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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Morphologische Individualität der Organismen.
Homologie übrig, allgemeine und specielle Homologie. Von diesen fällt
die allgemeine Homologie zusammen mit dem, was Bronn Homonymie
nennt, während die specielle Homologie diejenige Beziehung zweier zu
vergleichender Theile bezeichnet, welche die vergleichende Anatomie
kurzweg Homologie nennt. Beide Ausdrücke sind rein morphologi-
scher
Natur und vergleichen lediglich die Form der beiden entsprechen-
den Theile, während diejenige physiologische Art der Vergleichung, welche
sich auf die Function zweier correspondirender Theile bezieht, allgemein
Analogie genannt wird.1) Die Homonymie vergleicht zwei correspon-
dirende Theile eines und desselben Thieres, während die Homologie zwei
entsprechende Theile von zwei verschiedenen Thieren in Vergleichung
zieht.

Wollen wir den viel gebrauchten, aber auch viel missbrauchten
Begriff der Homologie fernerhin mit Vortheil anwenden, so ist es
nothwendig, ihn bestimmt zu präcisiren und stets nur in dem zuletzt
erwähnten Sinne (von Owens "specieller Homologie") anzuwen-
den, indem wir zwei oder mehrere entsprechende Theile von
zwei oder mehreren verschiedenen Organismen
in Bezug auf
ihre gemeinsame Grundform vergleichend betrachten. Hierbei können
wir schon im Voraus darauf hinweisen (was im sechsten Buche näher
erläutert werden wird), dass eine solche wahre Homologie nur
stattfinden kann zwischen zwei Theilen, welche aus der gleichen
ursprünglichen Anlage
entstanden sind und sich erst im Laufe
der Zeit durch Differenzirung von einander entfernt haben. Dem-
gemäss können auch nur zwei Theile homolog sein, welche zwei
Thieren eines und desselben Stammes
(oder Kreises, Phylon)
angehören (z. B. zwei Wirbelthieren, oder zwei Gliederthieren); nie-
mals kann aber eine wahre Homologie stattfinden zwischen zwei
Theilen, welche zwei Thierformen von zwei verschiedenen Stämmen
angehören, z. B. zwischen zwei Theilen eines Wirbelthiers und eines
Gliederthiers, mögen dieselben auch noch so ähnlich zu sein scheinen.

Auch den Begriff der Homonymie Bronn's (der mit Owen's

1) Obgleich der Unterschied der Homologie und Analogie ein so klarer
und bestimmter ist, werden beide Ausdrücke dennoch sehr häufig verwechselt
und durch die Vermischuug beider Begriffe grosse Verwirrung angerichtet. Es
mag daher hier nochmals scharf hervorgehoben werden, dass beide Begriffe nur
durch das gemeinsame Tertium der Vergleichung mit einander zusammen-
hängen, dass sie zwei verschiedene Arten der Vergleichung sind. Die
Analogie oder die physiologische Vergleichung kann nur die ent-
sprechende Function zweier Theile betreffen, während die Homologie oder
die morphologische Vergleichung stets nur die correspondirende Form
zweier Theile betreffen kann. Analog sind z. B. die Kiemen der Fische und
die Lungen der Säugethiere, während homolog die Schwimmblasen der Fische
und die Lungen der Säugethiere sind.

Morphologische Individualität der Organismen.
Homologie übrig, allgemeine und specielle Homologie. Von diesen fällt
die allgemeine Homologie zusammen mit dem, was Bronn Homonymie
nennt, während die specielle Homologie diejenige Beziehung zweier zu
vergleichender Theile bezeichnet, welche die vergleichende Anatomie
kurzweg Homologie nennt. Beide Ausdrücke sind rein morphologi-
scher
Natur und vergleichen lediglich die Form der beiden entsprechen-
den Theile, während diejenige physiologische Art der Vergleichung, welche
sich auf die Function zweier correspondirender Theile bezieht, allgemein
Analogie genannt wird.1) Die Homonymie vergleicht zwei correspon-
dirende Theile eines und desselben Thieres, während die Homologie zwei
entsprechende Theile von zwei verschiedenen Thieren in Vergleichung
zieht.

Wollen wir den viel gebrauchten, aber auch viel missbrauchten
Begriff der Homologie fernerhin mit Vortheil anwenden, so ist es
nothwendig, ihn bestimmt zu präcisiren und stets nur in dem zuletzt
erwähnten Sinne (von Owens „specieller Homologie“) anzuwen-
den, indem wir zwei oder mehrere entsprechende Theile von
zwei oder mehreren verschiedenen Organismen
in Bezug auf
ihre gemeinsame Grundform vergleichend betrachten. Hierbei können
wir schon im Voraus darauf hinweisen (was im sechsten Buche näher
erläutert werden wird), dass eine solche wahre Homologie nur
stattfinden kann zwischen zwei Theilen, welche aus der gleichen
ursprünglichen Anlage
entstanden sind und sich erst im Laufe
der Zeit durch Differenzirung von einander entfernt haben. Dem-
gemäss können auch nur zwei Theile homolog sein, welche zwei
Thieren eines und desselben Stammes
(oder Kreises, Phylon)
angehören (z. B. zwei Wirbelthieren, oder zwei Gliederthieren); nie-
mals kann aber eine wahre Homologie stattfinden zwischen zwei
Theilen, welche zwei Thierformen von zwei verschiedenen Stämmen
angehören, z. B. zwischen zwei Theilen eines Wirbelthiers und eines
Gliederthiers, mögen dieselben auch noch so ähnlich zu sein scheinen.

