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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Thiere und Pflanzen.
dass alle autogonen Moneren pflanzlicher Natur und als Reductions-
Organismen thätig waren, und dass aus diesen sich später, bei hin-
reichender Abnahme der freien Kohlensäure, Plastiden hervorbildeten,
welche anfangs nur wenig, in späteren Generationen mehr und mehr,
und zuletzt überwiegend als Oxydations-Organismen, als Thiere thätig
waren. Wenn man eine Abstammung der ganzen Organismen-Welt
von einer einzigen Moneren-Art annimmt, so muss man jedenfalls die
Wurzel dieses einzigen organischen Stammbaumes, d. h. seine auto-
gone Moneren-Form und zahllose älteste Reihen von Generationen als
pflanzliche, als reducirende, ansehen, aus deren vielfach verzweigter
Verwandtschaft sich erst weit später mehr neutrale Protisten und
endlich die vorwiegend oxydirenden, thierischen Plastiden differen-
zirten, deren Nachkommenschaft das Thierreich ist.

XI. Die Seele als Character der Thiere.

Wenn man, wie es für die kurzen Definitionen des Thieres und
der Pflanze in den Lehrbüchern erwünscht ist, die am meisten cha-
racteristischen und durchgreifenden Unterschiede von Thier und
Pflanze mit wenigen Worten ausdrücken will, so wird es immer am
natürlichsten sein, die hervorgehobenen Gegensätze des Stoffwechsels
und der Ernährung, und des daran geknüpften Kraftwechsels in erster
Linie zu betonen, und man kann die drei Reiche dann ungefähr durch
folgende Diagnose bezeichnen: 1) Die Pflanzen bilden vorwie-
gend durch Reduction und Synthese aus ganz einfachen
sehr zusammengesetzte Verbindungen, binden dabei Wärme
und entwickeln wenig mechanische Arbeit. 2) Die Protisten
sind vorwiegend indifferente Organismen, in denen sich
Reduction und Oxydation das Gleichgewicht zu halten
scheinen, welche bald Wärme binden, bald abgeben, und
mehr mechanische Arbeit als die Pflanzen, weniger als die
Thiere entwickeln. 3) Die Thiere bilden vorwiegend durch
Oxydation und Analyse aus sehr zusammengesetzten ganz
einfache Verbindungen, entwickeln dabei Wärme und viel
mechanische Arbeit.
Jedenfalls ist diese Definition weit zutreffen-
der, als die gewöhnlich in den Lehrbüchern aufgeführte Behauptung,
dass sich die Thiere vor den Pflanzen durch den Besitz einer
"Seele", d. h. durch die Functionen der "willkührlichen Bewegung"
und "Empfindung", auszeichnen. Da auf diesen falschen Satz immer
noch so grosses Gewicht gelegt wird, so wollen wir demselben noch
einige Worte der Widerlegung widmen.

Unter Seele oder Seelenthätigkeit verstehen wir allgemein eine
Summe von verschiedenen, hoch differenzirten Functionen des Central-

Thiere und Pflanzen.
dass alle autogonen Moneren pflanzlicher Natur und als Reductions-
Organismen thätig waren, und dass aus diesen sich später, bei hin-
reichender Abnahme der freien Kohlensäure, Plastiden hervorbildeten,
welche anfangs nur wenig, in späteren Generationen mehr und mehr,
und zuletzt überwiegend als Oxydations-Organismen, als Thiere thätig
waren. Wenn man eine Abstammung der ganzen Organismen-Welt
von einer einzigen Moneren-Art annimmt, so muss man jedenfalls die
Wurzel dieses einzigen organischen Stammbaumes, d. h. seine auto-
gone Moneren-Form und zahllose älteste Reihen von Generationen als
pflanzliche, als reducirende, ansehen, aus deren vielfach verzweigter
Verwandtschaft sich erst weit später mehr neutrale Protisten und
endlich die vorwiegend oxydirenden, thierischen Plastiden differen-
zirten, deren Nachkommenschaft das Thierreich ist.

