Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Begriff und Aufgabe der Tectologie. erster Ordnung, den Plastiden (Cytoden und Zellen), und erst durchdie Differenzirung der Zellen, welche bei den höheren Organismen (besonders den Thieren) sehr weit geht, verlieren dieselben jene Fähigkeit, oder vielmehr es bleibt dieselbe auf einzelne bestimmte Plastiden (Eier) beschränkt. Ausnahmsweise (Hydra, viele Phanero- gamen) behalten auch noch bei höher differenzirten Organismen zahl- reiche Plastiden diese Entwickelungsfähigkeit bei. Ebenso wenig als letztere darf man die Reproductionsfähigkeit, das Vermögen eines abgelösten Theils, sich zum Ganzen zu ergänzen (Würmer, Coe- lenteraten, viele Phanerogamen), als Kriterium der physiologischen Individualität anwenden, da auch hier das eigentlich Wirksame die ursprünglich allen Plastiden eigene Entwickelungsfähigkeit ist. Will man die physiologische Individualität der Organismen dadurch characteri- siren, so geht die Schärfe ihres Begriffes vollständig verloren. Diese ist nur dadurch zu erhalten, dass wir die Fähigkeit der Selbst- erhaltung als das entscheidende Kriterium hinstellen, sowie es für die morphologische Individualität in der Unfähigkeit der Theilung, in der individuellen Untheilbarkeit liegt. Das Leistungs-Individuum ist der einheitliche Lebensheerd, dessen Existenz mit der Function der Selbsterhaltung erlischt; das Form-Individuum ist die einheitliche Lebensgestalt, deren Existenz mit ihrer Theilung erlischt. Die vielfach aufgeworfene Frage nach der absoluten Individualität Indem wir nun in den folgenden Capiteln das Verhältniss der Begriff und Aufgabe der Tectologie. erster Ordnung, den Plastiden (Cytoden und Zellen), und erst durchdie Differenzirung der Zellen, welche bei den höheren Organismen (besonders den Thieren) sehr weit geht, verlieren dieselben jene Fähigkeit, oder vielmehr es bleibt dieselbe auf einzelne bestimmte Plastiden (Eier) beschränkt. Ausnahmsweise (Hydra, viele Phanero- gamen) behalten auch noch bei höher differenzirten Organismen zahl- reiche Plastiden diese Entwickelungsfähigkeit bei. Ebenso wenig als letztere darf man die Reproductionsfähigkeit, das Vermögen eines abgelösten Theils, sich zum Ganzen zu ergänzen (Würmer, Coe- lenteraten, viele Phanerogamen), als Kriterium der physiologischen Individualität anwenden, da auch hier das eigentlich Wirksame die ursprünglich allen Plastiden eigene Entwickelungsfähigkeit ist. Will man die physiologische Individualität der Organismen dadurch characteri- siren, so geht die Schärfe ihres Begriffes vollständig verloren. Diese ist nur dadurch zu erhalten, dass wir die Fähigkeit der Selbst- erhaltung als das entscheidende Kriterium hinstellen, sowie es für die morphologische Individualität in der Unfähigkeit der Theilung, in der individuellen Untheilbarkeit liegt. Das Leistungs-Individuum ist der einheitliche Lebensheerd, dessen Existenz mit der Function der Selbsterhaltung erlischt; das Form-Individuum ist die einheitliche Lebensgestalt, deren Existenz mit ihrer Theilung erlischt. 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Begriff und Aufgabe der Tectologie.
erster Ordnung, den Plastiden (Cytoden und Zellen), und erst durch
die Differenzirung der Zellen, welche bei den höheren Organismen
(besonders den Thieren) sehr weit geht, verlieren dieselben jene
Fähigkeit, oder vielmehr es bleibt dieselbe auf einzelne bestimmte
Plastiden (Eier) beschränkt. Ausnahmsweise (Hydra, viele Phanero-
gamen) behalten auch noch bei höher differenzirten Organismen zahl-
reiche Plastiden diese Entwickelungsfähigkeit bei. Ebenso wenig als
letztere darf man die Reproductionsfähigkeit, das Vermögen
eines abgelösten Theils, sich zum Ganzen zu ergänzen (Würmer, Coe-
lenteraten, viele Phanerogamen), als Kriterium der physiologischen
Individualität anwenden, da auch hier das eigentlich Wirksame die
ursprünglich allen Plastiden eigene Entwickelungsfähigkeit ist. Will man
die physiologische Individualität der Organismen dadurch characteri-
siren, so geht die Schärfe ihres Begriffes vollständig verloren. Diese
ist nur dadurch zu erhalten, dass wir die Fähigkeit der Selbst-
erhaltung als das entscheidende Kriterium hinstellen, sowie es für
die morphologische Individualität in der Unfähigkeit der Theilung,
in der individuellen Untheilbarkeit liegt. Das Leistungs-Individuum
ist der einheitliche Lebensheerd, dessen Existenz mit der Function der
Selbsterhaltung erlischt; das Form-Individuum ist die einheitliche
Lebensgestalt, deren Existenz mit ihrer Theilung erlischt.
Die vielfach aufgeworfene Frage nach der absoluten Individualität
der Organismen ist also dahin zu beantworten, dass dieselbe nicht
existirt, und dass alle Organismen, als physiologische Individuen be-
trachtet, entweder zeitlebens auf der ersten Stufe der morphologischen
Individualität, der Plastide, stehen bleiben, oder aber, von dieser aus-
gehend, sich secundär zu höheren Stufen erheben.
Indem wir nun in den folgenden Capiteln das Verhältniss der
verschiedenen Individualitäts-Grade zu einander, welches die eigent-
liche Grundlage der gesammten Tectologie ist, näher zu bestimmen
versuchen, wollen wir zunächst die Begriffe der sechs einzelnen Ord-
nungen der morphologischen Individualität bestimmt feststellen, und
dann nachweisen, wie jede dieser verschiedenen Ordnungen in ver-
schiedenen Organismen die physiologische Individualität zu repräsen-
tiren vermag.
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