Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Sinn für natürliche und markige Schönheit wieder weckte und mit Canova eine neue Blüthe dieser Kunst anbrach. Wunderlich ist, daß man damals allgemein zu der Ueberzeugung kam, wie in der Bildhauerkunst und in der Malerei auch der vollständige Charakter der Antike und der Romantik ausgedrückt läge und wie man dennoch die damals von den Aesthetikern gezeichneten Linien übersprang und sogar die Plastik zu romantisiren anfing. Denn heilige Apostel oder wohl gar Christus in Marmor wiederzugeben, scheint allen Prinzipien über das Christliche in der Kunst und die Kunst im Christenthum zu widersprechen. Wenigstens ist ein Christus aus Marmor dem Bereiche des Menschlichen näher gerückt, als auf der Leinwand. Man sieht einer solchen Verkörperung nicht mehr an, daß sie geistig verklärt und unsichtbar werden könne. Die Aesthetik sollte eine solche Vermischung des Geschmackes bestreiten, und, wenn es auch nicht im Jnteresse der Aufklärung wäre, die christliche Mythologie der Musik und Malerei ausschließlich zu erhalten suchen. Allerdings sind die Bildhauer in einer schwierigen Lage, indem man ihnen nur das Verdienst gestattet, daß sie das Verdienst verherrlichen; so bekommen sie für ihre Marmorblöcke Modelle, denen die Kunst nicht viel abgewinnen kann. Friedrich der Große verdient die Verewigung durch Marmor; allein wie die kleine, ausgetrocknete Gestalt so auffassen, daß der Künstler die Karrikatur vermeidet! War Sinn für natürliche und markige Schönheit wieder weckte und mit Canova eine neue Blüthe dieser Kunst anbrach. Wunderlich ist, daß man damals allgemein zu der Ueberzeugung kam, wie in der Bildhauerkunst und in der Malerei auch der vollständige Charakter der Antike und der Romantik ausgedrückt läge und wie man dennoch die damals von den Aesthetikern gezeichneten Linien übersprang und sogar die Plastik zu romantisiren anfing. Denn heilige Apostel oder wohl gar Christus in Marmor wiederzugeben, scheint allen Prinzipien über das Christliche in der Kunst und die Kunst im Christenthum zu widersprechen. Wenigstens ist ein Christus aus Marmor dem Bereiche des Menschlichen näher gerückt, als auf der Leinwand. Man sieht einer solchen Verkörperung nicht mehr an, daß sie geistig verklärt und unsichtbar werden könne. Die Aesthetik sollte eine solche Vermischung des Geschmackes bestreiten, und, wenn es auch nicht im Jnteresse der Aufklärung wäre, die christliche Mythologie der Musik und Malerei ausschließlich zu erhalten suchen. Allerdings sind die Bildhauer in einer schwierigen Lage, indem man ihnen nur das Verdienst gestattet, daß sie das Verdienst verherrlichen; so bekommen sie für ihre Marmorblöcke Modelle, denen die Kunst nicht viel abgewinnen kann. Friedrich der Große verdient die Verewigung durch Marmor; allein wie die kleine, ausgetrocknete Gestalt so auffassen, daß der Künstler die Karrikatur vermeidet! War <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0271" n="269"/> Sinn für natürliche und markige Schönheit wieder weckte und mit <hi rendition="#g">Canova</hi> eine neue Blüthe dieser Kunst anbrach. Wunderlich ist, daß man damals allgemein zu der Ueberzeugung kam, wie in der Bildhauerkunst und in der Malerei auch der vollständige Charakter der Antike und der Romantik ausgedrückt läge und wie man dennoch die damals von den Aesthetikern gezeichneten Linien übersprang und sogar die Plastik zu romantisiren anfing. Denn heilige Apostel oder wohl gar <hi rendition="#g">Christus</hi> in Marmor wiederzugeben, scheint allen Prinzipien über das Christliche in der Kunst und die Kunst im Christenthum zu widersprechen. Wenigstens ist ein <hi rendition="#g">Christus</hi> aus Marmor dem Bereiche des Menschlichen näher gerückt, als auf der Leinwand. Man sieht einer solchen Verkörperung nicht mehr an, daß sie geistig verklärt und unsichtbar werden könne. Die Aesthetik sollte eine solche Vermischung des Geschmackes bestreiten, und, wenn es auch nicht im Jnteresse der Aufklärung wäre, die christliche Mythologie der Musik und Malerei ausschließlich zu erhalten suchen. Allerdings sind die Bildhauer in einer schwierigen Lage, indem man ihnen nur das Verdienst gestattet, daß sie das Verdienst verherrlichen; so bekommen sie für ihre Marmorblöcke <hi rendition="#g">Modelle</hi>, denen die Kunst nicht viel abgewinnen kann. <hi rendition="#g">Friedrich der Große</hi> verdient die Verewigung durch Marmor; allein wie die kleine, ausgetrocknete Gestalt so auffassen, daß der Künstler die Karrikatur vermeidet! War </p> </div> </body> </text> </TEI> [269/0271]
Sinn für natürliche und markige Schönheit wieder weckte und mit Canova eine neue Blüthe dieser Kunst anbrach. Wunderlich ist, daß man damals allgemein zu der Ueberzeugung kam, wie in der Bildhauerkunst und in der Malerei auch der vollständige Charakter der Antike und der Romantik ausgedrückt läge und wie man dennoch die damals von den Aesthetikern gezeichneten Linien übersprang und sogar die Plastik zu romantisiren anfing. Denn heilige Apostel oder wohl gar Christus in Marmor wiederzugeben, scheint allen Prinzipien über das Christliche in der Kunst und die Kunst im Christenthum zu widersprechen. Wenigstens ist ein Christus aus Marmor dem Bereiche des Menschlichen näher gerückt, als auf der Leinwand. Man sieht einer solchen Verkörperung nicht mehr an, daß sie geistig verklärt und unsichtbar werden könne. Die Aesthetik sollte eine solche Vermischung des Geschmackes bestreiten, und, wenn es auch nicht im Jnteresse der Aufklärung wäre, die christliche Mythologie der Musik und Malerei ausschließlich zu erhalten suchen. Allerdings sind die Bildhauer in einer schwierigen Lage, indem man ihnen nur das Verdienst gestattet, daß sie das Verdienst verherrlichen; so bekommen sie für ihre Marmorblöcke Modelle, denen die Kunst nicht viel abgewinnen kann. Friedrich der Große verdient die Verewigung durch Marmor; allein wie die kleine, ausgetrocknete Gestalt so auffassen, daß der Künstler die Karrikatur vermeidet! War
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/271>, abgerufen am 16.07.2024. |