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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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VI. Dualismus und Monismus.
Denken und Erfahren überall zum grössten Schaden einer natürlichen
Erkenntniss entwickelt hat. Wie unendlich viel weiter würde unsere
Wissenschaft jetzt sein, wenn man sich dieses künstlich erzeugten
Zwiespalts bewusst geworden wäre, und wenn man mit klarem Be-
wusstsein die monistische Beurtheilungsweise als die einzig mögliche
Methode einer wirklichen Natur-Erkenntniss befolgt hätte.

Indem der Monismus als philosophisches System nichts Anderes, als
das reinste und allgemeinste Resultat unserer allgemeinen wissenschaft-
lichen Weltanschauung, unserer gesammten Natur-Erkenntniss ist, bildet
seine unterste und festeste Grundlage das allgemeine Causal-Ge-
setz:
"Jede Ursache, jede Kraft, hat ihre nothwendige Wirkung, und
jede Wirkung, jede Erscheinung, hat ihre nothwendige Ursache." Schon
hieraus ergiebt sich, dass derselbe jede Teleologie und jeden Vitalis-
mus, welche Form dieser auch annehmen mag, absolut verneint, und
insofern ist die monistische Methode in der Biologie zugleich die
mechanische, die causale, deren alleinige Berechtigung der vorige
Abschnitt dargethan hat. Da nun die vielbestrittene Geltung des
mechanischen Causal-Gesetzes in der organischen Natur durch Nichts
so sehr gefördert und so bestimmt begründet worden ist, als durch
Darwins Theorie, so können wir auch diese Lehre als eine rein
monistische bezeichnen. Und in der That beruht dieses ganze wun-
dervolle Lehrgebäude, wie alle einzelnen Theile desselben, vollkommen
auf reinen monistischen Anschauungen. Wenn wir dereinst mit Hülfe
der Descendenz-Theorie die gesammte Morphologie der Organismen
auf die allein sichere Grundlage der mechanischen Naturgesetze be-
gründet, die Erscheinungen der organischen Morphologie mechanisch-
causal, aus ihren wirkenden Ursachen werden erklärt haben, so wird
das darauf gegründete System der Morphologie der Organismen
ein absolut monistisches Lehrgebäude
sein, wie es freilich jede
wahre Wissenschaft, insofern sie Naturwissenschaft sein will und muss,
mit Nothwendigkeit erstreben muss.

Da der Ausdruck Monismus in unzweideutiger Weise diejenige
kritische Auffassung der gesammten (organischen und anorganischen)
Natur, und diejenige kritische Methode ihrer Erkenntniss, welche wir
auf den vorhergehenden Seiten als die allein mögliche und durchführ-
bare dargethan haben, bezeichnet, so werden wir uns dieses kurzen
und bequemen Ausdrucks stets bedienen, wo es darauf ankommt, an
die von uns ausschliesslich befolgte Methode zu erinnern; andererseits
werden wir als Dualismus stets kurz diejenigen verschiedenen, der
unserigen entgegengesetzten Auffassungsweisen der Natur und Metho-
den ihrer Erkenntniss bezeichnen, welche als "teleologische" und "vi-
talistische," als "systematische" und "speculative" Dogmen für die Be-
urtheilung und Erkenntniss der organischen Natur andere Methoden

VI. Dualismus und Monismus.
Denken und Erfahren überall zum grössten Schaden einer natürlichen
Erkenntniss entwickelt hat. Wie unendlich viel weiter würde unsere
Wissenschaft jetzt sein, wenn man sich dieses künstlich erzeugten
Zwiespalts bewusst geworden wäre, und wenn man mit klarem Be-
wusstsein die monistische Beurtheilungsweise als die einzig mögliche
Methode einer wirklichen Natur-Erkenntniss befolgt hätte.

Indem der Monismus als philosophisches System nichts Anderes, als
das reinste und allgemeinste Resultat unserer allgemeinen wissenschaft-
lichen Weltanschauung, unserer gesammten Natur-Erkenntniss ist, bildet
seine unterste und festeste Grundlage das allgemeine Causal-Ge-
setz:
„Jede Ursache, jede Kraft, hat ihre nothwendige Wirkung, und
jede Wirkung, jede Erscheinung, hat ihre nothwendige Ursache.“ Schon
hieraus ergiebt sich, dass derselbe jede Teleologie und jeden Vitalis-
mus, welche Form dieser auch annehmen mag, absolut verneint, und
insofern ist die monistische Methode in der Biologie zugleich die
mechanische, die causale, deren alleinige Berechtigung der vorige
Abschnitt dargethan hat. Da nun die vielbestrittene Geltung des
mechanischen Causal-Gesetzes in der organischen Natur durch Nichts
so sehr gefördert und so bestimmt begründet worden ist, als durch
Darwins Theorie, so können wir auch diese Lehre als eine rein
monistische bezeichnen. Und in der That beruht dieses ganze wun-
dervolle Lehrgebäude, wie alle einzelnen Theile desselben, vollkommen
auf reinen monistischen Anschauungen. Wenn wir dereinst mit Hülfe
der Descendenz-Theorie die gesammte Morphologie der Organismen
auf die allein sichere Grundlage der mechanischen Naturgesetze be-
gründet, die Erscheinungen der organischen Morphologie mechanisch-
causal, aus ihren wirkenden Ursachen werden erklärt haben, so wird
das darauf gegründete System der Morphologie der Organismen
ein absolut monistisches Lehrgebäude
sein, wie es freilich jede
wahre Wissenschaft, insofern sie Naturwissenschaft sein will und muss,
mit Nothwendigkeit erstreben muss.

