durch diese unmittelbare Continuität der Materie von elterlichem und kindlichem Urorganismus bedingt wurde, andererseits die Einwirkung der äusseren Umgebung als Anpassung entgegen wirkte, indem das Moner im Laufe von Generationen sich demgemäss wirklich anpasste und differenzirte (z. B. eine festere Hülle ausschied, im Innern sich als Kern consolidirte etc.), wurde es entwickelungsfähig. Nachdem erst einmal durch Differenzirung von Plasma und Kern aus dem Moner, aus dem homogenen Cytoden, eine Zelle geworden, war damit zugleich die Möglichkeit der organischen Entwickelung zu den unendlich mannichfaltigen Formen gegeben, von denen uns die empirische Beob- achtung noch jetzt handgreiflich zeigt, wie sie aus dem einzelligen Anfangszustande der allermeisten organischen Individuen im Laufe ihrer embryologischen Entwickelung in verhältnissmässig kurzer Zeit hervorgehen.
Wir nehmen mithin ferner an, dass zellige Organismen, sowohl einzellige als mehrzellige, nicht spontan, durch Autogonie, entstanden, sondern vielmehr erst später, durch Differenzirung von Plasma und Kern, aus den wirklich autogonen Moneren sich hervorbildeten, aus den individualisirten formlosen Klumpen einer Eiweissverbindung, deren structurloser Körper noch keine Differenz des äusseren wasser- reicheren Plasma und des inneren festeren Kerns zeigte. Viele Ge- nerationen von Moneren, gleich den Protamoeben, mögen Jahrtausende lang das Urmeer, welches unsern abgekühlten Erdball (wahrscheinlich als eine vollständige Wasserhülle) umschloss, bevölkert haben, ehe die Differenzirung der äusseren Lebensbedingungen, denen sich diese homo- genen Urwesen anpassten, auch eine Differenzirung ihres eigenen gleichartigen Eiweiss-Leibes herbeiführte. Wahrscheinlich bildeten sich zunächst aus den einzelnen Moneren, indem das dichtere Centrum als Kern sich von der weniger dichten Peripherie des dünnflüssigeren Plasma trennte, zunächst nur einzellige Individuen. Vermuthlich erst viel später gingen aus diesen einzelligen Lebensformen mehrzellige hervor, indem die Theilung, durch welche sich die einzelligen Urwesen (Protisten) fortpflanzten, bisweilen unvollständig erfolgte, so dass die beiden oder mehreren Theilproducte des Individuums zusammenblie- ben, und somit einen ersten Individuenstock (Zellenstock) oder ein ein- fachstes Individuum zweiter Ordnung bildeten. Indem dann die ein- zelnen gleichartigen Zellen oder Individuen erster Ordnung, die in einem solchen Stock vereinigt waren (in ähnlicher Weise, wie bei sehr vielen niederen Algen) sich differenzirten, und im Kampfe um das Dasein durch natürliche Züchtung vervollkommnet wurden, entwickel- ten sich daraus differente Zellenstöcke oder Individuen höherer Ordnung, welche nun ihrerseits wieder zur Bildung von Individuen nach höherer Ordnung zusammentreten konnten. Wie dieser Vorgang sich allmählig
Schöpfung und Selbstzeugung.
durch diese unmittelbare Continuität der Materie von elterlichem und kindlichem Urorganismus bedingt wurde, andererseits die Einwirkung der äusseren Umgebung als Anpassung entgegen wirkte, indem das Moner im Laufe von Generationen sich demgemäss wirklich anpasste und differenzirte (z. B. eine festere Hülle ausschied, im Innern sich als Kern consolidirte etc.), wurde es entwickelungsfähig. Nachdem erst einmal durch Differenzirung von Plasma und Kern aus dem Moner, aus dem homogenen Cytoden, eine Zelle geworden, war damit zugleich die Möglichkeit der organischen Entwickelung zu den unendlich mannichfaltigen Formen gegeben, von denen uns die empirische Beob- achtung noch jetzt handgreiflich zeigt, wie sie aus dem einzelligen Anfangszustande der allermeisten organischen Individuen im Laufe ihrer embryologischen Entwickelung in verhältnissmässig kurzer Zeit hervorgehen.