Auch den Begriff der Homonymie Bronn’s (der mit Owen’s

1) Obgleich der Unterschied der Homologie und Analogie ein so klarer
und bestimmter ist, werden beide Ausdrücke dennoch sehr häufig verwechselt
und durch die Vermischuug beider Begriffe grosse Verwirrung angerichtet. Es
mag daher hier nochmals scharf hervorgehoben werden, dass beide Begriffe nur
durch das gemeinsame Tertium der Vergleichung mit einander zusammen-
hängen, dass sie zwei verschiedene Arten der Vergleichung sind. Die
Analogie oder die physiologische Vergleichung kann nur die ent-
sprechende Function zweier Theile betreffen, während die Homologie oder
die morphologische Vergleichung stets nur die correspondirende Form
zweier Theile betreffen kann. Analog sind z. B. die Kiemen der Fische und
die Lungen der Säugethiere, während homolog die Schwimmblasen der Fische
und die Lungen der Säugethiere sind.
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[314/0353] Morphologische Individualität der Organismen. Homologie übrig, allgemeine und specielle Homologie. Von diesen fällt die allgemeine Homologie zusammen mit dem, was Bronn Homonymie nennt, während die specielle Homologie diejenige Beziehung zweier zu vergleichender Theile bezeichnet, welche die vergleichende Anatomie kurzweg Homologie nennt. Beide Ausdrücke sind rein morphologi- scher Natur und vergleichen lediglich die Form der beiden entsprechen- den Theile, während diejenige physiologische Art der Vergleichung, welche sich auf die Function zweier correspondirender Theile bezieht, allgemein Analogie genannt wird. 1) Die Homonymie vergleicht zwei correspon- dirende Theile eines und desselben Thieres, während die Homologie zwei entsprechende Theile von zwei verschiedenen Thieren in Vergleichung zieht. Wollen wir den viel gebrauchten, aber auch viel missbrauchten Begriff der Homologie fernerhin mit Vortheil anwenden, so ist es nothwendig, ihn bestimmt zu präcisiren und stets nur in dem zuletzt erwähnten Sinne (von Owens „specieller Homologie“) anzuwen- den, indem wir zwei oder mehrere entsprechende Theile von zwei oder mehreren verschiedenen Organismen in Bezug auf ihre gemeinsame Grundform vergleichend betrachten. Hierbei können wir schon im Voraus darauf hinweisen (was im sechsten Buche näher erläutert werden wird), dass eine solche wahre Homologie nur stattfinden kann zwischen zwei Theilen, welche aus der gleichen ursprünglichen Anlage entstanden sind und sich erst im Laufe der Zeit durch Differenzirung von einander entfernt haben. Dem- gemäss können auch nur zwei Theile homolog sein, welche zwei Thieren eines und desselben Stammes (oder Kreises, Phylon) angehören (z. B. zwei Wirbelthieren, oder zwei Gliederthieren); nie- mals kann aber eine wahre Homologie stattfinden zwischen zwei Theilen, welche zwei Thierformen von zwei verschiedenen Stämmen angehören, z. B. zwischen zwei Theilen eines Wirbelthiers und eines Gliederthiers, mögen dieselben auch noch so ähnlich zu sein scheinen. Auch den Begriff der Homonymie Bronn’s (der mit Owen’s 1) Obgleich der Unterschied der Homologie und Analogie ein so klarer und bestimmter ist, werden beide Ausdrücke dennoch sehr häufig verwechselt und durch die Vermischuug beider Begriffe grosse Verwirrung angerichtet. Es mag daher hier nochmals scharf hervorgehoben werden, dass beide Begriffe nur durch das gemeinsame Tertium der Vergleichung mit einander zusammen- hängen, dass sie zwei verschiedene Arten der Vergleichung sind. Die Analogie oder die physiologische Vergleichung kann nur die ent- sprechende Function zweier Theile betreffen, während die Homologie oder die morphologische Vergleichung stets nur die correspondirende Form zweier Theile betreffen kann. Analog sind z. B. die Kiemen der Fische und die Lungen der Säugethiere, während homolog die Schwimmblasen der Fische und die Lungen der Säugethiere sind.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/353>, abgerufen am 23.11.2024.