Da der Ausdruck Monismus in unzweideutiger Weise diejenige
kritische Auffassung der gesammten (organischen und anorganischen)
Natur, und diejenige kritische Methode ihrer Erkenntniss, welche wir
auf den vorhergehenden Seiten als die allein mögliche und durchführ-
bare dargethan haben, bezeichnet, so werden wir uns dieses kurzen
und bequemen Ausdrucks stets bedienen, wo es darauf ankommt, an
die von uns ausschliesslich befolgte Methode zu erinnern; andererseits
werden wir als Dualismus stets kurz diejenigen verschiedenen, der
unserigen entgegengesetzten Auffassungsweisen der Natur und Metho-
den ihrer Erkenntniss bezeichnen, welche als „teleologische“ und „vi-
talistische,“ als „systematische“ und „speculative“ Dogmen für die Be-
urtheilung und Erkenntniss der organischen Natur andere Methoden

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[107/0146] VI. Dualismus und Monismus. Denken und Erfahren überall zum grössten Schaden einer natürlichen Erkenntniss entwickelt hat. Wie unendlich viel weiter würde unsere Wissenschaft jetzt sein, wenn man sich dieses künstlich erzeugten Zwiespalts bewusst geworden wäre, und wenn man mit klarem Be- wusstsein die monistische Beurtheilungsweise als die einzig mögliche Methode einer wirklichen Natur-Erkenntniss befolgt hätte. Indem der Monismus als philosophisches System nichts Anderes, als das reinste und allgemeinste Resultat unserer allgemeinen wissenschaft- lichen Weltanschauung, unserer gesammten Natur-Erkenntniss ist, bildet seine unterste und festeste Grundlage das allgemeine Causal-Ge- setz: „Jede Ursache, jede Kraft, hat ihre nothwendige Wirkung, und jede Wirkung, jede Erscheinung, hat ihre nothwendige Ursache.“ Schon hieraus ergiebt sich, dass derselbe jede Teleologie und jeden Vitalis- mus, welche Form dieser auch annehmen mag, absolut verneint, und insofern ist die monistische Methode in der Biologie zugleich die mechanische, die causale, deren alleinige Berechtigung der vorige Abschnitt dargethan hat. Da nun die vielbestrittene Geltung des mechanischen Causal-Gesetzes in der organischen Natur durch Nichts so sehr gefördert und so bestimmt begründet worden ist, als durch Darwins Theorie, so können wir auch diese Lehre als eine rein monistische bezeichnen. Und in der That beruht dieses ganze wun- dervolle Lehrgebäude, wie alle einzelnen Theile desselben, vollkommen auf reinen monistischen Anschauungen. Wenn wir dereinst mit Hülfe der Descendenz-Theorie die gesammte Morphologie der Organismen auf die allein sichere Grundlage der mechanischen Naturgesetze be- gründet, die Erscheinungen der organischen Morphologie mechanisch- causal, aus ihren wirkenden Ursachen werden erklärt haben, so wird das darauf gegründete System der Morphologie der Organismen ein absolut monistisches Lehrgebäude sein, wie es freilich jede wahre Wissenschaft, insofern sie Naturwissenschaft sein will und muss, mit Nothwendigkeit erstreben muss. Da der Ausdruck Monismus in unzweideutiger Weise diejenige kritische Auffassung der gesammten (organischen und anorganischen) Natur, und diejenige kritische Methode ihrer Erkenntniss, welche wir auf den vorhergehenden Seiten als die allein mögliche und durchführ- bare dargethan haben, bezeichnet, so werden wir uns dieses kurzen und bequemen Ausdrucks stets bedienen, wo es darauf ankommt, an die von uns ausschliesslich befolgte Methode zu erinnern; andererseits werden wir als Dualismus stets kurz diejenigen verschiedenen, der unserigen entgegengesetzten Auffassungsweisen der Natur und Metho- den ihrer Erkenntniss bezeichnen, welche als „teleologische“ und „vi- talistische,“ als „systematische“ und „speculative“ Dogmen für die Be- urtheilung und Erkenntniss der organischen Natur andere Methoden

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/146>, abgerufen am 24.11.2024.