Wir nehmen mithin ferner an, dass zellige Organismen, sowohl einzellige als mehrzellige, nicht spontan, durch Autogonie, entstanden, sondern vielmehr erst später, durch Differenzirung von Plasma und Kern, aus den wirklich autogonen Moneren sich hervorbildeten, aus den individualisirten formlosen Klumpen einer Eiweissverbindung, deren structurloser Körper noch keine Differenz des äusseren wasser- reicheren Plasma und des inneren festeren Kerns zeigte. Viele Ge- nerationen von Moneren, gleich den Protamoeben, mögen Jahrtausende lang das Urmeer, welches unsern abgekühlten Erdball (wahrscheinlich als eine vollständige Wasserhülle) umschloss, bevölkert haben, ehe die Differenzirung der äusseren Lebensbedingungen, denen sich diese homo- genen Urwesen anpassten, auch eine Differenzirung ihres eigenen gleichartigen Eiweiss-Leibes herbeiführte. Wahrscheinlich bildeten sich zunächst aus den einzelnen Moneren, indem das dichtere Centrum als Kern sich von der weniger dichten Peripherie des dünnflüssigeren Plasma trennte, zunächst nur einzellige Individuen. Vermuthlich erst viel später gingen aus diesen einzelligen Lebensformen mehrzellige hervor, indem die Theilung, durch welche sich die einzelligen Urwesen (Protisten) fortpflanzten, bisweilen unvollständig erfolgte, so dass die beiden oder mehreren Theilproducte des Individuums zusammenblie- ben, und somit einen ersten Individuenstock (Zellenstock) oder ein ein- fachstes Individuum zweiter Ordnung bildeten. Indem dann die ein- zelnen gleichartigen Zellen oder Individuen erster Ordnung, die in einem solchen Stock vereinigt waren (in ähnlicher Weise, wie bei sehr vielen niederen Algen) sich differenzirten, und im Kampfe um das Dasein durch natürliche Züchtung vervollkommnet wurden, entwickel- ten sich daraus differente Zellenstöcke oder Individuen höherer Ordnung, welche nun ihrerseits wieder zur Bildung von Individuen nach höherer Ordnung zusammentreten konnten. Wie dieser Vorgang sich allmählig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0223"n="184"/><fwplace="top"type="header">Schöpfung und Selbstzeugung.</fw><lb/>
durch diese unmittelbare Continuität der Materie von elterlichem und<lb/>
kindlichem Urorganismus bedingt wurde, andererseits die Einwirkung<lb/>
der äusseren Umgebung als Anpassung entgegen wirkte, indem das<lb/>
Moner im Laufe von Generationen sich demgemäss wirklich anpasste<lb/>
und differenzirte (z. B. eine festere Hülle ausschied, im Innern sich<lb/>
als Kern consolidirte etc.), wurde es entwickelungsfähig. Nachdem<lb/>
erst einmal durch Differenzirung von Plasma und Kern aus dem Moner,<lb/>
aus dem homogenen Cytoden, eine Zelle geworden, war damit zugleich<lb/>
die Möglichkeit der organischen Entwickelung zu den unendlich<lb/>
mannichfaltigen Formen gegeben, von denen uns die empirische Beob-<lb/>
achtung noch jetzt handgreiflich zeigt, wie sie aus dem einzelligen<lb/>
Anfangszustande der allermeisten organischen Individuen im Laufe<lb/>
ihrer embryologischen Entwickelung in verhältnissmässig kurzer Zeit<lb/>
hervorgehen.</p><lb/><p>Wir nehmen mithin ferner an, dass zellige Organismen, sowohl<lb/>
einzellige als mehrzellige, nicht spontan, durch Autogonie, entstanden,<lb/>
sondern vielmehr erst später, durch Differenzirung von Plasma und<lb/>
Kern, aus den wirklich autogonen Moneren sich hervorbildeten, aus den<lb/>
individualisirten formlosen Klumpen einer Eiweissverbindung, deren<lb/>
structurloser Körper noch keine Differenz des äusseren wasser-<lb/>
reicheren Plasma und des inneren festeren Kerns zeigte. Viele Ge-<lb/>
nerationen von Moneren, gleich den Protamoeben, mögen Jahrtausende<lb/>
lang das Urmeer, welches unsern abgekühlten Erdball (wahrscheinlich<lb/>
als eine vollständige Wasserhülle) umschloss, bevölkert haben, ehe die<lb/>
Differenzirung der äusseren Lebensbedingungen, denen sich diese homo-<lb/>
genen Urwesen anpassten, auch eine Differenzirung ihres eigenen<lb/>
gleichartigen Eiweiss-Leibes herbeiführte. Wahrscheinlich bildeten sich<lb/>
zunächst aus den einzelnen Moneren, indem das dichtere Centrum als<lb/>
Kern sich von der weniger dichten Peripherie des dünnflüssigeren<lb/>
Plasma trennte, zunächst nur einzellige Individuen. Vermuthlich erst<lb/>
viel später gingen aus diesen einzelligen Lebensformen mehrzellige<lb/>
hervor, indem die Theilung, durch welche sich die einzelligen Urwesen<lb/>
(Protisten) fortpflanzten, bisweilen unvollständig erfolgte, so dass die<lb/>
beiden oder mehreren Theilproducte des Individuums zusammenblie-<lb/>
ben, und somit einen ersten Individuenstock (Zellenstock) oder ein ein-<lb/>
fachstes Individuum zweiter Ordnung bildeten. Indem dann die ein-<lb/>
zelnen gleichartigen Zellen oder Individuen erster Ordnung, die in<lb/>
einem solchen Stock vereinigt waren (in ähnlicher Weise, wie bei sehr<lb/>
vielen niederen Algen) sich differenzirten, und im Kampfe um das<lb/>
Dasein durch natürliche Züchtung vervollkommnet wurden, entwickel-<lb/>
ten sich daraus differente Zellenstöcke oder Individuen höherer Ordnung,<lb/>
welche nun ihrerseits wieder zur Bildung von Individuen nach höherer<lb/>
Ordnung zusammentreten konnten. Wie dieser Vorgang sich allmählig<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[184/0223]
Schöpfung und Selbstzeugung.
