Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Sucht für das poetische Genrebild. Von dem historischen Roman, der in der Vergangenheit lebte, stürzte man plötzlich auf die nächste Gegenwart und zeichnete nach der Art englischer Ladies Alles ab, was man nur im Fluge von der Gegenwart mitnehmen konnte. Die Genremaler zeichneten uns die höhere Gesellschaft und die niedere, die Salons und die Straßen, die Spielhäuser und die Winkelkneipen. Der Fashionable, der Dandy, der Kurzathmige, der Schwerwampige, der Dünne, der Dicke; dies waren Charaktere oder vielmehr Karrikaturen, die mit kurzen Strichen an die Wand gemalt wurden. Kutscher und Bedienten, Straßenkehrer und Savoyarden, Grisetten und Blumenmädchen, Schauspielerinnen und Kritiker, ja die Pariserhunde wurden von der Genreliteratur gezeichnet. Diese Portraitirungen nun unter einander zu verbinden und zu Lithographien auszuspinnen, dahin war leicht der Sprung gethan. Das Leben eines Stutzers gab einen Roman. Nun kamen Memoiren eines Ennuirten, eines Desavouirten und wie dies Zeug weiter durch auffallende Titel angepriesen wurde. Am glücklichsten war in diesem Fache der schon halb wieder vergessene Bulwer. Jhn haben die Matrosen, die auf Halbsold stehenden Hauptleute, die Pensionäre der ostindischen Kompagnie verdrängt. Das schreibt und beutet jezt Sonnenschein und Ungewitter aus, Sturm und Regen, Berg und Thal, und tritt mit unläugbarem Talente allmälig die höchsten Berge Sucht für das poetische Genrebild. Von dem historischen Roman, der in der Vergangenheit lebte, stürzte man plötzlich auf die nächste Gegenwart und zeichnete nach der Art englischer Ladies Alles ab, was man nur im Fluge von der Gegenwart mitnehmen konnte. Die Genremaler zeichneten uns die höhere Gesellschaft und die niedere, die Salons und die Straßen, die Spielhäuser und die Winkelkneipen. Der Fashionable, der Dandy, der Kurzathmige, der Schwerwampige, der Dünne, der Dicke; dies waren Charaktere oder vielmehr Karrikaturen, die mit kurzen Strichen an die Wand gemalt wurden. Kutscher und Bedienten, Straßenkehrer und Savoyarden, Grisetten und Blumenmädchen, Schauspielerinnen und Kritiker, ja die Pariserhunde wurden von der Genreliteratur gezeichnet. Diese Portraitirungen nun unter einander zu verbinden und zu Lithographien auszuspinnen, dahin war leicht der Sprung gethan. Das Leben eines Stutzers gab einen Roman. Nun kamen Memoiren eines Ennuirten, eines Desavouirten und wie dies Zeug weiter durch auffallende Titel angepriesen wurde. Am glücklichsten war in diesem Fache der schon halb wieder vergessene Bulwer. Jhn haben die Matrosen, die auf Halbsold stehenden Hauptleute, die Pensionäre der ostindischen Kompagnie verdrängt. Das schreibt und beutet jezt Sonnenschein und Ungewitter aus, Sturm und Regen, Berg und Thal, und tritt mit unläugbarem Talente allmälig die höchsten Berge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0289" n="287"/> Sucht für das poetische <hi rendition="#g">Genrebild</hi>. Von dem historischen Roman, der in der Vergangenheit lebte, stürzte man plötzlich auf die nächste Gegenwart und zeichnete nach der Art englischer Ladies Alles ab, was man nur im Fluge von der Gegenwart mitnehmen konnte. Die Genremaler zeichneten uns die höhere Gesellschaft und die niedere, die Salons und die Straßen, die Spielhäuser und die Winkelkneipen. Der Fashionable, der Dandy, der Kurzathmige, der Schwerwampige, der Dünne, der Dicke; dies waren Charaktere oder vielmehr Karrikaturen, die mit kurzen Strichen an die Wand gemalt wurden. Kutscher und Bedienten, Straßenkehrer und Savoyarden, Grisetten und Blumenmädchen, Schauspielerinnen und Kritiker, ja die Pariserhunde wurden von der Genreliteratur gezeichnet.</p> <p>Diese Portraitirungen nun unter einander zu verbinden und zu Lithographien auszuspinnen, dahin war leicht der Sprung gethan. Das Leben eines Stutzers gab einen Roman. Nun kamen Memoiren eines Ennuirten, eines Desavouirten und wie dies Zeug weiter durch auffallende Titel angepriesen wurde. Am glücklichsten war in diesem Fache <ref xml:id="TEXTderschonBISBulwer"/>der schon halb wieder vergessene <hi rendition="#g">Bulwer</hi>. Jhn haben die Matrosen, die auf Halbsold stehenden Hauptleute, die Pensionäre der ostindischen Kompagnie verdrängt. Das schreibt und beutet jezt Sonnenschein und Ungewitter aus, Sturm und Regen, Berg und Thal, und tritt mit unläugbarem Talente allmälig die höchsten Berge </p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0289]
Sucht für das poetische Genrebild. Von dem historischen Roman, der in der Vergangenheit lebte, stürzte man plötzlich auf die nächste Gegenwart und zeichnete nach der Art englischer Ladies Alles ab, was man nur im Fluge von der Gegenwart mitnehmen konnte. Die Genremaler zeichneten uns die höhere Gesellschaft und die niedere, die Salons und die Straßen, die Spielhäuser und die Winkelkneipen. Der Fashionable, der Dandy, der Kurzathmige, der Schwerwampige, der Dünne, der Dicke; dies waren Charaktere oder vielmehr Karrikaturen, die mit kurzen Strichen an die Wand gemalt wurden. Kutscher und Bedienten, Straßenkehrer und Savoyarden, Grisetten und Blumenmädchen, Schauspielerinnen und Kritiker, ja die Pariserhunde wurden von der Genreliteratur gezeichnet.
Diese Portraitirungen nun unter einander zu verbinden und zu Lithographien auszuspinnen, dahin war leicht der Sprung gethan. Das Leben eines Stutzers gab einen Roman. Nun kamen Memoiren eines Ennuirten, eines Desavouirten und wie dies Zeug weiter durch auffallende Titel angepriesen wurde. Am glücklichsten war in diesem Fache der schon halb wieder vergessene Bulwer. Jhn haben die Matrosen, die auf Halbsold stehenden Hauptleute, die Pensionäre der ostindischen Kompagnie verdrängt. Das schreibt und beutet jezt Sonnenschein und Ungewitter aus, Sturm und Regen, Berg und Thal, und tritt mit unläugbarem Talente allmälig die höchsten Berge
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/289>, abgerufen am 16.02.2025. |