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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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abgerieben, gefüttert und wieder eingespannt wurden, Euer Gnaden haben, scheint mir, die Feldmütze im Wagen liegen lassen oder verloren.

Der junge Offizier lächelte und sagte: Ich habe vor der Station geschlafen, und da muß sie mir vom Kopfe herunter gefallen sein; gib mir eine andere.

So sehr auch der Graf daran dachte, in Piacenza liegen zu bleiben, um vielleicht von da aus das Abenteuer der heutigen Nacht weiter verfolgen zu können, so brachte ihn doch der strenge Blick des Mädchens, als sie ihm sagte: sie müsse sich schämen, wenn sie ihn morgen wieder sähe, von diesem Gedanken ab, und er entschloß sich, obgleich widerstrebend, seine Reise fortzusetzen. Ja einige Mal war er im Begriffe, nach Lodi oder Mailand wieder zurückzukehren und das Terrain genau zu erkunden, doch fühlte er für das Mädchen eben so viel Achtung als Liebe und war vernünftig genug, alle Folgen zu überlegen und sich mit den drei Küssen zu begnügen, die das gute, unschuldige Geschöpf ihm so liebevoll gegeben.

Der Postillon von Lodi ermahnte seinen neuen Collegen, etwas von der verlorenen Zeit wieder einzubringen. Der junge Offizier warf sich in seinen Wäger:, der Husar nahm seinen Platz auf dem Bocke wieder ein, und die Pferde liefen auf der dunklen Chaussee dahin, so gut sie konnten. Der neue Postillon blies auf seinem Hörne, und es war derselbe Ton und dasselbe Liedchen, das der Graf vor einer halben Stunde

abgerieben, gefüttert und wieder eingespannt wurden, Euer Gnaden haben, scheint mir, die Feldmütze im Wagen liegen lassen oder verloren.

Der junge Offizier lächelte und sagte: Ich habe vor der Station geschlafen, und da muß sie mir vom Kopfe herunter gefallen sein; gib mir eine andere.

So sehr auch der Graf daran dachte, in Piacenza liegen zu bleiben, um vielleicht von da aus das Abenteuer der heutigen Nacht weiter verfolgen zu können, so brachte ihn doch der strenge Blick des Mädchens, als sie ihm sagte: sie müsse sich schämen, wenn sie ihn morgen wieder sähe, von diesem Gedanken ab, und er entschloß sich, obgleich widerstrebend, seine Reise fortzusetzen. Ja einige Mal war er im Begriffe, nach Lodi oder Mailand wieder zurückzukehren und das Terrain genau zu erkunden, doch fühlte er für das Mädchen eben so viel Achtung als Liebe und war vernünftig genug, alle Folgen zu überlegen und sich mit den drei Küssen zu begnügen, die das gute, unschuldige Geschöpf ihm so liebevoll gegeben.

Der Postillon von Lodi ermahnte seinen neuen Collegen, etwas von der verlorenen Zeit wieder einzubringen. Der junge Offizier warf sich in seinen Wäger:, der Husar nahm seinen Platz auf dem Bocke wieder ein, und die Pferde liefen auf der dunklen Chaussee dahin, so gut sie konnten. Der neue Postillon blies auf seinem Hörne, und es war derselbe Ton und dasselbe Liedchen, das der Graf vor einer halben Stunde

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[0031] abgerieben, gefüttert und wieder eingespannt wurden, Euer Gnaden haben, scheint mir, die Feldmütze im Wagen liegen lassen oder verloren. Der junge Offizier lächelte und sagte: Ich habe vor der Station geschlafen, und da muß sie mir vom Kopfe herunter gefallen sein; gib mir eine andere. So sehr auch der Graf daran dachte, in Piacenza liegen zu bleiben, um vielleicht von da aus das Abenteuer der heutigen Nacht weiter verfolgen zu können, so brachte ihn doch der strenge Blick des Mädchens, als sie ihm sagte: sie müsse sich schämen, wenn sie ihn morgen wieder sähe, von diesem Gedanken ab, und er entschloß sich, obgleich widerstrebend, seine Reise fortzusetzen. Ja einige Mal war er im Begriffe, nach Lodi oder Mailand wieder zurückzukehren und das Terrain genau zu erkunden, doch fühlte er für das Mädchen eben so viel Achtung als Liebe und war vernünftig genug, alle Folgen zu überlegen und sich mit den drei Küssen zu begnügen, die das gute, unschuldige Geschöpf ihm so liebevoll gegeben. Der Postillon von Lodi ermahnte seinen neuen Collegen, etwas von der verlorenen Zeit wieder einzubringen. Der junge Offizier warf sich in seinen Wäger:, der Husar nahm seinen Platz auf dem Bocke wieder ein, und die Pferde liefen auf der dunklen Chaussee dahin, so gut sie konnten. Der neue Postillon blies auf seinem Hörne, und es war derselbe Ton und dasselbe Liedchen, das der Graf vor einer halben Stunde

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/31>, abgerufen am 22.11.2024.