Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Morphologische Individualität der Organismen.
gane durch die verschiedenen Gewebe der Bindegewebsgruppe herbei-
geführt. Alle diese den ganzen Körper der höheren Thiere durch-
ziehenden Organe senden ihre Zweige und Ausläufer in das Innere
der meisten übrigen Organe hinein, wo sie sich zwischen deren con-
stituirenden Geweben ausbreiten. In gleicher Weise wird bei den
höheren Pflanzen der ganze Körper von den "Gefässen" durchzogen,
welche überall in die von einfachen Gewebsformen (Parenchym, Pros-
enchym, Merenchym) constituirten Axorgane und Blattorgane ein-
dringen und so deren Natur als heteroplastische Organe bedingen.

Die grosse Mehrzahl der Organe, wenigstens bei den höheren
Thieren und Pflanzen, ist also insofern zusammengesetzt, als sie nicht
allein aus den Plastiden der specifischen Gewebsform zusammengesetzt
sind, welche ihre eigenthümlichen Leistungen vermitteln, sondern auch
noch Aeste des Nervensystems oder Aeste der Gefässbündel erhalten,
welche sie mit dem übrigen Organismus in Beziehung setzen, Aeste
des Gefässsystems, welches sie ernährt, Aeste, Scheiden und Hüllen
des Bindegewebssystems, welches sie stützt, umschliesst und mit den
benachbarten verbindet. In dieser Weise zusammengesetzte Organe
sind bei den Thieren die einzelnen Muskeln, die einzelnen Nerven,
die einzelnen Knochen, Blutgefässe, Drüsen, Schleimhäute etc.; bei den
höheren Pflanzen die einzelnen Blätter und die verschiedenen Axorgane.

Eine allgemeine Uebersicht der heteroplastischen oder zusammen-
gesetzten Organe (welche eigentlich den Begriff des "Organs" kat'
exokhen im engsten morphologischen Sinne repräsentiren), ist hier nicht
am Orte und würde viel zu weit führen, zumal die Art und Weise,
in welcher sich die Cytocormen (Muskeln, Nerven etc.) und die ver-
schiedenen Plastiden-Arten oder Gewebe (Bindegewebe, Decken-
gewebe etc.) zu zusammengesetzten Organen verbinden, in den ver-
schiedenen Abtheilungen des Thierreichs äusserst verschiedenartig und
bei den höheren Thieren sehr verwickelt ist. Einfacher ist dies Ver-
hältniss bei den höheren Pflanzen, wo sich alle verschiedenen hetero-
plastischen Organe als Modificationen von nur zwei verschiedenen
Grundorganen nachweisen lassen: Axorgane und Blattorgane.
Wollte man die äusserst mannichfaltigen zusammengesetzten Organe
der Thiere in ähnlicher Weise auf einige wenige Fundamentalorgane
reduciren, so könnte man allgemein höchstens Rumpforgane und
Extremitäten unterscheiden. Da die thierischen Rumpforgane als
axiale Theile gewissermaassen den pflanzlichen Axorganen, und die
Extremitäten als seitliche Theile den pflanzlichen Blattorganen ent-
sprechen, so könnte man allgemein bei den Organismen zwei Reihen
von zusammengesetzten oder heteroplastischen Organen unterscheiden:
I. Axial-Organe (Rumpftheile, Stengeltheile etc.); II. Lateral-
Organe
(Extremitäten, Blätter etc.).

Morphologische Individualität der Organismen.
gane durch die verschiedenen Gewebe der Bindegewebsgruppe herbei-
geführt. Alle diese den ganzen Körper der höheren Thiere durch-
ziehenden Organe senden ihre Zweige und Ausläufer in das Innere
der meisten übrigen Organe hinein, wo sie sich zwischen deren con-
stituirenden Geweben ausbreiten. In gleicher Weise wird bei den
höheren Pflanzen der ganze Körper von den „Gefässen“ durchzogen,
welche überall in die von einfachen Gewebsformen (Parenchym, Pros-
enchym, Merenchym) constituirten Axorgane und Blattorgane ein-
dringen und so deren Natur als heteroplastische Organe bedingen.

Die grosse Mehrzahl der Organe, wenigstens bei den höheren
Thieren und Pflanzen, ist also insofern zusammengesetzt, als sie nicht
allein aus den Plastiden der specifischen Gewebsform zusammengesetzt
sind, welche ihre eigenthümlichen Leistungen vermitteln, sondern auch
noch Aeste des Nervensystems oder Aeste der Gefässbündel erhalten,
welche sie mit dem übrigen Organismus in Beziehung setzen, Aeste
des Gefässsystems, welches sie ernährt, Aeste, Scheiden und Hüllen
des Bindegewebssystems, welches sie stützt, umschliesst und mit den
benachbarten verbindet. In dieser Weise zusammengesetzte Organe
sind bei den Thieren die einzelnen Muskeln, die einzelnen Nerven,
die einzelnen Knochen, Blutgefässe, Drüsen, Schleimhäute etc.; bei den
höheren Pflanzen die einzelnen Blätter und die verschiedenen Axorgane.

