Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementen auseinander und schuf jene für Juristen wenigstens so unzweckmäßige römische Rechtsgeschichte, die man billig den Philologen hätte überlassen sollen. Es gibt nun Rechtslehrer, welche nur noch historisch-kritische Notizenjäger sind, die den zusammenhängenden Bau des römischen Rechtes getrost auseinanderfallen ließen und sich Tag für Tag nur mit dem Einzelnen beschäftigen. Die Jnstitutionen sind praktisch lehrreicher geworden, als die Pandekten. Die Leztern sind ein Tummelfeld für ein meist scharfsinniges, aber zweckloses Treiben. Die Folge dieses Verfahrens, das man als normal in die Wissenschaft einführen wollte, war verderblich genug; denn dieser Zersplitterung verdankt man es, daß man an dem Berufe unserer Zeit für die Gesetzgebung zu zweifeln anfing und statt eine frische, aus dem Geist der Zeitgenossen emporblühende Gesetzgebung zu befördern, sich auch in politischen Fragen völlig an die Vergangenheit und das Gegebene anlehnte.

Wenn die Spekulation diese planlose Zerfahrenheit beschränkte, wenn sie dem behaglichen Kritizismus Schranken sezte und ihn zwang, was man zu sagen pflegt, in ernsten Dingen bei der Stange zu bleiben, dann hat sie für die historischen Wissenschaften viel geleistet. Hätte sie nur nicht öfters die Einheit, die sie dem Stoffe derselben geben wollte, von fremden Gebieten her entlehnt, hätte sie sich nur mehr aus dem Materiale selbst emporheben können und das

Elementen auseinander und schuf jene für Juristen wenigstens so unzweckmäßige römische Rechtsgeschichte, die man billig den Philologen hätte überlassen sollen. Es gibt nun Rechtslehrer, welche nur noch historisch-kritische Notizenjäger sind, die den zusammenhängenden Bau des römischen Rechtes getrost auseinanderfallen ließen und sich Tag für Tag nur mit dem Einzelnen beschäftigen. Die Jnstitutionen sind praktisch lehrreicher geworden, als die Pandekten. Die Leztern sind ein Tummelfeld für ein meist scharfsinniges, aber zweckloses Treiben. Die Folge dieses Verfahrens, das man als normal in die Wissenschaft einführen wollte, war verderblich genug; denn dieser Zersplitterung verdankt man es, daß man an dem Berufe unserer Zeit für die Gesetzgebung zu zweifeln anfing und statt eine frische, aus dem Geist der Zeitgenossen emporblühende Gesetzgebung zu befördern, sich auch in politischen Fragen völlig an die Vergangenheit und das Gegebene anlehnte.

Wenn die Spekulation diese planlose Zerfahrenheit beschränkte, wenn sie dem behaglichen Kritizismus Schranken sezte und ihn zwang, was man zu sagen pflegt, in ernsten Dingen bei der Stange zu bleiben, dann hat sie für die historischen Wissenschaften viel geleistet. Hätte sie nur nicht öfters die Einheit, die sie dem Stoffe derselben geben wollte, von fremden Gebieten her entlehnt, hätte sie sich nur mehr aus dem Materiale selbst emporheben können und das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0343" n="341"/>
Elementen auseinander und schuf jene für Juristen wenigstens so unzweckmäßige römische Rechtsgeschichte, die man billig den Philologen hätte überlassen sollen. Es gibt nun Rechtslehrer, welche nur noch historisch-kritische Notizenjäger sind, die den zusammenhängenden Bau des römischen Rechtes getrost auseinanderfallen ließen und sich Tag für Tag nur mit dem Einzelnen beschäftigen. Die Jnstitutionen sind praktisch lehrreicher geworden, als die Pandekten. Die Leztern sind ein Tummelfeld für ein meist scharfsinniges, aber zweckloses Treiben. Die Folge dieses Verfahrens, das man als normal in die Wissenschaft einführen wollte, war verderblich genug; denn dieser Zersplitterung verdankt man es, daß man an dem Berufe unserer Zeit für die Gesetzgebung zu zweifeln anfing und statt eine frische, aus dem Geist der Zeitgenossen emporblühende Gesetzgebung zu befördern, sich auch in politischen Fragen völlig an die Vergangenheit und das Gegebene anlehnte.</p>
        <p>Wenn die Spekulation diese planlose Zerfahrenheit beschränkte, wenn sie dem behaglichen Kritizismus Schranken sezte und ihn zwang, was man zu sagen pflegt, in ernsten Dingen bei der Stange zu bleiben, dann hat sie für die historischen Wissenschaften viel geleistet. Hätte sie nur nicht öfters die Einheit, die sie dem Stoffe derselben geben wollte, von fremden Gebieten her entlehnt, hätte sie sich nur mehr aus dem Materiale selbst emporheben können und das
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0343] Elementen auseinander und schuf jene für Juristen wenigstens so unzweckmäßige römische Rechtsgeschichte, die man billig den Philologen hätte überlassen sollen. Es gibt nun Rechtslehrer, welche nur noch historisch-kritische Notizenjäger sind, die den zusammenhängenden Bau des römischen Rechtes getrost auseinanderfallen ließen und sich Tag für Tag nur mit dem Einzelnen beschäftigen. Die Jnstitutionen sind praktisch lehrreicher geworden, als die Pandekten. Die Leztern sind ein Tummelfeld für ein meist scharfsinniges, aber zweckloses Treiben. Die Folge dieses Verfahrens, das man als normal in die Wissenschaft einführen wollte, war verderblich genug; denn dieser Zersplitterung verdankt man es, daß man an dem Berufe unserer Zeit für die Gesetzgebung zu zweifeln anfing und statt eine frische, aus dem Geist der Zeitgenossen emporblühende Gesetzgebung zu befördern, sich auch in politischen Fragen völlig an die Vergangenheit und das Gegebene anlehnte. Wenn die Spekulation diese planlose Zerfahrenheit beschränkte, wenn sie dem behaglichen Kritizismus Schranken sezte und ihn zwang, was man zu sagen pflegt, in ernsten Dingen bei der Stange zu bleiben, dann hat sie für die historischen Wissenschaften viel geleistet. Hätte sie nur nicht öfters die Einheit, die sie dem Stoffe derselben geben wollte, von fremden Gebieten her entlehnt, hätte sie sich nur mehr aus dem Materiale selbst emporheben können und das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/343
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/343>, abgerufen am 22.11.2024.