Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

sind in die Fußstapfen der Labourdonnaie's getreten, sie sind königlicher gesinnt als die Könige, sie vertheidigen der Revolution, ja einer gesetzmäßigen Opposition gegenüber, mehr als den status quo, mehr als die Ordnung, sie vertheidigen eine Staatstheorie, die in philosophischen Lehren wurzelt und eher durch das Gegebene, als durch das neu zu Begründende ihnen realisirt scheint. Zu gewissen Konzessionen im Jnteresse der Bürgerfreiheit gern geneigt, den Prärogativen des Adels, wenn auch nicht ihm selbst abhold und den König von der Verantwortlichkeit, dann aber auch allerdings von der Selbstregierung befreiend, haben die Doktrinärs einen gewissen Grad von Freiheit mit ihrer Abneigung gegen den ewigen Fluß der Dinge und die grenzenlose Negation des Zeitgeistes wohl zu vermischen gewußt. Wenn sie Positives vertheidigen, so gilt dies gerade nicht unmittelbar dem Gegebenen, wohl aber mittelbar, da das faktisch Gegebene ihrer philosophischen Theorie am nächsten kömmt, und wenigstens den Buchstaben für das hergibt, in welches sie allerdings einen andern Sinn legen. Und so ist auch in Deutschland die Philosophie weit entfernt, mit der politischen Neuerung sich zu verbinden. Natürlich, die Neuerung hat kein Ziel; wäre sie eine fertige, in sich begründete und vor neuem Verfall sichere Republik, wer weiß, ob die Philosophen sich mit dem dann Bestehenden nicht eben so gut abfinden würden, wie jezt mit der Monarchie! Es ist wahr:

sind in die Fußstapfen der Labourdonnaie’s getreten, sie sind königlicher gesinnt als die Könige, sie vertheidigen der Revolution, ja einer gesetzmäßigen Opposition gegenüber, mehr als den status quo, mehr als die Ordnung, sie vertheidigen eine Staatstheorie, die in philosophischen Lehren wurzelt und eher durch das Gegebene, als durch das neu zu Begründende ihnen realisirt scheint. Zu gewissen Konzessionen im Jnteresse der Bürgerfreiheit gern geneigt, den Prärogativen des Adels, wenn auch nicht ihm selbst abhold und den König von der Verantwortlichkeit, dann aber auch allerdings von der Selbstregierung befreiend, haben die Doktrinärs einen gewissen Grad von Freiheit mit ihrer Abneigung gegen den ewigen Fluß der Dinge und die grenzenlose Negation des Zeitgeistes wohl zu vermischen gewußt. Wenn sie Positives vertheidigen, so gilt dies gerade nicht unmittelbar dem Gegebenen, wohl aber mittelbar, da das faktisch Gegebene ihrer philosophischen Theorie am nächsten kömmt, und wenigstens den Buchstaben für das hergibt, in welches sie allerdings einen andern Sinn legen. Und so ist auch in Deutschland die Philosophie weit entfernt, mit der politischen Neuerung sich zu verbinden. Natürlich, die Neuerung hat kein Ziel; wäre sie eine fertige, in sich begründete und vor neuem Verfall sichere Republik, wer weiß, ob die Philosophen sich mit dem dann Bestehenden nicht eben so gut abfinden würden, wie jezt mit der Monarchie! Es ist wahr:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="363"/>
sind in die Fußstapfen der Labourdonnaie&#x2019;s getreten, sie sind königlicher gesinnt als die Könige, sie vertheidigen der Revolution, ja einer gesetzmäßigen Opposition gegenüber, mehr als den <hi rendition="#aq">status quo</hi>, mehr als die Ordnung, sie vertheidigen eine Staatstheorie, die in philosophischen Lehren wurzelt und eher durch das Gegebene, als durch das neu zu Begründende ihnen realisirt scheint. Zu gewissen Konzessionen im Jnteresse der Bürgerfreiheit gern geneigt, den Prärogativen des Adels, wenn auch nicht ihm selbst abhold und den König von der Verantwortlichkeit, dann aber auch allerdings von der Selbstregierung befreiend, haben die Doktrinärs einen gewissen Grad von Freiheit mit ihrer Abneigung gegen den ewigen Fluß der Dinge und die grenzenlose Negation des Zeitgeistes wohl zu vermischen gewußt. Wenn sie Positives vertheidigen, so gilt dies gerade nicht unmittelbar dem Gegebenen, wohl aber mittelbar, da das faktisch Gegebene ihrer philosophischen Theorie am nächsten kömmt, und wenigstens den Buchstaben für das hergibt, in welches sie allerdings einen andern Sinn legen. Und so ist auch in Deutschland die Philosophie weit entfernt, mit der politischen Neuerung sich zu verbinden. Natürlich, die Neuerung hat kein Ziel; wäre sie eine fertige, in sich begründete und vor neuem Verfall sichere Republik, wer weiß, ob die Philosophen sich mit dem dann Bestehenden nicht eben so gut abfinden würden, wie jezt mit der Monarchie! Es ist wahr:
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0365] sind in die Fußstapfen der Labourdonnaie’s getreten, sie sind königlicher gesinnt als die Könige, sie vertheidigen der Revolution, ja einer gesetzmäßigen Opposition gegenüber, mehr als den status quo, mehr als die Ordnung, sie vertheidigen eine Staatstheorie, die in philosophischen Lehren wurzelt und eher durch das Gegebene, als durch das neu zu Begründende ihnen realisirt scheint. Zu gewissen Konzessionen im Jnteresse der Bürgerfreiheit gern geneigt, den Prärogativen des Adels, wenn auch nicht ihm selbst abhold und den König von der Verantwortlichkeit, dann aber auch allerdings von der Selbstregierung befreiend, haben die Doktrinärs einen gewissen Grad von Freiheit mit ihrer Abneigung gegen den ewigen Fluß der Dinge und die grenzenlose Negation des Zeitgeistes wohl zu vermischen gewußt. Wenn sie Positives vertheidigen, so gilt dies gerade nicht unmittelbar dem Gegebenen, wohl aber mittelbar, da das faktisch Gegebene ihrer philosophischen Theorie am nächsten kömmt, und wenigstens den Buchstaben für das hergibt, in welches sie allerdings einen andern Sinn legen. Und so ist auch in Deutschland die Philosophie weit entfernt, mit der politischen Neuerung sich zu verbinden. Natürlich, die Neuerung hat kein Ziel; wäre sie eine fertige, in sich begründete und vor neuem Verfall sichere Republik, wer weiß, ob die Philosophen sich mit dem dann Bestehenden nicht eben so gut abfinden würden, wie jezt mit der Monarchie! Es ist wahr:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/365
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/365>, abgerufen am 22.11.2024.