Eine allgemeine Uebersicht der heteroplastischen oder zusammen-
gesetzten Organe (welche eigentlich den Begriff des „Organs“ κατ᾽
ἐξοχήν im engsten morphologischen Sinne repräsentiren), ist hier nicht
am Orte und würde viel zu weit führen, zumal die Art und Weise,
in welcher sich die Cytocormen (Muskeln, Nerven etc.) und die ver-
schiedenen Plastiden-Arten oder Gewebe (Bindegewebe, Decken-
gewebe etc.) zu zusammengesetzten Organen verbinden, in den ver-
schiedenen Abtheilungen des Thierreichs äusserst verschiedenartig und
bei den höheren Thieren sehr verwickelt ist. Einfacher ist dies Ver-
hältniss bei den höheren Pflanzen, wo sich alle verschiedenen hetero-
plastischen Organe als Modificationen von nur zwei verschiedenen
Grundorganen nachweisen lassen: Axorgane und Blattorgane.
Wollte man die äusserst mannichfaltigen zusammengesetzten Organe
der Thiere in ähnlicher Weise auf einige wenige Fundamentalorgane
reduciren, so könnte man allgemein höchstens Rumpforgane und
Extremitäten unterscheiden. Da die thierischen Rumpforgane als
axiale Theile gewissermaassen den pflanzlichen Axorganen, und die
Extremitäten als seitliche Theile den pflanzlichen Blattorganen ent-
sprechen, so könnte man allgemein bei den Organismen zwei Reihen
von zusammengesetzten oder heteroplastischen Organen unterscheiden:
I. Axial-Organe (Rumpftheile, Stengeltheile etc.); II. Lateral-
Organe
(Extremitäten, Blätter etc.).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0339" n="300"/><fw place="top" type="header">Morphologische Individualität der Organismen.</fw><lb/>
gane durch die verschiedenen Gewebe der Bindegewebsgruppe herbei-<lb/>
geführt. Alle diese den ganzen Körper der höheren Thiere durch-<lb/>
ziehenden Organe senden ihre Zweige und Ausläufer in das Innere<lb/>
der meisten übrigen Organe hinein, wo sie sich zwischen deren con-<lb/>
stituirenden Geweben ausbreiten. In gleicher Weise wird bei den<lb/>
höheren Pflanzen der ganze Körper von den &#x201E;Gefässen&#x201C; durchzogen,<lb/>
welche überall in die von einfachen Gewebsformen (Parenchym, Pros-<lb/>
enchym, Merenchym) constituirten Axorgane und Blattorgane ein-<lb/>
dringen und so deren Natur als heteroplastische Organe bedingen.</p><lb/>
                <p>Die grosse Mehrzahl der Organe, wenigstens bei den höheren<lb/>
Thieren und Pflanzen, ist also insofern zusammengesetzt, als sie nicht<lb/>
allein aus den Plastiden der specifischen Gewebsform zusammengesetzt<lb/>
sind, welche ihre eigenthümlichen Leistungen vermitteln, sondern auch<lb/>
noch Aeste des Nervensystems oder Aeste der Gefässbündel erhalten,<lb/>
welche sie mit dem übrigen Organismus in Beziehung setzen, Aeste<lb/>
des Gefässsystems, welches sie ernährt, Aeste, Scheiden und Hüllen<lb/>
des Bindegewebssystems, welches sie stützt, umschliesst und mit den<lb/>
benachbarten verbindet. In dieser Weise zusammengesetzte Organe<lb/>
sind bei den Thieren die einzelnen Muskeln, die einzelnen Nerven,<lb/>
die einzelnen Knochen, Blutgefässe, Drüsen, Schleimhäute etc.; bei den<lb/>
höheren Pflanzen die einzelnen Blätter und die verschiedenen Axorgane.</p><lb/>
                <p>Eine allgemeine Uebersicht der heteroplastischen oder zusammen-<lb/>
gesetzten Organe (welche eigentlich den Begriff des &#x201E;Organs&#x201C; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x1FBD;<lb/>
&#x1F10;&#x03BE;&#x03BF;&#x03C7;&#x03AE;&#x03BD; im engsten morphologischen Sinne repräsentiren), ist hier nicht<lb/>
am Orte und würde viel zu weit führen, zumal die Art und Weise,<lb/>
in welcher sich die Cytocormen (Muskeln, Nerven etc.) und die ver-<lb/>
schiedenen Plastiden-Arten oder Gewebe (Bindegewebe, Decken-<lb/>
gewebe etc.) zu zusammengesetzten Organen verbinden, in den ver-<lb/>
schiedenen Abtheilungen des Thierreichs äusserst verschiedenartig und<lb/>
bei den höheren Thieren sehr verwickelt ist. Einfacher ist dies Ver-<lb/>
hältniss bei den höheren Pflanzen, wo sich alle verschiedenen hetero-<lb/>
plastischen Organe als Modificationen von nur zwei verschiedenen<lb/>
