Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.alle zarten Blumen seiner Empfindungen sind geknickt, und in die Zeder seines Stolzes fuhr der Blitz, den die Welt mit Gewalt in sie schleuderte. Nun lastet wie ein Alp die Erinnerung einer reichen Lebenserfahrung auf ihm. Wie viel Schönes wurde nicht erschaffen und wie viel Häßliches verdrängte es! Da sind Rosen und stinkende Todtenblumen in einander gewunden oder festgehalten von ausgebleichten und leeren Gedanken, gleich Strohhalmen; da hat die Leidenschaft mit dem Genie gerungen und zwar den Totaleffekt eines reichen und innerlichst poetischen Lebens geschaffen, aber mit wie vielen Flecken für die Sonne des Dichterruhms, mit wie vielem Schmerz für den Leidenden selbst, der mit seiner Schwäche, mit dem Tode ringt! Jezt nahen sich freilich die guten Boten seines erzürnten Genius wieder; sie trösten ihn, sprechen ihm Muth zu und sagen die Rückkehr ihres Meisters an. Und der Genius kommt wieder, eingehüllt in Gedanken, die sich vor dem Auge des Sterbenden zu beruhigten Gedichten verklären; eine wiedergeborne neue Poesie zittert auf seiner Zunge; er ahnt, daß eine Zeit des Glaubens und der heiligen Gefühle, eine Zeit der beruhigten klassischen Schönheit wieder anbrechen müsse. Elvire, der Materialismus, die Jronie, der Zweifel des Zeitalters sind vergessen und der Genius einer verklärten Dichtung drückt, in Gestalt der an das Lager geflohenen ersten Jugendliebe, dem Entschlummernden die Augen zu. - alle zarten Blumen seiner Empfindungen sind geknickt, und in die Zeder seines Stolzes fuhr der Blitz, den die Welt mit Gewalt in sie schleuderte. Nun lastet wie ein Alp die Erinnerung einer reichen Lebenserfahrung auf ihm. Wie viel Schönes wurde nicht erschaffen und wie viel Häßliches verdrängte es! Da sind Rosen und stinkende Todtenblumen in einander gewunden oder festgehalten von ausgebleichten und leeren Gedanken, gleich Strohhalmen; da hat die Leidenschaft mit dem Genie gerungen und zwar den Totaleffekt eines reichen und innerlichst poetischen Lebens geschaffen, aber mit wie vielen Flecken für die Sonne des Dichterruhms, mit wie vielem Schmerz für den Leidenden selbst, der mit seiner Schwäche, mit dem Tode ringt! Jezt nahen sich freilich die guten Boten seines erzürnten Genius wieder; sie trösten ihn, sprechen ihm Muth zu und sagen die Rückkehr ihres Meisters an. Und der Genius kommt wieder, eingehüllt in Gedanken, die sich vor dem Auge des Sterbenden zu beruhigten Gedichten verklären; eine wiedergeborne neue Poesie zittert auf seiner Zunge; er ahnt, daß eine Zeit des Glaubens und der heiligen Gefühle, eine Zeit der beruhigten klassischen Schönheit wieder anbrechen müsse. Elvire, der Materialismus, die Jronie, der Zweifel des Zeitalters sind vergessen und der Genius einer verklärten Dichtung drückt, in Gestalt der an das Lager geflohenen ersten Jugendliebe, dem Entschlummernden die Augen zu. – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="266"/> alle zarten Blumen seiner Empfindungen sind geknickt, und in die Zeder seines Stolzes fuhr der Blitz, den die Welt mit Gewalt in sie schleuderte. Nun lastet wie ein Alp die Erinnerung einer reichen Lebenserfahrung auf ihm. Wie viel Schönes wurde nicht erschaffen und wie viel Häßliches verdrängte es! Da sind Rosen und stinkende Todtenblumen in einander gewunden oder festgehalten von ausgebleichten und leeren Gedanken, gleich Strohhalmen; da hat die Leidenschaft mit dem Genie gerungen und zwar den Totaleffekt eines reichen und innerlichst poetischen Lebens geschaffen, aber mit wie vielen Flecken für die Sonne des Dichterruhms, mit wie vielem Schmerz für den Leidenden selbst, der mit seiner Schwäche, mit dem Tode ringt! Jezt nahen sich freilich die guten Boten seines erzürnten Genius wieder; sie trösten ihn, sprechen ihm Muth zu und sagen die Rückkehr ihres Meisters an. Und der Genius kommt wieder, eingehüllt in Gedanken, die sich vor dem Auge des Sterbenden zu beruhigten Gedichten verklären; eine wiedergeborne neue Poesie zittert auf seiner Zunge; er ahnt, daß eine Zeit des Glaubens und der heiligen Gefühle, eine Zeit der beruhigten klassischen Schönheit wieder anbrechen müsse. <hi rendition="#g">Elvire</hi>, der Materialismus, die Jronie, der Zweifel des Zeitalters sind vergessen und der Genius einer verklärten Dichtung drückt, in Gestalt der an das Lager geflohenen ersten Jugendliebe, dem Entschlummernden die Augen zu. –</p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0268]
alle zarten Blumen seiner Empfindungen sind geknickt, und in die Zeder seines Stolzes fuhr der Blitz, den die Welt mit Gewalt in sie schleuderte. Nun lastet wie ein Alp die Erinnerung einer reichen Lebenserfahrung auf ihm. Wie viel Schönes wurde nicht erschaffen und wie viel Häßliches verdrängte es! Da sind Rosen und stinkende Todtenblumen in einander gewunden oder festgehalten von ausgebleichten und leeren Gedanken, gleich Strohhalmen; da hat die Leidenschaft mit dem Genie gerungen und zwar den Totaleffekt eines reichen und innerlichst poetischen Lebens geschaffen, aber mit wie vielen Flecken für die Sonne des Dichterruhms, mit wie vielem Schmerz für den Leidenden selbst, der mit seiner Schwäche, mit dem Tode ringt! Jezt nahen sich freilich die guten Boten seines erzürnten Genius wieder; sie trösten ihn, sprechen ihm Muth zu und sagen die Rückkehr ihres Meisters an. Und der Genius kommt wieder, eingehüllt in Gedanken, die sich vor dem Auge des Sterbenden zu beruhigten Gedichten verklären; eine wiedergeborne neue Poesie zittert auf seiner Zunge; er ahnt, daß eine Zeit des Glaubens und der heiligen Gefühle, eine Zeit der beruhigten klassischen Schönheit wieder anbrechen müsse. Elvire, der Materialismus, die Jronie, der Zweifel des Zeitalters sind vergessen und der Genius einer verklärten Dichtung drückt, in Gestalt der an das Lager geflohenen ersten Jugendliebe, dem Entschlummernden die Augen zu. –
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/268>, abgerufen am 16.07.2024. |