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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Vorwort.
ganismen durch mechanisch-causale Begründung auf dieselbe
feste Höhe des Monismus zu erheben, in welcher alle übri-
gen Naturwissenschaften seit längerer oder kürzerer Zeit ihr
unerschütterliches Fundament gefunden haben. Der grossen
Schwierigkeiten und der vielen Gefahren dieses Unternehmens
bin ich mir vollkommen bewusst. Noch stehen alle allge-
meinen morphologischen Anschauungen in Zoologie und Bo-
tanik unter der Herrschaft eines gelehrten Zunftwesens, wel-
ches nur in der scholastischen Gelehrsamkeit des Mittelalters
seines Gleichen findet. Dogma und Autorität, wechselseitig
zur Unterdrückung jedes freien Gedankens und jeder un-
mittelbaren Naturerkenntniss verschworen, haben eine dop-
pelte und dreifache chinesische Mauer von Vorurtheilen aller
Art rings um die Festung der organischen Morphologie auf-
geführt, in welche sich der allerorts verdrängte Wunder-
glaube jetzt als in seine letzte Citadelle zurückgezogen hat.
Dennoch gehen wir siegesgewiss und furchtlos in diesen
Kampf. Der Ausgang desselben kann nicht mehr zweifelhaft
sein, nachdem Charles Darwin vor sieben Jahren den
Schlüssel zu jener Festung gefunden, und durch seine be-
wundrungswürdige Selections-Theorie die von Wolfgang
Goethe
und Jean Lamarck aufgestellte Descendenz-Theorie
zur siegreichen Eroberungs-Waffe gestaltet hat.

Ein Werk, welches eine so umfassende und schwierige
Aufgabe unternimmt, ist nicht das flüchtige Product vorüber-
gehender Gedanken-Bewegungen, sondern das langsam ge-
reifte Resultat langjähriger und inniger Erkenntniss-Mühen,
und ich darf wohl sagen, dass viele der hier dargelegten
Ansichten mich beschäftigt haben, seit ich überhaupt mit
kritischem Bewusstsein in das Wundergebiet der organischen
Formen-Welt einzudringen versuchte. Die allgemeinste Streit-

Vorwort.
ganismen durch mechanisch-causale Begründung auf dieselbe
feste Höhe des Monismus zu erheben, in welcher alle übri-
gen Naturwissenschaften seit längerer oder kürzerer Zeit ihr
unerschütterliches Fundament gefunden haben. Der grossen
Schwierigkeiten und der vielen Gefahren dieses Unternehmens
bin ich mir vollkommen bewusst. Noch stehen alle allge-
meinen morphologischen Anschauungen in Zoologie und Bo-
tanik unter der Herrschaft eines gelehrten Zunftwesens, wel-
ches nur in der scholastischen Gelehrsamkeit des Mittelalters
seines Gleichen findet. Dogma und Autorität, wechselseitig
zur Unterdrückung jedes freien Gedankens und jeder un-
mittelbaren Naturerkenntniss verschworen, haben eine dop-
pelte und dreifache chinesische Mauer von Vorurtheilen aller
Art rings um die Festung der organischen Morphologie auf-
geführt, in welche sich der allerorts verdrängte Wunder-
glaube jetzt als in seine letzte Citadelle zurückgezogen hat.
Dennoch gehen wir siegesgewiss und furchtlos in diesen
Kampf. Der Ausgang desselben kann nicht mehr zweifelhaft
sein, nachdem Charles Darwin vor sieben Jahren den
Schlüssel zu jener Festung gefunden, und durch seine be-
wundrungswürdige Selections-Theorie die von Wolfgang
Goethe
und Jean Lamarck aufgestellte Descendenz-Theorie
zur siegreichen Eroberungs-Waffe gestaltet hat.

Ein Werk, welches eine so umfassende und schwierige
Aufgabe unternimmt, ist nicht das flüchtige Product vorüber-
gehender Gedanken-Bewegungen, sondern das langsam ge-
reifte Resultat langjähriger und inniger Erkenntniss-Mühen,
und ich darf wohl sagen, dass viele der hier dargelegten
Ansichten mich beschäftigt haben, seit ich überhaupt mit
kritischem Bewusstsein in das Wundergebiet der organischen
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[XV/0022] Vorwort. ganismen durch mechanisch-causale Begründung auf dieselbe feste Höhe des Monismus zu erheben, in welcher alle übri- gen Naturwissenschaften seit längerer oder kürzerer Zeit ihr unerschütterliches Fundament gefunden haben. Der grossen Schwierigkeiten und der vielen Gefahren dieses Unternehmens bin ich mir vollkommen bewusst. Noch stehen alle allge- meinen morphologischen Anschauungen in Zoologie und Bo- tanik unter der Herrschaft eines gelehrten Zunftwesens, wel- ches nur in der scholastischen Gelehrsamkeit des Mittelalters seines Gleichen findet. Dogma und Autorität, wechselseitig zur Unterdrückung jedes freien Gedankens und jeder un- mittelbaren Naturerkenntniss verschworen, haben eine dop- pelte und dreifache chinesische Mauer von Vorurtheilen aller Art rings um die Festung der organischen Morphologie auf- geführt, in welche sich der allerorts verdrängte Wunder- glaube jetzt als in seine letzte Citadelle zurückgezogen hat. Dennoch gehen wir siegesgewiss und furchtlos in diesen Kampf. Der Ausgang desselben kann nicht mehr zweifelhaft sein, nachdem Charles Darwin vor sieben Jahren den Schlüssel zu jener Festung gefunden, und durch seine be- wundrungswürdige Selections-Theorie die von Wolfgang Goethe und Jean Lamarck aufgestellte Descendenz-Theorie zur siegreichen Eroberungs-Waffe gestaltet hat. Ein Werk, welches eine so umfassende und schwierige Aufgabe unternimmt, ist nicht das flüchtige Product vorüber- gehender Gedanken-Bewegungen, sondern das langsam ge- reifte Resultat langjähriger und inniger Erkenntniss-Mühen, und ich darf wohl sagen, dass viele der hier dargelegten Ansichten mich beschäftigt haben, seit ich überhaupt mit kritischem Bewusstsein in das Wundergebiet der organischen Formen-Welt einzudringen versuchte. Die allgemeinste Streit-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/22>, abgerufen am 23.11.2024.