Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Jn England hat sich überhaupt bei dem Worte Philosophie der metaphysische Nebenbegriff verloren. Wenn man von einer philosophischen Maschinenlehre, von einem philosophischen Rezept zur Stiefelwichse spricht, so ist damit nur noch eine Methode bezeichnet, die sich der Paragraphen und Kapitel bedient. Jn England werden die Fragen der Gesetzgebung, die doch mit der Philosophie in genauer Berührung stehen, niemals durch die leztere erläutert. Die empirischen Wissenschaften haben die Oberhand und die Philosophie ist weniger dazu bestimmt, Gedachtes zu überliefern, als denken zu lehren; sie soll keine Begriffe einpflanzen, sondern die, welche man schon hat, nur regeln und ordnen. Und doch hatten die Engländer so vielen Beruf, in der Philosophie die erste Rolle zu spielen. Sie hatten Phantasie und nüchternen Verstand genug, um keiner von beiden Geistesthätigkeiten ausschließlich anheimzufallen. Die vorzüglichsten Bewegungen innerhalb der Philosophie verdankt man Engländern. Bako von Verulam wirkte zwar großartiger auf die Naturwissenschaften, als auf die Philosophie, allein seine Theorie der Phänomene war es schon, auf welche Locke und Hume weiter fortbauten. Welchen Einfluß hatten nicht diese beiden Heroen der englischen Literatur auf die allgemeine europäische Bildung im vorigen Jahrhundert! Wenn auch Europa mehr seine philosophische Richtung durch Frankreichs skeptische Jn England hat sich überhaupt bei dem Worte Philosophie der metaphysische Nebenbegriff verloren. Wenn man von einer philosophischen Maschinenlehre, von einem philosophischen Rezept zur Stiefelwichse spricht, so ist damit nur noch eine Methode bezeichnet, die sich der Paragraphen und Kapitel bedient. Jn England werden die Fragen der Gesetzgebung, die doch mit der Philosophie in genauer Berührung stehen, niemals durch die leztere erläutert. Die empirischen Wissenschaften haben die Oberhand und die Philosophie ist weniger dazu bestimmt, Gedachtes zu überliefern, als denken zu lehren; sie soll keine Begriffe einpflanzen, sondern die, welche man schon hat, nur regeln und ordnen. Und doch hatten die Engländer so vielen Beruf, in der Philosophie die erste Rolle zu spielen. Sie hatten Phantasie und nüchternen Verstand genug, um keiner von beiden Geistesthätigkeiten ausschließlich anheimzufallen. Die vorzüglichsten Bewegungen innerhalb der Philosophie verdankt man Engländern. Bako von Verulam wirkte zwar großartiger auf die Naturwissenschaften, als auf die Philosophie, allein seine Theorie der Phänomene war es schon, auf welche Locke und Hume weiter fortbauten. Welchen Einfluß hatten nicht diese beiden Heroen der englischen Literatur auf die allgemeine europäische Bildung im vorigen Jahrhundert! Wenn auch Europa mehr seine philosophische Richtung durch Frankreichs skeptische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0347" n="345"/> <p> Jn England hat sich überhaupt bei dem Worte Philosophie der metaphysische Nebenbegriff verloren. Wenn man von einer philosophischen Maschinenlehre, von einem philosophischen Rezept zur Stiefelwichse spricht, so ist damit nur noch eine Methode bezeichnet, die sich der Paragraphen und Kapitel bedient. Jn England werden die Fragen der Gesetzgebung, die doch mit der Philosophie in genauer Berührung stehen, niemals durch die leztere erläutert. Die empirischen Wissenschaften haben die Oberhand und die Philosophie ist weniger dazu bestimmt, Gedachtes zu überliefern, als denken zu lehren; sie soll keine Begriffe einpflanzen, sondern die, welche man schon hat, nur regeln und ordnen.</p> <p>Und doch hatten die Engländer so vielen Beruf, in der Philosophie die erste Rolle zu spielen. Sie hatten Phantasie und nüchternen Verstand genug, um keiner von beiden Geistesthätigkeiten ausschließlich anheimzufallen. Die vorzüglichsten Bewegungen innerhalb der Philosophie verdankt man Engländern. <hi rendition="#g">Bako</hi> von Verulam wirkte zwar großartiger auf die Naturwissenschaften, als auf die Philosophie, allein seine Theorie der Phänomene war es schon, auf welche <hi rendition="#g">Locke</hi> und <hi rendition="#g">Hume</hi> weiter fortbauten. Welchen Einfluß hatten nicht diese beiden Heroen der englischen Literatur auf die allgemeine europäische Bildung im vorigen Jahrhundert! Wenn auch Europa mehr seine philosophische Richtung durch Frankreichs skeptische </p> </div> </body> </text> </TEI> [345/0347]
Jn England hat sich überhaupt bei dem Worte Philosophie der metaphysische Nebenbegriff verloren. Wenn man von einer philosophischen Maschinenlehre, von einem philosophischen Rezept zur Stiefelwichse spricht, so ist damit nur noch eine Methode bezeichnet, die sich der Paragraphen und Kapitel bedient. Jn England werden die Fragen der Gesetzgebung, die doch mit der Philosophie in genauer Berührung stehen, niemals durch die leztere erläutert. Die empirischen Wissenschaften haben die Oberhand und die Philosophie ist weniger dazu bestimmt, Gedachtes zu überliefern, als denken zu lehren; sie soll keine Begriffe einpflanzen, sondern die, welche man schon hat, nur regeln und ordnen.
Und doch hatten die Engländer so vielen Beruf, in der Philosophie die erste Rolle zu spielen. Sie hatten Phantasie und nüchternen Verstand genug, um keiner von beiden Geistesthätigkeiten ausschließlich anheimzufallen. Die vorzüglichsten Bewegungen innerhalb der Philosophie verdankt man Engländern. Bako von Verulam wirkte zwar großartiger auf die Naturwissenschaften, als auf die Philosophie, allein seine Theorie der Phänomene war es schon, auf welche Locke und Hume weiter fortbauten. Welchen Einfluß hatten nicht diese beiden Heroen der englischen Literatur auf die allgemeine europäische Bildung im vorigen Jahrhundert! Wenn auch Europa mehr seine philosophische Richtung durch Frankreichs skeptische
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