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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Physiologische Individualität der Organismen.
Zehntes Capitel.
Physiologische Individualität der Organismen.
"Das Anerkennen eines Neben-, Mit- und
Ineinanderseins und Wirkens verwandter le-
bendiger Wesen leitet uns bei jeder Betrach-
tung des Organismus und erleuchtet den
Stufenweg vom Unvollkommenen zum Voll-
kommenen."
Goethe.

I. Die Plastiden als Bionten.
Physiologische Individuen erster Ordnung.

Jede der sechs wesentlich verschiedenen Formeinheiten, welche
wir im vorigen Capitel als sechs verschiedene Ordnungen der mor-
phologischen Individualität unterschieden haben, tritt bei gewissen
Organismen-Arten als physiologisches Individuum oder Bion auf. Wir
haben mit diesem Ausdruck diejenige einheitliche Raumgrösse bezeichnet,
welche als lebendiger Organismus, als centralisirte Lebenseinheit, voll-
kommen selbstständig längere oder kürzere Zeit hindurch eine eigene
Existenz zu führen vermag; eine Existenz, welche sich in allen Fällen
in der Bethätigung der allgemeinsten organischen Function äussert,
in der Selbsterhaltung durch Stoffwechsel. Auch andere Lebensfunc-
tionen, die Fortpflanzung oder die Erhaltung der Art, sowie die Ver-
mittelung ihrer Beziehungen zur Aussenwelt, z. B. durch Ortsbewegungen,
vermag das physiologische Individuum zu verrichten, ohne dass jedoch
die Verrichtung dieser Functionen als nothwendig zum Begriffe des
Bion betrachtet werden müsste. Das Bion oder Functions-Individuum

Physiologische Individualität der Organismen.
Zehntes Capitel.
Physiologische Individualität der Organismen.
„Das Anerkennen eines Neben-, Mit- und
Ineinanderseins und Wirkens verwandter le-
bendiger Wesen leitet uns bei jeder Betrach-
tung des Organismus und erleuchtet den
Stufenweg vom Unvollkommenen zum Voll-
kommenen.“
Goethe.

I. Die Plastiden als Bionten.
Physiologische Individuen erster Ordnung.

Jede der sechs wesentlich verschiedenen Formeinheiten, welche
wir im vorigen Capitel als sechs verschiedene Ordnungen der mor-
phologischen Individualität unterschieden haben, tritt bei gewissen
Organismen-Arten als physiologisches Individuum oder Bion auf. Wir
haben mit diesem Ausdruck diejenige einheitliche Raumgrösse bezeichnet,
welche als lebendiger Organismus, als centralisirte Lebenseinheit, voll-
kommen selbstständig längere oder kürzere Zeit hindurch eine eigene
Existenz zu führen vermag; eine Existenz, welche sich in allen Fällen
in der Bethätigung der allgemeinsten organischen Function äussert,
in der Selbsterhaltung durch Stoffwechsel. Auch andere Lebensfunc-
tionen, die Fortpflanzung oder die Erhaltung der Art, sowie die Ver-
mittelung ihrer Beziehungen zur Aussenwelt, z. B. durch Ortsbewegungen,
vermag das physiologische Individuum zu verrichten, ohne dass jedoch
die Verrichtung dieser Functionen als nothwendig zum Begriffe des
Bion betrachtet werden müsste. Das Bion oder Functions-Individuum

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[332/0371] Physiologische Individualität der Organismen. Zehntes Capitel. Physiologische Individualität der Organismen. „Das Anerkennen eines Neben-, Mit- und Ineinanderseins und Wirkens verwandter le- bendiger Wesen leitet uns bei jeder Betrach- tung des Organismus und erleuchtet den Stufenweg vom Unvollkommenen zum Voll- kommenen.“ Goethe. I. Die Plastiden als Bionten. Physiologische Individuen erster Ordnung. Jede der sechs wesentlich verschiedenen Formeinheiten, welche wir im vorigen Capitel als sechs verschiedene Ordnungen der mor- phologischen Individualität unterschieden haben, tritt bei gewissen Organismen-Arten als physiologisches Individuum oder Bion auf. Wir haben mit diesem Ausdruck diejenige einheitliche Raumgrösse bezeichnet, welche als lebendiger Organismus, als centralisirte Lebenseinheit, voll- kommen selbstständig längere oder kürzere Zeit hindurch eine eigene Existenz zu führen vermag; eine Existenz, welche sich in allen Fällen in der Bethätigung der allgemeinsten organischen Function äussert, in der Selbsterhaltung durch Stoffwechsel. Auch andere Lebensfunc- tionen, die Fortpflanzung oder die Erhaltung der Art, sowie die Ver- mittelung ihrer Beziehungen zur Aussenwelt, z. B. durch Ortsbewegungen, vermag das physiologische Individuum zu verrichten, ohne dass jedoch die Verrichtung dieser Functionen als nothwendig zum Begriffe des Bion betrachtet werden müsste. Das Bion oder Functions-Individuum

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/371>, abgerufen am 23.11.2024.