XI. Die Seele als Character der Thiere.

Wenn man, wie es für die kurzen Definitionen des Thieres und
der Pflanze in den Lehrbüchern erwünscht ist, die am meisten cha-
racteristischen und durchgreifenden Unterschiede von Thier und
Pflanze mit wenigen Worten ausdrücken will, so wird es immer am
natürlichsten sein, die hervorgehobenen Gegensätze des Stoffwechsels
und der Ernährung, und des daran geknüpften Kraftwechsels in erster
Linie zu betonen, und man kann die drei Reiche dann ungefähr durch
folgende Diagnose bezeichnen: 1) Die Pflanzen bilden vorwie-
gend durch Reduction und Synthese aus ganz einfachen
sehr zusammengesetzte Verbindungen, binden dabei Wärme
und entwickeln wenig mechanische Arbeit. 2) Die Protisten
sind vorwiegend indifferente Organismen, in denen sich
Reduction und Oxydation das Gleichgewicht zu halten
scheinen, welche bald Wärme binden, bald abgeben, und
mehr mechanische Arbeit als die Pflanzen, weniger als die
Thiere entwickeln. 3) Die Thiere bilden vorwiegend durch
Oxydation und Analyse aus sehr zusammengesetzten ganz
einfache Verbindungen, entwickeln dabei Wärme und viel
mechanische Arbeit.
Jedenfalls ist diese Definition weit zutreffen-
der, als die gewöhnlich in den Lehrbüchern aufgeführte Behauptung,
dass sich die Thiere vor den Pflanzen durch den Besitz einer
„Seele“, d. h. durch die Functionen der „willkührlichen Bewegung“
und „Empfindung“, auszeichnen. Da auf diesen falschen Satz immer
noch so grosses Gewicht gelegt wird, so wollen wir demselben noch
einige Worte der Widerlegung widmen.

Unter Seele oder Seelenthätigkeit verstehen wir allgemein eine
Summe von verschiedenen, hoch differenzirten Functionen des Central-

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[232/0271] Thiere und Pflanzen. dass alle autogonen Moneren pflanzlicher Natur und als Reductions- Organismen thätig waren, und dass aus diesen sich später, bei hin- reichender Abnahme der freien Kohlensäure, Plastiden hervorbildeten, welche anfangs nur wenig, in späteren Generationen mehr und mehr, und zuletzt überwiegend als Oxydations-Organismen, als Thiere thätig waren. Wenn man eine Abstammung der ganzen Organismen-Welt von einer einzigen Moneren-Art annimmt, so muss man jedenfalls die Wurzel dieses einzigen organischen Stammbaumes, d. h. seine auto- gone Moneren-Form und zahllose älteste Reihen von Generationen als pflanzliche, als reducirende, ansehen, aus deren vielfach verzweigter Verwandtschaft sich erst weit später mehr neutrale Protisten und endlich die vorwiegend oxydirenden, thierischen Plastiden differen- zirten, deren Nachkommenschaft das Thierreich ist. XI. Die Seele als Character der Thiere. Wenn man, wie es für die kurzen Definitionen des Thieres und der Pflanze in den Lehrbüchern erwünscht ist, die am meisten cha- racteristischen und durchgreifenden Unterschiede von Thier und Pflanze mit wenigen Worten ausdrücken will, so wird es immer am natürlichsten sein, die hervorgehobenen Gegensätze des Stoffwechsels und der Ernährung, und des daran geknüpften Kraftwechsels in erster Linie zu betonen, und man kann die drei Reiche dann ungefähr durch folgende Diagnose bezeichnen: 1) Die Pflanzen bilden vorwie- gend durch Reduction und Synthese aus ganz einfachen sehr zusammengesetzte Verbindungen, binden dabei Wärme und entwickeln wenig mechanische Arbeit. 2) Die Protisten sind vorwiegend indifferente Organismen, in denen sich Reduction und Oxydation das Gleichgewicht zu halten scheinen, welche bald Wärme binden, bald abgeben, und mehr mechanische Arbeit als die Pflanzen, weniger als die Thiere entwickeln. 3) Die Thiere bilden vorwiegend durch Oxydation und Analyse aus sehr zusammengesetzten ganz einfache Verbindungen, entwickeln dabei Wärme und viel mechanische Arbeit. Jedenfalls ist diese Definition weit zutreffen- der, als die gewöhnlich in den Lehrbüchern aufgeführte Behauptung, dass sich die Thiere vor den Pflanzen durch den Besitz einer „Seele“, d. h. durch die Functionen der „willkührlichen Bewegung“ und „Empfindung“, auszeichnen. Da auf diesen falschen Satz immer noch so grosses Gewicht gelegt wird, so wollen wir demselben noch einige Worte der Widerlegung widmen. Unter Seele oder Seelenthätigkeit verstehen wir allgemein eine Summe von verschiedenen, hoch differenzirten Functionen des Central-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/271>, abgerufen am 24.11.2024.