Ferner finden sich Metameren als virtuelle Bionten im Ent- wickelungskreise aller höheren Thiere und Pflanzen vor. Endlich giebt es grosse Abtheilungen des Thierreichs, z. B. die Mollusken, welche als actuelle Bionten fast allgemein nur den Formwerth von Metameren erhalten.
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(Verstümmelung) ihren Ursprung verdanken. Ob auch die merkwürdige
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zahlreiche Stücke zu zerbrechen, mit diesen Vorgängen bei Seesternen zu-
sammenzustellen sei, ist nicht zu entscheiden, da man nicht weiss, ob die
einzelnen Stücke der Synapta das Vermögen besitzen, als virtuelle Bion-
ten sich zu einer vollständigen Person zu ergänzen. Wäre Dieses aber
auch der Fall, so würden diese Theilstücke nicht den Formwerth von Anti-
meren, sondern von Metameren, oder von Metameren-Gruppen besitzen.
Unter den Coelenteraten scheint einen ausgezeichneten Fall von virtueller
Individualisation der Antimeren das Stomobrachium mirabile darzubie-
ten, eine Meduse, welche nach Kölliker durch wiederholte Strahltheilung
in einzelne Strahlstücke zerfallen soll, die sich zur actuellen Medusen-Form
zu ergänzen vermögen. Doch ist dieser merkwürdige Selbsttheilungs-Pro-
cess in seinen einzelnen Beziehungen noch nicht näher untersucht, und es ist
noch fraglich, ob die kleinsten Strahlstücke, welche durch fortgesetzte Dira-
diation entstehen, wirklich einzelne Antimeren, oder nicht vielmehr Anti-
meren-Gruppen sind.
III. C. Die Antimeren als partielle Bionten.
Einzelne Theilstücke höherer Organismen, welche, abgelöst vom
Ganzen, selbstständig fortzuleben vermögen, ohne sich zum actuellen
Bion zu ergänzen, treten, wie wir vorher sahen, häufig in Gestalt von
Organen, aber wohl nur selten in Gestalt von Antimeren auf. Man
kann als solche partielle Bionten vom Formwerthe einzelner Antimeren
z. B. einzelne abgerissene Seestern-Arme nebst zugehörigem Scheiben-
stücke betrachten, welche unter Umständen längere Zeit sich selbst-
ständig zu erhalten fähig sind, ohne doch zu einem actuellen Bion
sich vollständig entwickeln zu können. Doch sind diese Fälle selten
und von keiner grossen Bedeutung. Auch bei einigen Hydromedusen
kommen dergleichen vor.
IV. Die Metameren als Bionten.
Physiologische Individuen vierter Ordnung.
Weit häufiger und allgemeiner, als die Antimeren, erhalten die
Metameren oder Folgestücke den physiologischen Werth eines selbst-
ständigen Bion. Es vermögen häufig isolirte Metameren als partielle
Bionten ihre Existenz zu fristen (z. B. die Proglottiden der Band-
würmer). Ferner finden sich Metameren als virtuelle Bionten im Ent-
wickelungskreise aller höheren Thiere und Pflanzen vor. Endlich
giebt es grosse Abtheilungen des Thierreichs, z. B. die Mollusken,
welche als actuelle Bionten fast allgemein nur den Formwerth von
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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