Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Was die nächste Zukunft zu lösen hat, und wie sie es zu lösen hat, können wir vielleicht durch eine intelligente und vorurtheilsfreie Philosophie erfahren; aber sie selbst wird sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen. Unsere Zeit ist nur ein Mittelglied in einer Kette von Gewesenen und Kommenden, wir bilden den Uebergang aus Feindlichem in Feindliches, wir können überall die Punkte bestimmen, wo die Jnteressen in Konflikt gerathen müssen, wo es zur Zündung der sich begegnenden Brennstoffe kommen muß, nicht aber einen Punkt, wo sich eine friedliche Beilegung denken ließe; ja wo sie sich denken ließe, wüßten wir schon; allein, wo sie auch wirklich eintreten wird, das liegt nicht in unserer Hand. Alle Tendenzen, die wir sich durchkreuzen sehen, haben einmal ihren ursprünglichen Stoß erhalten und müssen die nachhaltige Kraft desselben in sich ablaufen; griffen wir hinein, um einer der Kugeln eine willkürliche Richtung zu geben, wer weiß, ob wir die Verwirrung nicht vergrößerten? Es wäre trostlos, wenn wir hie und da nicht einen Frieden oder einen Waffenstillstand ahneten, wenn wir nicht Grenzen sähen, an welchen dieser oder jener Jrrthum vor unsern sichtlichen Augen scheitern muß; allein daß die Philosophie den Streit versöhne, davon sind wir so weit entfernt, daß vielmehr Weisheit da nur hinderlich seyn würde, wo der Friede die Folge eines gestillten eigennützigen Bedürfnisses seyn wird. Wir haben Meinungen und

Was die nächste Zukunft zu lösen hat, und wie sie es zu lösen hat, können wir vielleicht durch eine intelligente und vorurtheilsfreie Philosophie erfahren; aber sie selbst wird sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen. Unsere Zeit ist nur ein Mittelglied in einer Kette von Gewesenen und Kommenden, wir bilden den Uebergang aus Feindlichem in Feindliches, wir können überall die Punkte bestimmen, wo die Jnteressen in Konflikt gerathen müssen, wo es zur Zündung der sich begegnenden Brennstoffe kommen muß, nicht aber einen Punkt, wo sich eine friedliche Beilegung denken ließe; ja wo sie sich denken ließe, wüßten wir schon; allein, wo sie auch wirklich eintreten wird, das liegt nicht in unserer Hand. Alle Tendenzen, die wir sich durchkreuzen sehen, haben einmal ihren ursprünglichen Stoß erhalten und müssen die nachhaltige Kraft desselben in sich ablaufen; griffen wir hinein, um einer der Kugeln eine willkürliche Richtung zu geben, wer weiß, ob wir die Verwirrung nicht vergrößerten? Es wäre trostlos, wenn wir hie und da nicht einen Frieden oder einen Waffenstillstand ahneten, wenn wir nicht Grenzen sähen, an welchen dieser oder jener Jrrthum vor unsern sichtlichen Augen scheitern muß; allein daß die Philosophie den Streit versöhne, davon sind wir so weit entfernt, daß vielmehr Weisheit da nur hinderlich seyn würde, wo der Friede die Folge eines gestillten eigennützigen Bedürfnisses seyn wird. Wir haben Meinungen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0368" n="366"/>
        <p> Was die nächste Zukunft zu lösen hat, und wie sie es zu lösen hat, können wir vielleicht durch eine intelligente und vorurtheilsfreie Philosophie erfahren; aber sie selbst wird sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen. Unsere Zeit ist nur ein Mittelglied in einer Kette von Gewesenen und Kommenden, wir bilden den Uebergang aus Feindlichem in Feindliches, wir können überall die Punkte bestimmen, wo die Jnteressen in Konflikt gerathen müssen, wo es zur Zündung der sich begegnenden Brennstoffe kommen muß, nicht aber einen Punkt, wo sich eine friedliche Beilegung denken ließe; ja wo sie sich denken ließe, wüßten wir schon; allein, wo sie auch wirklich eintreten wird, das liegt nicht in unserer Hand. Alle Tendenzen, die wir sich durchkreuzen sehen, haben einmal ihren ursprünglichen Stoß erhalten und müssen die nachhaltige Kraft desselben in sich ablaufen; griffen wir hinein, um einer der Kugeln eine willkürliche Richtung zu geben, wer weiß, ob wir die Verwirrung nicht vergrößerten? Es wäre trostlos, wenn wir hie und da nicht einen Frieden oder einen Waffenstillstand ahneten, wenn wir nicht Grenzen sähen, an welchen dieser oder jener Jrrthum vor unsern sichtlichen Augen scheitern muß; allein daß die Philosophie den Streit versöhne, davon sind wir so weit entfernt, daß vielmehr Weisheit da nur hinderlich seyn würde, wo der Friede die Folge eines gestillten eigennützigen Bedürfnisses seyn wird. Wir haben Meinungen und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0368] Was die nächste Zukunft zu lösen hat, und wie sie es zu lösen hat, können wir vielleicht durch eine intelligente und vorurtheilsfreie Philosophie erfahren; aber sie selbst wird sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen. Unsere Zeit ist nur ein Mittelglied in einer Kette von Gewesenen und Kommenden, wir bilden den Uebergang aus Feindlichem in Feindliches, wir können überall die Punkte bestimmen, wo die Jnteressen in Konflikt gerathen müssen, wo es zur Zündung der sich begegnenden Brennstoffe kommen muß, nicht aber einen Punkt, wo sich eine friedliche Beilegung denken ließe; ja wo sie sich denken ließe, wüßten wir schon; allein, wo sie auch wirklich eintreten wird, das liegt nicht in unserer Hand. Alle Tendenzen, die wir sich durchkreuzen sehen, haben einmal ihren ursprünglichen Stoß erhalten und müssen die nachhaltige Kraft desselben in sich ablaufen; griffen wir hinein, um einer der Kugeln eine willkürliche Richtung zu geben, wer weiß, ob wir die Verwirrung nicht vergrößerten? Es wäre trostlos, wenn wir hie und da nicht einen Frieden oder einen Waffenstillstand ahneten, wenn wir nicht Grenzen sähen, an welchen dieser oder jener Jrrthum vor unsern sichtlichen Augen scheitern muß; allein daß die Philosophie den Streit versöhne, davon sind wir so weit entfernt, daß vielmehr Weisheit da nur hinderlich seyn würde, wo der Friede die Folge eines gestillten eigennützigen Bedürfnisses seyn wird. Wir haben Meinungen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/368
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/368>, abgerufen am 23.11.2024.