durch diese unmittelbare Continuität der Materie von elterlichem und
kindlichem Urorganismus bedingt wurde, andererseits die Einwirkung
der äusseren Umgebung als Anpassung entgegen wirkte, indem das
Moner im Laufe von Generationen sich demgemäss wirklich anpasste
und differenzirte (z. B. eine festere Hülle ausschied, im Innern sich
als Kern consolidirte etc.), wurde es entwickelungsfähig. Nachdem
erst einmal durch Differenzirung von Plasma und Kern aus dem Moner,
aus dem homogenen Cytoden, eine Zelle geworden, war damit zugleich
die Möglichkeit der organischen Entwickelung zu den unendlich
mannichfaltigen Formen gegeben, von denen uns die empirische Beob-
achtung noch jetzt handgreiflich zeigt, wie sie aus dem einzelligen
Anfangszustande der allermeisten organischen Individuen im Laufe
ihrer embryologischen Entwickelung in verhältnissmässig kurzer Zeit
hervorgehen.
Wir nehmen mithin ferner an, dass zellige Organismen, sowohl
einzellige als mehrzellige, nicht spontan, durch Autogonie, entstanden,
sondern vielmehr erst später, durch Differenzirung von Plasma und
Kern, aus den wirklich autogonen Moneren sich hervorbildeten, aus den
individualisirten formlosen Klumpen einer Eiweissverbindung, deren
structurloser Körper noch keine Differenz des äusseren wasser-
reicheren Plasma und des inneren festeren Kerns zeigte. Viele Ge-
nerationen von Moneren, gleich den Protamoeben, mögen Jahrtausende
lang das Urmeer, welches unsern abgekühlten Erdball (wahrscheinlich
als eine vollständige Wasserhülle) umschloss, bevölkert haben, ehe die
Differenzirung der äusseren Lebensbedingungen, denen sich diese homo-
genen Urwesen anpassten, auch eine Differenzirung ihres eigenen
gleichartigen Eiweiss-Leibes herbeiführte. Wahrscheinlich bildeten sich
zunächst aus den einzelnen Moneren, indem das dichtere Centrum als
Kern sich von der weniger dichten Peripherie des dünnflüssigeren
Plasma trennte, zunächst nur einzellige Individuen. Vermuthlich erst
viel später gingen aus diesen einzelligen Lebensformen mehrzellige
hervor, indem die Theilung, durch welche sich die einzelligen Urwesen
(Protisten) fortpflanzten, bisweilen unvollständig erfolgte, so dass die
beiden oder mehreren Theilproducte des Individuums zusammenblie-
ben, und somit einen ersten Individuenstock (Zellenstock) oder ein ein-
fachstes Individuum zweiter Ordnung bildeten. Indem dann die ein-
zelnen gleichartigen Zellen oder Individuen erster Ordnung, die in
einem solchen Stock vereinigt waren (in ähnlicher Weise, wie bei sehr
vielen niederen Algen) sich differenzirten, und im Kampfe um das
Dasein durch natürliche Züchtung vervollkommnet wurden, entwickel-
ten sich daraus differente Zellenstöcke oder Individuen höherer Ordnung,
welche nun ihrerseits wieder zur Bildung von Individuen nach höherer
Ordnung zusammentreten konnten. Wie dieser Vorgang sich allmählig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/223>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.