Grundorganen nachweisen lassen: <hi rendition="#g">Axorgane</hi> und <hi rendition="#g">Blattorgane.</hi><lb/>
Wollte man die äusserst mannichfaltigen zusammengesetzten Organe<lb/>
der Thiere in ähnlicher Weise auf einige wenige Fundamentalorgane<lb/>
reduciren, so könnte man allgemein höchstens <hi rendition="#g">Rumpforgane</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Extremitäten</hi> unterscheiden. Da die thierischen Rumpforgane als<lb/>
axiale Theile gewissermaassen den pflanzlichen Axorganen, und die<lb/>
Extremitäten als seitliche Theile den pflanzlichen Blattorganen ent-<lb/>
sprechen, so könnte man allgemein bei den Organismen zwei Reihen<lb/>
von zusammengesetzten oder heteroplastischen Organen unterscheiden:<lb/>
I. <hi rendition="#g">Axial-Organe</hi> (Rumpftheile, Stengeltheile etc.); II. <hi rendition="#g">Lateral-<lb/>
Organe</hi> (Extremitäten, Blätter etc.).</p>
              </div><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0339] Morphologische Individualität der Organismen. gane durch die verschiedenen Gewebe der Bindegewebsgruppe herbei- geführt. Alle diese den ganzen Körper der höheren Thiere durch- ziehenden Organe senden ihre Zweige und Ausläufer in das Innere der meisten übrigen Organe hinein, wo sie sich zwischen deren con- stituirenden Geweben ausbreiten. In gleicher Weise wird bei den höheren Pflanzen der ganze Körper von den „Gefässen“ durchzogen, welche überall in die von einfachen Gewebsformen (Parenchym, Pros- enchym, Merenchym) constituirten Axorgane und Blattorgane ein- dringen und so deren Natur als heteroplastische Organe bedingen. Die grosse Mehrzahl der Organe, wenigstens bei den höheren Thieren und Pflanzen, ist also insofern zusammengesetzt, als sie nicht allein aus den Plastiden der specifischen Gewebsform zusammengesetzt sind, welche ihre eigenthümlichen Leistungen vermitteln, sondern auch noch Aeste des Nervensystems oder Aeste der Gefässbündel erhalten, welche sie mit dem übrigen Organismus in Beziehung setzen, Aeste des Gefässsystems, welches sie ernährt, Aeste, Scheiden und Hüllen des Bindegewebssystems, welches sie stützt, umschliesst und mit den benachbarten verbindet. In dieser Weise zusammengesetzte Organe sind bei den Thieren die einzelnen Muskeln, die einzelnen Nerven, die einzelnen Knochen, Blutgefässe, Drüsen, Schleimhäute etc.; bei den höheren Pflanzen die einzelnen Blätter und die verschiedenen Axorgane. Eine allgemeine Uebersicht der heteroplastischen oder zusammen- gesetzten Organe (welche eigentlich den Begriff des „Organs“ κατ᾽ ἐξοχήν im engsten morphologischen Sinne repräsentiren), ist hier nicht am Orte und würde viel zu weit führen, zumal die Art und Weise, in welcher sich die Cytocormen (Muskeln, Nerven etc.) und die ver- schiedenen Plastiden-Arten oder Gewebe (Bindegewebe, Decken- gewebe etc.) zu zusammengesetzten Organen verbinden, in den ver- schiedenen Abtheilungen des Thierreichs äusserst verschiedenartig und bei den höheren Thieren sehr verwickelt ist. Einfacher ist dies Ver- hältniss bei den höheren Pflanzen, wo sich alle verschiedenen hetero- plastischen Organe als Modificationen von nur zwei verschiedenen Grundorganen nachweisen lassen: Axorgane und Blattorgane. Wollte man die äusserst mannichfaltigen zusammengesetzten Organe der Thiere in ähnlicher Weise auf einige wenige Fundamentalorgane reduciren, so könnte man allgemein höchstens Rumpforgane und Extremitäten unterscheiden. Da die thierischen Rumpforgane als axiale Theile gewissermaassen den pflanzlichen Axorganen, und die Extremitäten als seitliche Theile den pflanzlichen Blattorganen ent- sprechen, so könnte man allgemein bei den Organismen zwei Reihen von zusammengesetzten oder heteroplastischen Organen unterscheiden: I. Axial-Organe (Rumpftheile, Stengeltheile etc.); II. Lateral- Organe (Extremitäten, Blätter etc.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/339
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/339>, abgerufen am 11.06.2024.