Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.nicht nöthig, daß man zuerst Naturdichter sey, um später so zerrissen zu dichten, wie Byron; nur möcht ich, um in fünf verschiedenen Akten fünf verschiedene Stufen der neuern Poesie zu bezeichnen, mir allerdings den Widerspruch erlauben, als wenn ein Mann, der wie Byron endete, wie Hans Sachs hätte anfangen können. Genug, suchen wir den Helden dieses didaktischen Stücks zuerst auf dem Dreibein einer Schusterwerkstatt. Die großen, mit Wasser gefüllten Glaskugeln müssen von einem einzigen Lichte für den Meister, drei Gesellen und den Lehrburschen, den Schimmer auffangen; Martin, der Lehrbursche, sey unser junger grübelnder Held, dessen Verherrlichung ich im Kopf schon manchen Vers gewidmet. Der Meister aber, ein roher Gesell, beginnt das Stück mit folgender Strophe: "Ein frommer Schuster nie begehrt, Martin jedoch muß theils ohne, theils mit Grund mißhandelt werden; denn wie sollt ich den Gegensatz seines poetischen Gemüths gegen die Prosa, die ihn noch umgibt, zu Worte kommen lassen? Mit dem Knieriem oder was sonst dem Meister nah liegt, und von den Gesellen mißhandelt, läuft er in seine Dachkammer hinauf und schüttet seinen Schmerz in nicht nöthig, daß man zuerst Naturdichter sey, um später so zerrissen zu dichten, wie Byron; nur möcht ich, um in fünf verschiedenen Akten fünf verschiedene Stufen der neuern Poesie zu bezeichnen, mir allerdings den Widerspruch erlauben, als wenn ein Mann, der wie Byron endete, wie Hans Sachs hätte anfangen können. Genug, suchen wir den Helden dieses didaktischen Stücks zuerst auf dem Dreibein einer Schusterwerkstatt. Die großen, mit Wasser gefüllten Glaskugeln müssen von einem einzigen Lichte für den Meister, drei Gesellen und den Lehrburschen, den Schimmer auffangen; Martin, der Lehrbursche, sey unser junger grübelnder Held, dessen Verherrlichung ich im Kopf schon manchen Vers gewidmet. Der Meister aber, ein roher Gesell, beginnt das Stück mit folgender Strophe: "Ein frommer Schuster nie begehrt, Martin jedoch muß theils ohne, theils mit Grund mißhandelt werden; denn wie sollt ich den Gegensatz seines poetischen Gemüths gegen die Prosa, die ihn noch umgibt, zu Worte kommen lassen? Mit dem Knieriem oder was sonst dem Meister nah liegt, und von den Gesellen mißhandelt, läuft er in seine Dachkammer hinauf und schüttet seinen Schmerz in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0261" n="259"/> nicht nöthig, daß man zuerst Naturdichter sey, um später so zerrissen zu dichten, wie <hi rendition="#g">Byron</hi>; nur möcht ich, um in fünf verschiedenen Akten fünf verschiedene Stufen der neuern Poesie zu bezeichnen, mir allerdings den Widerspruch erlauben, als wenn ein Mann, der wie <hi rendition="#g">Byron</hi> endete, wie <hi rendition="#g">Hans Sachs</hi> hätte anfangen können. Genug, suchen wir den Helden dieses didaktischen Stücks zuerst auf dem Dreibein einer Schusterwerkstatt. Die großen, mit Wasser gefüllten Glaskugeln müssen von einem einzigen Lichte für den Meister, drei Gesellen und den Lehrburschen, den Schimmer auffangen; <hi rendition="#g">Martin</hi>, der Lehrbursche, sey unser junger grübelnder Held, dessen Verherrlichung ich im Kopf schon manchen Vers gewidmet. Der Meister aber, ein roher Gesell, beginnt das Stück mit folgender Strophe:</p> <p rendition="#c">"Ein frommer Schuster nie begehrt,<lb/> Daß in der Welt sich was verkehrt;<lb/> Denn geht die Menschheit auf der Kapp,<lb/> So reißt sie keine Stiefeln ab.“</p> <p><hi rendition="#g">Martin</hi> jedoch muß theils ohne, theils mit Grund mißhandelt werden; denn wie sollt ich den Gegensatz seines poetischen Gemüths gegen die Prosa, die ihn noch umgibt, zu Worte kommen lassen? Mit dem Knieriem oder was sonst dem Meister nah liegt, und von den Gesellen mißhandelt, läuft er in seine Dachkammer hinauf und schüttet seinen Schmerz in </p> </div> </body> </text> </TEI> [259/0261]
nicht nöthig, daß man zuerst Naturdichter sey, um später so zerrissen zu dichten, wie Byron; nur möcht ich, um in fünf verschiedenen Akten fünf verschiedene Stufen der neuern Poesie zu bezeichnen, mir allerdings den Widerspruch erlauben, als wenn ein Mann, der wie Byron endete, wie Hans Sachs hätte anfangen können. Genug, suchen wir den Helden dieses didaktischen Stücks zuerst auf dem Dreibein einer Schusterwerkstatt. Die großen, mit Wasser gefüllten Glaskugeln müssen von einem einzigen Lichte für den Meister, drei Gesellen und den Lehrburschen, den Schimmer auffangen; Martin, der Lehrbursche, sey unser junger grübelnder Held, dessen Verherrlichung ich im Kopf schon manchen Vers gewidmet. Der Meister aber, ein roher Gesell, beginnt das Stück mit folgender Strophe:
"Ein frommer Schuster nie begehrt,
Daß in der Welt sich was verkehrt;
Denn geht die Menschheit auf der Kapp,
So reißt sie keine Stiefeln ab.“
Martin jedoch muß theils ohne, theils mit Grund mißhandelt werden; denn wie sollt ich den Gegensatz seines poetischen Gemüths gegen die Prosa, die ihn noch umgibt, zu Worte kommen lassen? Mit dem Knieriem oder was sonst dem Meister nah liegt, und von den Gesellen mißhandelt, läuft er in seine Dachkammer hinauf und schüttet seinen Schmerz in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |